Zwischen Gottesstaat und Demokratie ist dem Untertitel entsprechend ein Handbuch des politischen Islam sowie seiner ProtagonistInnen in Österreich. Als Nachschlagewerk enthält es eine Aufstellung einzelner Organisationen und ihrer Genese.
An den Anfang gestellt ist eine grundlegende Darstellung des Verhältnisses von Islam und Politik, in der die Programmatik des Buches ausgeführt wird, so interessieren die AutorInnen »die Ideologien, die unterschiedliche Gruppen des politischen Islam propagieren«. Sie wollen damit einer homogenisierenden Betrachtungsweise des Islam entgegenwirken. Damit ist keine Verharmlosung der jeweiligen Ideologie und ihrer ApologetInnen angedacht, sondern eine Auseinandersetzung, die den vorherrschenden Stereotypenbildern entgegenwirken soll. »Es geht um eine sachliche, aber auch kritische Herangehensweise, die diese Gruppen nicht anhand von Verdächtigungen kategorisiert, sondern ihre eigenen Veröffentlichungen und Aktivitäten ernst nimmt und als solche öffentlich zugänglich und debattierbar macht«.
Es werden einige Begrifflichkeiten diskutiert und gegeneinander abgewogen. Die HerausgeberInnen ziehen beispielsweise die Kategorie politischer Islam der des Fundamentalismus vor, da letzterer außer Acht lasse, dass nicht alle Strömungen als antimodern zu begreifen seien. Bei der Ausführung der einzelnen Strömungen werden weitere Unterteilungen z. B. in Integralismus, Dschihadismus oder eben auch Fundamentalismus vorgenommen. Konstitutive Elemente des politischen Islam, die den einzelnen Strömungen gemein seien, werden herausgestellt, so dass trotz der Differenzen von einer »gemeinsame[n] ideologische[n] Plattform.» gesprochen werden könne. (33) Manifest werde diese im »Antisäkularismus, Antisemitismus, Antiliberalismus. Antikommunismus, Antiamerikanismus, Misogynie und Homophobie« (33).
Der Darlegung einer kurzen Geschichte des Islam in Österreich folgt eine kritische Auseinandersetzung mit dem postmodernen Postsäkularismus, der begriffen wird »als eine weitere Maske heuchlerischer Toleranz, die im Namen der Vielfalt eine konservative Politik der Ignoranz betreibt« (68).
Im Hauptteil stehen die Organisationen, AkteurInnen und Strukturen des politischen Islam in Österreich. Es wird ein Überblick über die Organisationen gegeben: Von kleinen AktivistInnengruppen und losen Netzwerken über Vereine und Initiativen bis hin zur offiziellen Vertretung der MuslimInnen in Österreich. Unterteilt ist die Darstellung in die jeweiligen Migrationshintergründe, die sich in der Tradition verschiedener religiöser Gruppierungen verorten. Differenziert wird unter anderem zwischen arabischem, türkischem, bosnischem und schiitischem Migrationshintergrund der VertreterInnen. Hierbei werden die historische Genese der im internationalen Kontext wichtigen Gruppierungen und ihr direkter oder indirekter Einfluss auf den politischen Islam in Österreich ausgeführt. Die Aufstellung erhebt allein aus pragmatischen Gründen keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Die Auswahl erfolgt nach qualitativer und quantitativer Relevanz der Strömungen und Gruppierungen.
Leider fehlt, wohl auch aus pragmatischen Gründen, die Auseinandersetzung mit dem Verhältnis von politischem und nicht-politischem Islam. Der Fokus auf den politischen Islam kann dem Anspruch der AutorInnen nur einseitig gerecht werden, den sie im Nachwort wie folgt formulieren: »Uns ist es ein Anliegen, an der Diskussion um das hier herrschende Islambild teilzunehmen und uns klar von einem politischen Islam zu distanzieren, der in unseren Augen die Mehrheit der Muslime in keiner Weise repräsentiert« (290f.) So wird zwar der hochgradig aufgeladenen Vorstellung vom politischen Islam entgegengewirkt, was jedoch nicht als Verharmlosung verstanden werden darf. Warum aber der politische Islam für die Mehrheit der Muslime nicht repräsentativ sein soll, stellt eine Leerstelle dar, die noch gefüllt werden muss.
Dieses Buch ist nichtsdestotrotz eine differenzierte Darstellung eines Kernbereichs der aktuellen Debatten über den Islam. Durch die historische und internationale Kontextualisierung ist es nicht nur ein Nachschlagewerk der einzelnen Gruppierungen und Strömungen, sondern auch eine gelungene Darstellung der Genese des politischen Islam in seinen Ausformungen. Die Aufstellung der Organisationen ist auf Österreich beschränkt, aber sowohl in den Debatten um den politischen Islam als auch in den ideologischen Formen desselben gibt es viele Parallelen und Übereinstimmungen zur Situation in Deutschland. Deshalb ist es auch für den deutschen Kontext relevant. Es wäre dennoch gut eine derartige Aufstellung auch für Deutschland zu haben.
Zusammenfassend lässt sich damit sagen, dass es ein wichtiger, aber eben nicht vollständiger, Beitrag zur Entmystifizierung eines als homogen imaginierten Islambildes ist.
Thomas Schmidinger, Dunja Larise (Hrsg.): Zwischen Gottesstaat und Demokratie. Handbuch des politischen Islam, Deuticke im Zsolnay Verlag, Wien 2008, 320 S., € 19,90.
INKA SAUTER