Tabus und zweifelhafte Erfolge

Eine selbst ernannte Bürgerbewegung erringt mit einem desaströs organisierten »Anti-Islam-Kongress« internationale Aufmerksamkeit – der Anfang der ersten erfolgreichen rechtspopulistischen Bewegung in der Bundesrepublik?

Als Pro Köln bekannt gab, im September 2008 in Köln einen »Anti-Islam-Kongress« veranstalten zu wollen, hob niemand interessiert die Augenbrauen und anfangs redete kaum jemand darüber – bis auf die Antifa, die sich fast dankbar auf das vermeintliche Großevent stürzte. Doch schnell wurde nicht nur die Lokalpresse von der Thematik dominiert. Auch bundesweit widmete man sich verstärkt dem »Anti-Islam-Kongress«. Das Lüftchen Pro Köln wurde zu einem Sturm. Dieser ließ letztlich sogar das islamische Regime im Iran aufhorchen, das durch seinen Generalattaché in Frankreich ein Verbot der Veranstaltung fordern ließ.

Dass die radikale Linke schon im Vorfeld kräftig Wind gemacht hatte, ist nicht zu bestreiten. Ebenso wenig, dass das Interesse wohl geringer ausgefallen wäre, wenn ein anderes Großereignis die Bewegungslinke im Jahr 2008 hätte beschäftigen können. Aber davon auszugehen, die Welle sei nur deshalb durchs Land geschwappt, weil die Antifa den Kongress skandalisierte, greift zu kurz. Auch die selbst ernannte Bürgerbewegung Pro Köln, schon seit einer ganzen Weile der sorgsam aufgebaute Hauptfeind der Kölner Linken, war eifrig dabei, das Ereignis des Jahres unverhältnismäßig aufzubauschen. Pro Köln hatte zunächst den geplanten Bau einer repräsentativen Großmoschee in Köln-Ehrenfeld zu dem Reizthema der Kölner Parteienlandschaft ausgebaut. Die lokale Presse widmete sich den Anti-Moschee-Protesten zwar mit durchgängig ablehnender Berichterstattung, doch anhand des Medienechos auf diese Proteste und der vielen lokalen Anti-Pro-Köln-Stimmen lassen sich kaum Rückschlüsse über die reale Bedeutung Pro Kölns ziehen.

Auch wenn Pro Köln keineswegs in dem Maß in der Bevölkerung verankert ist, wie es die Deklarierung als »Bürgerbewegung« suggerieren soll, der überschaubare innere Kreis von Pro Köln weiß nur zu gut, wie man ein Rauschen im Blätterwald erzeugt. Nachdem man lange nach einem geeigneten Thema suchen musste und schließlich eher zufällig auf die vermeintliche Islamisierung Europas stieß, waren die Macher vom Feedback selbst überrascht, wie man freimütig mehrfach verkündete. Die fast durchweg aus der faschistischen und nationalsozialistischen Bewegung stammenden Kader, die in den letzten drei Dekaden zusammen alle gängigen Naziorganisationen durchlaufen haben, verschreiben sich seit Jahren gezielt populistischen Themen und erheben diese zum mager ausfallenden Programm der »Bürgerbewegung«. Sie sind damit zweifelsohne vielfach erfolgreicher als alle bisherigen rechten Projekte in Köln. Das bezeugt nicht nur der Einzug in den Stadtrat mit 4,7 Prozent und in alle Bezirksvertretungen bei der letzten Kommunalwahl 2004. Auch ein erneuter Einzug bei der kommenden Wahl erscheint realistisch. Doch ist der betriebene Aufwand im Verhältnis zu den erzielten Wahlerfolgen, um die es Pro Köln vornehmlich gehen dürfte, sehr hoch.

Das verwundert umso mehr, wenn man sich die Potenziale anschaut, die Pro Köln für sich erschließen will. Die von Wilhelm Heitmeyer regelmäßig durchgeführte Studie Deutsche Zustände attestiert rund 20 Prozent der Bundesbürger ein chauvinistisches Denken, zahlreiche weitere Studien belegen ein ähnliches Potenzial für aus der nationalsozialistischen Ideologie stammende Ideen. Doch das Pro Köln die Zehnprozentmarke erreichen wird, scheint zweifelhaft. Es stellt sich also die Frage, warum die Gruppierung diese Potenziale nicht ausschöpfen kann, während ähnlich agierende Parteien beispielsweise in Österreich oder Frankreich kontinuierlich bessere Ergebnisse erzielen. Und auch der mit Pro Köln kooperierende Vlaams Belang ist in Belgien, wo die Situation aber aufgrund der separatistischen Bestrebungen noch einmal anders gelagert ist, erfolgreicher.

Das chronische Fehlen einer charismatischen Führungsfigur sowie generell ein nicht unerhebliches Defizit an taktischem politischen Können dürfte zum Scheitern aller bisherigen Versuche beigetragen haben, die möglichen Potenziale auszuschöpfen. Auch die ewig gleichen Pro-Köln-Funktionäre geben da glücklicherweise kein besseres Bild ab. Wer sich den spröden Langweiler Manfred Rouhs über Jahre als Leitfigur leisten musste und nun nach langen internen Machtkämpfen den wenig Kompetenz und Überzeugungskraft ausstrahlenden Vorsitzenden Markus Beisicht als Spitzenkandidat in die Kommunalwahl schickt, der leidet scheinbar weiterhin an personellem Mangel. Unter diesen Umständen ist für Pro Köln der von der Ehrenfelder CDU übergelaufene, erfahrene Lokalpolitiker Jörg Uckermann ein Glücksfall.

Wie dilettantisch die Arbeit vielfach verlief, veranschaulicht insbesondere auch der Anti-Islam-Kongress. Die nationale und internationale Aufmerksamkeit erhielt dieser erst, nachdem man zahlreiche Größen der europäischen Rechten angekündigt hatte. Doch was zuerst wie der große Clou erschien, entpuppte sich als großer Bluff. Der vollmundig angekündigte Jean-Marie Le Pen bestritt, überhaupt jemals eingeladen worden zu sein. Der FPÖ-Bundesvorsitzende Hans Christian Strache hatte schon Wochen vor dem Kongress einen anderen Termin angesetzt, und die Fraktion des Vlaams Belang fiel deutlich kleiner aus, als angekündigt. Doch wäre es falsch, die sich kontinuierlich ausbreitende Vernetzung vor allem mit dem belgischen Vlaams Belang und der österreichischen FPÖ nicht als Erfolg von Pro Köln und damit als Gefahr zu betrachten. Das Scheitern des Anti-Islam-Kongresses, der nicht nur fulminanter Auftakt des Kommunalwahlkampfes sein sollte, sondern auch deutschlandweit, wenn nicht gar europaweit ein Zeichen setzen wollte, lag also nicht an der fehlenden Unterstützung durch die erfolgreichen Parteien, sondern an den organisatorischen Mängeln vor Ort.

Eine ungeschickte Informationspolitik und die Verweigerung der Kooperation mit der nicht gerade wohlgesonnenen Polizei an den zwei Tagen des Kongresses führten dazu, dass sich beim Auftakt des Kongresses vor AntifaschistInnen auf ein Boot flüchten musste. Die anschließende mehrstündige Bootsfahrt auf dem Rhein ersetzte so die im Vorfeld vollmundig angekündigte Stadtrundfahrt durch die Kölner »Problemviertel«. Auch zur Hauptkundgebung des Kongresses kamen deutlich weniger als die erwarteten 2.000 BesucherInnen. Addiert man zu den dort tatsächlich Anwesenden noch die von DemonstrantInnen auf dem Flughafen Blockierten und alle anders verhinderten Anreisenden, so mobilisierte Pro Köln maximal 700 Leute. Der Kongress selbst kam nur für wenige Minuten zustande und wurde direkt nach seiner Eröffnung von der Polizei wieder verboten. Damit verpuffte die monatelange intensive Vorarbeit zugunsten einer kurzen medialen Aufmerksamkeit, die jedoch nur als eine völlige Blamage bezeichnet werden kann. Die Berichterstattung war nach dem geplatzten Kongress fast durchweg negativ und schadenfroh. Dies spiegelt auch den gewichtigeren Grund wider, warum die vorhandenen Stimmungen in Deutschland nicht in entsprechende Wahlergebnisse rechter Parteien umgesetzt werden.

Aktuell versucht Pro Köln den entstandenen Scherbenhaufen irgendwie wieder zusammenzusetzen und kündigte bereits eine monatlich stattfindende Mahnwache am Standort der noch zu bauenden, aber bereits beschlossenen Moschee an. Das vollmundige Versprechen, den Bau zu verhindern, wird man so kaum noch erreichen können. Vielmehr bleibt wieder nur die Rolle der aufrechten und tapferen, letzten wahren Vertreter des Volkes. Welche Halbwertzeiten solche Projekte bisher hatten, zeigt ein Blick in die Geschichte ähnlicher Organisationen in der BRD.

No Nazis!

Besonders das lokale Bild von Pro Köln blieb auch nach dem Kongress eindeutig: Pro Köln sind Nazis! Immer wieder wird die Vergangenheit der entsprechenden Personen ausgebreitet, gerade auch in den gängigen linken Abhandlungen über Pro Köln. Manche Linke behandeln die »Bürgerbewegung« auch politisch wie Nationalsozialisten – inklusive der unschönen Kölner Tradition, die Kölner BürgerInnen vor den schrecklichen Nazis zu warnen. Pro Köln ist geradezu dämonisiert worden. Eine inhaltliche Auseinandersetzung dagegen hat kaum stattgefunden. Allein der örtliche Antifa AK wagte sich als mobilisierende Gruppe im Vorfeld des Kongresses an eine Verortung des Komplexes »Rechtspopulismus«.

Schaut man sich die Inhalte Pro Kölns an, finden sich dort keine auf den Nationalsozialismus Bezug nehmenden Ideen. Die Abkehr der Kader von den alten, nationalsozialistischen Inhalten erfolgte nicht nur verbal, sondern auch inhaltlich und organisatorisch. Dass sich im Umfeld von Pro Köln trotzdem eindeutige Nazis tummeln und alte Kontakte durchaus weiter bestehen, wird damit nicht geleugnet. Auch dass einzelne Elemente der politischen Programmatik Bestandteil der nationalsozialistischen Ideologie sind, ist unbestreitbar. Doch werden damit aus Pro Köln noch keine Nazis. Schließlich grenzen sich diese nicht umsonst in den letzten Jahren vermehrt von Pro Köln ab und bezeichnen die Pro Köln-Funktionäre als Verräter.

Eine Frontstellung gegen die bestehende Ordnung ist bei Pro Köln nicht erkennbar. Vielmehr bewegt man sich in dem, was die demokratische Ordnung als Spielraum anbietet und fordert eine autoritärere, nationalistischere Durchführung der demokratischen Politik. Das Programm ist dabei klassisch rechtspopulistisch. Es ist von rassistischen Ressentiments durchzogen, wird teilweise mit antisemitischen Argumentationsmustern angereichertt und ist generell von viel Empörung über »die da oben« beherrscht. Man geriert sich eben als Interessenvertreter des »kleinen Deutschen«.

Thematisch greift Pro Köln vom Drogenstrich bis hin zu antiziganistischen Aufläufen alles auf, was das Stammtischpublikum gerade bewegt. Allerdings ließ sich damit immer nur kurzfristig auf der Welle xenophober Stimmungen schwimmen. Erst das Thema »Moscheebau« brachte den Durchbruch dieses an Kampagnen orientierten Politikstils. Die Wiederholbarkeit des Erfolgs bei anderen Themen ist jedoch zweifelhaft. Noch aber ist der Islam ein dankbares Thema, mit dessen Hilfe man den altbekannten Fremdenhass in der Volksseele in Wallung bringt. Eine Islamkritik liefert Pro Köln nämlich nicht. Auch im Umfeld des geplatzten Kongresses war auf diesem Gebiet nichts zu vernehmen. Stattdessen belässt man es bei einem »Hier nicht!«. Was die Mullahs im Iran, in Afghanistan, Indonesien oder dem Sudan treiben, interessiert dagegen kaum oder erntet sogar Zustimmung. Warum auch die radikale Linke keine entschlossene Islamkritik vorbringt und partiell gar für eine Moschee auf die Straße geht, bleibt fraglich.

Die Bezeichnung der Pro KölnerInnen als Nazis entledigt von der Antifa bis hin zum Kölner Stadtanzeiger in Köln alle sehr bequem einer inhaltlichen Auseinandersetzung und schützt damit auch vor der möglichen Erkenntnis, dass die von Pro Köln formulierten Forderungen keineswegs eine marginalisierte Position von weit rechts außen sind, sondern auch bei bedeutenden Teilen der Gesellschaft und den großen Parteien Unterstützung finden. Gleichzeitig ist sie Ausdruck der in weiten Teilen Deutschlands bestehenden Tabuisierung des Nationalsozialismus. Aufgrund der Geschichte sind Nazis auf lange Sicht unwählbar geworden. Revisionistische und rechte Positionen etablieren sich seit 1945 gerade über die Ablehnung der bekennenden Nationalsozialisten und des historischen Nationalsozialismus. So schunkelte dann auch die gesamte Kölner Zivilgemeinschaft sinnstiftend zur Kölschen Volksmusik gegen Pro Köln und zelebrierte die viel beschworene Kölner Toleranz und Weltoffenheit, wobei allerdings Kölns Oberbürgermeister Fritz Schramma seine CDU nur mühsam vor gröberen Ausfällen in der Machart von Pro Köln bewahren konnte. Eine emanzipatorische Kritik am Bau der Moschee, die von dem reaktionären DITIB (Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religionen e.V.) betrieben wird, hatte da wenig Chancen, wahrgenommen zu werden.

So konnte in Köln das bessere Deutschland wieder ganz zu sich kommen und sich mit viel Getöse vom »braunen« Spuk abgrenzen, um dann Bestandteile von deren Positionen umso vehementer zu vertreten. Beispielhaft sei hier besonders auf die Kölner Boulevardmedien verwiesen, die intensiv gegen die »Nazis« von Pro Köln trommelten, aber gleichzeitig unbeschwert gegen »Klaukids« und »Zigeuner«, aber auch »Sozialschmarotzer« Stimmung machten, ohne das ihnen dämmerte, wie sehr sie damit den Pro Köln-Verlautbarungen gleichen. Dass Teile der radikalen Linken bei diesem Spektakel hilfsbereit den militanten Arm der Sozialdemokratie mimten – auch wenn es um keinen im Handgemenge mit blutiger Lippe zurückgelassenen Rassisten schade ist, egal wie oft einige Ex-Linke noch von einer roten SA fabulieren und damit den Beweis antreten, dass ihr geistiger Verfall bereits das Endstadium erreicht hat – ist dabei ein trauriger Nebeneffekt. Auch die auf eine weitergehende Kritik setzende und den bundesdeutschen Konsens attackierende Demonstration »Paradise now!« des … ums Ganze!-Bündnisses konnte dazu kaum ein Gegengewicht bilden. Daran kann auch die einstudierte Floskel der »entschlossenen« Demonstration nichts ändern. Die inhaltliche Vermittlung scheiterte vorhersehbarerweise. Zurück blieb bloß das einigende, berauschende Gefühl der simulierten Bewegung und Stärke bei den Linken sowie der wohlige Schauer, den der »Black Block« bei den BürgerInnen auszulösen vermochte.

Zwischen Original und normal

Solange die Mitglieder Pro Kölns erfolgreich als Nazis stigmatisiert werden und auch selbst immer wieder in Fettnäpfchen trampeln, die sie aufgrund der verschwimmenden Grenzen zu waschechten Nazis zielsicher finden, solange wird das gerade in Köln noch funktionierende NS-Tabu verhindern, dass ein Ausbau der Struktur oder Wahlerfolge der »Bürgerbewegung« in nennenswertem Maß stattfinden. Umso zweifelhafter ist das Gelingen des angestrebten Sprungs der Pro-Bewegung auf die Landesebene. Der Pro Köln-Ableger Pro NRW steht bisher auf äußerst wackeligen Beinen und entfaltet nicht im Ansatz die Aktivität und Wirkung der Kölner Urzelle. Auch die stolz präsentierte, europaweite Zusammenarbeit kann zurzeit nur als Freundschaftsdienst gleichgesinnter Parteien verstanden werden. An deren Erfolge wird damit aber noch lange nicht angeknüpft.

Da aber Pro Köln die ersten Jahre nach der Gründung 1996 noch erfolgloser als heute im Wählerpool stocherte, tut man gut daran, weiterhin ein Auge auf die Ausweitungsbestrebungen zu werfen. In Anbetracht der Möglichkeiten, die Pro Köln der Fraktionsstatus einbringt, sollte auch die Katalysatorfunktion der Gruppierung nicht unterschätzt werden. In vielen Konflikten, in die Pro Köln intervenierte, wurde die Stimmung durch diese Intervention enorm angeheizt, ohne dass sich dies später massiv in Wahlstimmen für Pro Köln niederschlug. Antiegalitäre und xenophobe Vorstellungen wurden aber verfestigt und mitunter auch verbreitet, nur dass die Bevölkerung weiterhin die etablierten Parteien wählte. Dies erweist sich auch als deutlich bequemer, die Effekte sind beinah dieselben und man kann sich noch dazu als das Deutschland präsentieren, das aus seiner Geschichte eindrucksvoll gelernt hat, indem man sich durch die Bank gegen Nazis positioniert.

Aber nur weil Pro Köln nicht die Erfolgswege einer FPÖ oder eines Le Pen einschlagen wird, ist damit noch nichts über Pro Kölns gesellschaftliche Relevanz gesagt. Mit dem Thema »Islam« werden sie weiterhin für Aufmerksamkeit sorgen können, auch wenn von einer von manchen Linken diagnostizierten »islamophoben« Stimmung in der Kölner Öffentlichkeit nicht viel zu merken war. Schließlich zog die Kölner Bevölkerung sogar eine Menschenkette um die Moschee der Feinde des selbstbestimmten Lebens und betonte auch sonst immer wieder gerne, was für eine liebenswerte Religion der Islam doch sei. Aber was Pro Köln unter einem Angriff auf den Islam versteht, ist auch keine Kritik seiner Ideologie, sondern ein kaum geschminkter Rassismus, den die AnhängerInnen der »Bewegung« auch als solchen erkennen. Dabei redet man heute nicht mehr von Ali, Mehmet und Mustafa, sondern von der Bedrohung durch den Islam und meint doch nur das konstruierte Kollektiv aller, die man als undeutsch und nicht integrationsfähig brandmarkt.

Vor allem die fortschreitende Auflösung des NS-Tabus rückt damit ins Blickfeld. In Teilen Ostdeutschlands stellen nationalsozialistische Modelle schon lange eine ernsthafte Alternative dar und Parteien wie die NPD sind eine politische Kraft, deren Thesen ernsthaft verhandelt werden und in der Gesellschaft Relevanz haben. Solche Szenarien sind für Köln in nächster Zeit zwar kaum vorstellbar und ob die Rechtspopulisten davon profitieren würden, ist auch fraglich. Denn im Gegensatz zu PD stellt Pro Köln nicht die Systemfrage. Statt eines müden Abklatsches könnte man dann auch gleich das Original wählen. Ein weiteres Aufweichen des NS-Tabus muss also keineswegs die Rechtspopulisten beflügeln, sondern förderte wohl vielmehr die Organisationen mit klarem NS-Bezug. Denn das der deutsche Mob auf halbem Wege stehen bleibt, wenn er erst einmal den rechten Weg eingeschlagen hat, ist nicht nur aufgrund der deutschen Geschichte äußerst unwahrscheinlich.

Pro Köln bringt vor allem die in der Gesellschaft bereits fest verankerten Ressentiments an die Oberfläche, die sich aber auch ohne Pro Köln artikulieren und in der Lokalpolitik sowie innerhalb der großen Parteien oft noch unter den Teppich gekehrt werden. Diesem Bodensatz bietet die »Bürgerbewegung« jetzt eine Bühne, auf der jeder einmal krächzen darf, der vorher nur im privaten Kreis seinen Ressentiments freien Lauf ließ. Eben weil Pro Köln den anderen den Spiegel vorhält, ist die Aufregung und die Bemühung, sie als Nazis zu diffamieren, so groß. Vor diesen eigenen Geistern erschraken die KölnerInnen so sehr, dass sie gegen die hässliche Entstellung ihres Selbstbildes ordentlich anschunkeln mussten, um sich zu vergewissern, dass weiterhin alles in Ordnung sei.

Dabei soll nicht der Eindruck entstehen, es wäre letztlich egal, ob Pro Köln regiere oder Fritz Schramma von der CDU. Ein zunehmender Einfluss von Pro Köln hätte negative Konsequenzen für diejenigen, denen etwas an individueller Freiheit und Egalität liegt, sowie insbesondere für alle, die von Pro Köln zum Objekt ihrer Hetze erkoren wurden. Doch solche Szenarien sind auch ohne Pro Köln denkbar.

Solange aber ein Ende der Stigmatisierung von Pro Köln als Nazis nicht abzusehen ist und auch die »Bürgerbewegung« keine adäquaten Mittel findet, dieses Bild zu durchbrechen, wird es zwar weiterhin die etablierten Parteien bei einigen wenigen Themen in Aufruhr versetzen können, sonst aber keine große Rolle in der Politik spielen. Auch die Etablierung einer bundesweiten, rechtspopulistischen Bewegung mit einer Ausrichtung, die der von Pro Köln ähnlich ist, wird aufgrund der Vergangenheit des politischen Personals auch auf der Basis einer Anti-Islam-Mobilisierung nicht gelingen. Das bundesdeutsche NS-Tabu wird langfristig nennenswerte Erfolge verhindern und die xenophoben Stimmungen sich weiter im bereits etablierten System der Politik artikulieren. Die größere Gefahr geht vielmehr von der Auflösung dieses Tabus aus. Ob Pro Köln eine Aufweichung begünstigt und beschleunigt, oder vielmehr das Tabu in der Breite der Gesellschaft bestärkt, wäre eine offene und zu klärende Frage. Mit einem weiteren Aufweichen würde aber beispielsweise die NPD abseits einiger verlassener Landstriche Handlungsspielraum gewinnen und damit zu einer Organisation, die ziemlich offen die Systemfrage von rechts stellt.

Die Gemengelage aus NS-Tabu, nicht gestellter Systemfrage, dem simplen Aufgreifen bereits vorhandener und auch ohne Pro Köln zu befriedigender Stimmungen und der Unfähigkeit des politischen Personals erklärt den bisherigen Misserfolg von Pro Köln, der im Verhältnis zu den gesellschaftlichen Potenzialen für die Unterstützung seiner Positionen zu verzeichnen ist. Genauso gibt diese Gemengelage unter negativen Vorzeichen Auskunft darüber, warum die NPD sich regional etablieren konnte und sich das offensichtlich auch nicht mehr so schnell ändern wird. Die wahre Bedrohung von rechts wird eher durch die NPD symbolisiert, auch wenn ihr weiterer Vormarsch den Fall des NS-Tabus zur Voraussetzung hätte.

Beide Phänomene resultieren aber aus der bestehenden Gesellschaft. Statt das Pferd weiterhin von hinten aufzuzäumen, sollte emanzipatorische, antifaschistische Kritik es sich zur Aufgabe machen, die Basis der punktuellen und weiterhin möglichen Erfolge rechter bzw. rechtspopulistischer Bewegungen ins Visier zu nehmen. Ohne die in der herrschenden Gesellschaft tief verwurzelte Xenophobie, die Pro Köln kanalisiert und potenziert, würden die konstruierten Angstszenarien vor einer Islamisierung deutlich an Wirksamkeit verlieren. Pro Köln stellt unbestritten ein Problem dar, ist und bleibt aber letztlich doch ein Ausdruck der gesamtgesellschaftlichen Verhältnisse.

MAD KÖLN

Die Gruppe MAD aus Köln informiert unter www.mad-koeln.de über ihre Aktivitäten und Positionen.