Thomas Schmidinger
Faschismus und autoritärer Etatismus
Warum Wahlerfolge von Parteien wie der FPÖ oder BZÖ keine faschistische Herrschaft hervorbringen und trotzdem die Demokratie aushöhlen
Wenn es einen Tag gibt, an dem sich der große Tabubruch im Umgang mit dem neuen RechtsextremismusAnmerkung der Phase 2: Wir lehnen die Verwendung des Begriffs Rechtsextremismus ab, zum einen führt er dazu, dass Nazis nicht mehr Nazis genannt werden und dass ein harmloser klingender Oberbegriff verwendet wird. Zum anderen impliziert er ein Gesellschaftsmodell, das von einer »guten« Mitte ohne rassistische und antisemitische Einstellungen ausgeht. Der Autor hält den Begriff aber für notwendig, um unterschiedliche Strömungen gemeinsam begrifflich fassen zu können. Er bezieht sich hier auf den Rechtsextremismusbegriff, den das Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands (DÖW) verwendet und der von Willibald I. Holzer ausformuliert wurde (Willibald I. Holzer: Rechtsextremismus. Konturen, Definitionsmerkmale und Erklärungsansätze. In: DÖW (Hrsg.): Handbuch des österreichischen Rechtsextremismus. Wien, 1993). Holzer verwendet den Begriff nicht im Sinne einer totalitarismustheoretischen Gegenüberstellung von Rechts- und Linksextremismus, sondern als Terminus, in dem sich unterschiedliche Definitionsmerkmale bzw. Ideologeme zu einem Idealtypus (Max Weber) verdichten. in Europa festmachen lässt, dann war dies wohl der 4. Februar 2000. Und wenn es einen Ort gibt, an dem sich dieser festmachen lässt, dann war es Wien. An diesem bitterkalten, aber sonnigen Februarmorgen schritt eine Regierung vom Bundeskanzleramt in die Hofburg, dem Sitz des österreichischen Bundespräsidenten, die erstmals eine starke Beteiligung einer rassistischen und geschichtsrevisionistischen Partei umfasste. Zuvor hatte die FPÖ unter Jörg Haider bei den Nationalratswahlen am 3. Oktober 1999 mit 26,9% den zweiten Platz errungen. Nun sollte die drittplatzierte Partei, die konservative ÖVP unter Wolfgang Schüssel, die Partei Jörg Haiders in die Regierung holen und damit einen Politiker hoffähig machen, der bis dahin vor allem mit seinem Lob für die nationalsozialistische BeschäftigungspolitikJörg Haider erklärte am 13. Juni 1991 im Kärntner Landtag in Richtung SPÖ: »Im Dritten Reich haben sie ordentliche Beschäftigungspolitik gemacht, was nicht einmal Ihre Regierung in Wien zusammenbringt.« oder der Bezeichnung von Mitgliedern der Waffen-SS als »anständige Menschen« mit »Charakter«Jörg Haider adressierte damit am 30. September 1995 die Teilnehmer bei einem Treffen von SS-Veteranen in Krumpendorf in Kärnten. europaweit bekannt geworden war. In Österreich waren solche Aussagen für seinen politischen Aufstieg nicht hinderlich. In Kärnten konnte er damit bereits den Landeshauptmannsessel erobern und auch in anderen Bundesländern ließ sich ein Wahlerfolg nach dem anderen einfahren. Bei seinen GegnerInnen in Wien herrschte in jenem Februar 2000 jedoch das blanke Entsetzen. Bereits am 1. Februar, als sich die neue Koalition abzuzeichnen begann, wurde das Dachgeschoss der ÖVP-Zentrale in Wien besetzt. Einen Tag später konnte eine relativ spontane Mobilisierung 20.000 DemonstrantInnen gegen eine Regierungsbeteiligung der FPÖ auf die Straße bringen. Und an jenem 4. Februar gelang es immerhin den Ballhausplatz, der Bundeskanzleramt und Hofburg voneinander trennt, mit lautstarken Sprechchören, Eiern, Farbbeuteln und anderen Wurfgeschossen unpassierbar zu machen, so dass das Kabinett Schüssel I in einem unterirdischen Tunnel zur Angelobung schreiten musste. Das internationale Medienecho war enorm. Freunde, die in dieser Zeit gerade in Kamerun unterwegs waren, erzählten mir später, dass sie mich selbst dort in einer Zeitung wutentbrannt an den Polizeisperren rüttelnd auf einem Foto gefunden hatten. JournalistInnen befragten DemonstrantInnen, ob denn nun ein neuer Faschismus vor der Tür stünde, und viele gaben genau solche Antworten.
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