Editorial

Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmer mehr. Und so müssen die Grundzüge deutscher Gründlichkeit frühstmöglich einstudiert werden, damit es später nicht zu deviantem Verhalten kommt. Das Hochzeitspaar von Playmobil für Kinder ab vier oder die unendliche Anzahl von »Veränderungsshows«, in denen noch jede Individualität abgeschliffen wird, sind da beinahe harmlose Beispiele. Wer nicht freiwillig normgerecht lebt, kann auf die Unterstützung staatlicher HelferInnen bauen. LehrerInnen loggen sich in Internetforen ein, um ihre SchülerInnen zu bespitzeln und bei Bedarf wegen Beleidigung zu verklagen. Sollen die mal nicht denken, dass es so etwas wie Privatsphäre gäbe oder eine Möglichkeit sich über die Zumutungen von PädagogInnen auszutauschen. Ordnung muss sein, heißt es auch bei der Bahn, nicht erst seit Einführung ihres drei-S-Systems. Ohne Fahrschein keine Beförderung, egal zu welcher Jahres- und Tageszeit, und auch das auf das Alter wird keine Rücksicht genommen, »schwarzfahrendes Hänschen« könnte ja zu gesetzmissachtendem Hans werden. Dagegen ist die Beförderung in maroden Zügen höchstens ein Kavaliersdelikt.

Obwohl man bei der Bahn unter Umständen noch besser aufgehoben ist als bei der Polizei. Wer zu viel trinkt und sich nicht zu benehmen weiß (also nicht am Stammtisch anfängt über Schwuchteln und Kanaken herzuziehen, sondern beispielsweise orientierungslos die eigene Haustür sucht), kann durchaus mit einer Lektion rechnen. Einen betrunkenen 18-jährigen, der zuvor nach einem Sturz bewusstlos geworden war, brachten zwei Polizisten nicht etwa nach Hause oder zur Ausnüchterung, nein, sie nahmen ihn ein Stück mit und setzten ihn dann nachts auf der Landstraße aus. Er wurde zwei Minuten später überfahren. »Aussetzung mit Todesfolge im minderschweren Fall« nennt das der Richter, beide erhielten Bewährungsstrafen, einer der beiden wird weiter Polizist bleiben können. Der ganz normale Wahnsinn.

Dieser erwartet uns auch im Jahr 2009. Dabei gäbe es gute Gründe zu feiern, die 30. Ausgabe der Phase 2, die hiermit erschienen ist, oder auch 30. Geburtstage allgemein.

Keinen Grund zu feiern bieten die Jahrestage und Jubiläen, die auf uns in 2009 zukommen. 60 Jahre BRD beispielsweise mit dem Schmankerl 20 Jahre Öffnung der DDR-Grenzen, auch emblematisch '89 oder »Mauerfall« genannt. Da versuchen sich die Deutschen wieder einmal selbst zu (er)finden, auf der stetigen Suche nach dem Ursprung »der Deutschen« werden Helden beschworen und im Urschleim gegraben nach Germanen und Alemannen, heroische Geschichten erzählt um eine Einheit zu beschwören, die stärker als jeder Bruch sein soll. Der Jahrestag des Beginns des Zweiten Weltkriegs wird vermutlich nicht im Mittelpunkt der Erinnerungskultur von 2009 stehen.

Punk ist die neue Vernunft!