»Es ist vollbracht«

Die Entwicklung der »Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung« von der Idee zur gesetzlichen Legitimierung

Als »Zentrum gegen Vertreibungen« ist das Projekt zuerst an die Öffentlichkeit getragen worden, als »Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung« wird es jetzt verwirklicht. Als die Bundesregierung am 3. September 2008 einen Gesetzesentwurf zur Errichtung der genannten Stiftung vorlegte, gingen neuneinhalb Jahre währende Auseinandersetzungen um ein strategisches Revisionsvorhaben dem Ende entgegen. Forciert wurde es nicht nur von den Verbänden der Umgesiedelten, sondern auch von Regierung und Bundestag, unter Rot-Grün ebenso wie unter der Großen Koalition. Ein Blick auf Auseinandersetzungen, die lange die öffentliche Wahrnehmung prägten, lässt die grundsätzliche Übereinstimmung des politischen Establishments der Bundesrepublik mit den Umgesiedeltenverbänden in den zentralen Fragen der deutschen Revisionspolitik erkennen, aber auch taktische Differenzen bei ihrer Durchsetzung. Die maßgeblichen Bruchlinien zeigt dabei bereits ein Blick auf die Entwicklung in den Jahren 1999 und 2000.

Der Startschuss für die Bemühungen um das »Zentrum gegen Vertreibungen« fiel am 19. März 1999. An diesem Tag erklärten Bundesvorstand und Präsidium des Bundes der Vertriebenen (BdV) ihre Absicht, ein »Projekt zur Dokumentation und Aufarbeitung der deutschen und europäischen Vertreibungen« auf den Weg zu bringen. Die CDU-Bundestagsabgeordnete Erika Steinbach, erst ein Jahr zuvor zur BdV-Präsidentin gewählt, begann um Unterstützung zu werben. Trotz hoher Kosten – man veranschlagte eine Summe zwischen 100 und 200 Millionen DM – hatte Steinbach zunächst Erfolg. Am 29. Mai 1999 hielt Otto Schily (SPD), seit etwas mehr als einem halben Jahr Bundesinnenminister, die Festrede bei einer Feier des BdV in Berlin und sagte dort seine Unterstützung für das »Zentrum gegen Vertreibungen« zu. Rasch waren prestigeträchtige Standorte mitten in der deutschen Hauptstadt im Gespräch, ein repräsentatives Gebäude »Unter den Linden« oder das »Deutschlandhaus« in der Stresemannstraße. Das Ostpreußenblatt prophezeite dem Vorhaben ein rasches Gelingen: »Allem Anschein nach dürfte das Projekt schon innerhalb der nächsten Monate politisch und finanziell abgesichert sein.«

Die Stoßrichtung des »Zentrums gegen Vertreibungen« war von Anfang an deutlich erkennbar. Erika Steinbach ist oft unterstellt worden, ihr Projekt sei nationalistisch, weil es ausschließlich auf die Umsiedlung der Deutschen fokussiere. Nichts ist falscher. Das Konzept der BdV-Präsidentin basierte von Beginn an gerade darauf, die Umsiedlung der Deutschen nicht zu isolieren, sondern sie in eine Reihe mit gänzlich von ihr verschiedenen Vorgängen zu stellen. Historisch-politisch war die Umsiedlung tatsächlich ein Sonderfall: Mit ihr zogen die Alliierten nach der Befreiung Europas vom nationalsozialistischen Terror die Konsequenz aus der kriegsvorbereitenden völkischen Subversion des Deutschen Reichs östlich seiner Grenzen (vor allem in der Tschechoslowakei) und natürlich aus der deutschen Vernichtungspolitik. Im Rahmen dieses besonderen Begründungszusammenhangs wurde die Umsiedlung in Abschnitt XIII des Potsdamer Abkommens beschlossen und in nationalen Umsetzungsverordnungen (Beneš-Gesetze etc.) geregelt. Nur in diesem einzigartigen Kontext lässt sie sich angemessen beurteilen.

Genau diesen Kontext aber schiebt das »Zentrum gegen Vertreibungen« in den Hintergrund. Die Umsiedlung der Deutschen wird in dem Projekt in eine Reihe mit unterschiedlichsten Vorgängen gestellt, mit denen sie allenfalls formale Eigenschaften teilt – den erzwungenen Wohnortwechsel der Bevölkerung und das dabei erlittene individuelle Leid. Schon ganz zu Beginn der Debatte bestand Erika Steinbach darauf, im »Zentrum gegen Vertreibungen« verschiedene Ereignisse gleichzeitig zu thematisieren: auch die Verfolgung von Sinti und Roma im Kosovo oder den Massenmord an der armenischen Bevölkerung des Osmanischen Reichs. Bei beidem handelte bzw. handelt es sich um rassistisch motivierte Verbrechen. In eine Reihe mit der Umsiedlung der Deutschen gestellt, rücken sie diese in einen verbrecherischen Kontext, in den sie nicht gehören. Das persönliche Leid der fliehenden und der umgesiedelten Deutschen schiebt sich in den Vordergrund, die politische Begründung für die Maßnahme gerät aus dem Blick. Es bleibt der Eindruck, die »Vertreibung« und damit ein Teil des Potsdamer Abkommens sei blankes Unrecht gewesen. Das ist der revisionistische Kern des Projekts.

Bedenken gegen das »Zentrum gegen Vertreibungen« gab es vor allem in der SPD. Die Einwände betrafen aber nicht die Pläne an sich, sie richteten sich gegen ihren Träger. Markus Mildenberger, damals Leiter der »Arbeitsstelle Ostmitteleuropa« am Forschungsinstitut der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik, brachte die Bedenken im Jahr 2000 auf den Punkt. »So groß die Vorbehalte gegenüber den Vertriebenen in Deutschland sind«, schrieb er damals, »so unüberwindlich sind sie immer noch in Polen.« Zwar habe sich dort mittlerweile, »zumindest in der politischen und publizistischen Elite, eine politische Korrektheit herausgebildet, die Vertriebenen als ›Brücke‹« zwischen Deutschland und Polen »zu bezeichnen oder diesem Anspruch wenigstens nicht laut zu widersprechen.« Dennoch nahm Mildenberger in der polnischen Bevölkerung entschiedene Widerstände gegen die Umgesiedelten wahr. Es war klar: Aktivitäten des BdV, besonders Aktivitäten zur Errichtung des »Zentrums gegen Vertreibungen«, würden in Polen schwer kontrollierbare Reaktionen hervorrufen.

Weitsichtig zog die rot-grüne Bundesregierung daher ein Auffangnetz ein – mit Hilfe des Bonner »Hauses der Geschichte«. Das ist neben dem Deutschen Historischen Museum in Berlin das zweite Staatsmuseum, mit dem das offiziöse deutsche Geschichtsbild in die Öffentlichkeit transportiert wird. Im Juni 1999 – Otto Schily hatte Erika Steinbach gerade seine Unterstützung zugesagt –übernahm Knut Nevermann in der Stiftung »Haus der Geschichte« den Posten des Kuratoriumsvorsitzenden. Nevermann, in den sechziger Jahren Aktivist des nach links rückenden Sozialdemokratischen Hochschulbundes (SHB), hatte es inzwischen zum Behördenleiter des neu installierten Kulturstaatsministers im Bundeskanzleramt gebracht. Genau zu dem Zeitpunkt, als der Behördenleiter des Kulturstaatsministers in der Stiftung »Haus der Geschichte« tätig wurde, nahm diese es sich vor, die Umsiedlung der Deutschen in einer Ausstellung zu thematisieren, zwar ohne den BdV, aber im Wesentlichen mit der gleichen inhaltlichen Ausrichtung wie dessen »Zentrum gegen Vertreibungen«. Hermann Schäfer, damals Präsident der Stiftung »Haus der Geschichte«, schrieb später über das Vorhaben: »Dank gebührt [...] der Bundesregierung und hier vor allem unserem langjährigen Kuratoriumsvorsitzenden, Dr. Knut Nevermann, der sich innerhalb der Regierung immer wieder dafür einsetzte, dass dieses Projekt mit den notwendigen finanziellen Mitteln ausgestattet wurde.«

Noch im ersten Amtsjahr der rot-grünen Bundesregierung wurden damit zwei Projekte initiiert, die im Grundsatz dasselbe Anliegen verfolgen – nämlich die Umsiedlung der Deutschen zu thematisieren und sie mit rassistischen Verbrechen in Zusammenhang zu bringen – das »Zentrum gegen Vertreibungen« des BdV und eine offiziöse Ausstellung des »Hauses der Geschichte«. Während die Ausstellung über Jahre hin ohne jede öffentliche Aufmerksamkeit erarbeitet wurde, rückte das BdV-Projekt ins Zentrum der Mediendebatte. Das Präsidium des BdV trieb die Auseinandersetzung am 19. Mai 2000 mit der Verabschiedung einer Konzeption für eine Stiftung voran, die das »Zentrum gegen Vertreibungen« tragen sollte. Am 6. September 2000 wurde die Stiftung in aller Form gegründet; den Vorsitz teilten sich Erika Steinbach (CDU) und bis zu seinem Tod am 25. August 2005 Peter Glotz (SPD). Dabei haben Steinbach und der BdV sorgsam darauf geachtet, informell Verbindung zur Stiftung »Haus der Geschichte« zu halten. Diese besitzt wie auch das »Zentrum gegen Vertreibungen« einen Wissenschaftlichen Beirat, der von Lothar Gall geleitet wird; Gall ist auch Mitglied im Beirat der BdV-Stiftung. Bis ins Jahr 2006 gehörte dem BdV-Gremium außerdem Hermann Schäfer an, damals noch Präsident der Stiftung »Haus der Geschichte«. Mit der Großen Koalition ist Schäfer Anfang 2006 zum Nachfolger Nevermanns als Behördenleiter des Kulturstaatsministers aufgestiegen und treibt damit die öffentliche Debatte um die Umsiedlung vom Kanzleramt aus voran.

Über Jahre zogen sich die Auseinandersetzungen um das »Zentrum gegen Vertreibungen« hin, bis im Sommer 2003 die Debatte in Polen eskalierte – ganz so, wie es vor allem SPD-Außenpolitiker befürchtet hatten. Berühmt geworden ist vor allem ein Titelbild, mit dem das bekannte polnische Wochenmagazin Wprost am 21. September 2003 aufmachte, als es sich ausführlich mit dem »Zentrum gegen Vertreibungen« befasste. Das Bild zeigte BdV-Chefin Steinbach in SS-Uniform rittlings auf Kanzler Schröder sitzend, die Titelschlagzeile lautete: »Das deutsche Trojanische Pferd«. Unter der rot-grünen Regierung falle in Polen jetzt der alte deutsche Revanchismus ein, lautete die Botschaft. In der Sache nicht falsch, in der Form sehr provokant rief Wprost in Berlin zunächst einen wütenden Aufschrei, dann eisiges Schweigen hervor. Die Empörung verdeckte allerdings, dass sich ein viel schwerer wiegender politischer Eklat bereits in der ersten Septemberhälfte abgespielt hatte.

Am 6. September 2003 hatte der BdV in Berlin seinen jährlichen Festakt zum »Tag der Heimat« abgehalten. Als Festredner trat Bundespräsident Johannes Rau auf – der höchste Repräsentant des deutschen Staates. Rau nahm explizit Stellung zum Umsiedlungsgeschehen. Es stimme, sagte er, die Nationalsozialisten hätten ganz Europa mit brutalsten Verbrechen terrorisiert. »Diese Erkenntnis jedoch«, fuhr er fort, »zeichnet niemanden von der Verantwortung für eigenes Handeln frei – nicht die, die Hitler die Hand zum Münchener Abkommen reichten und nicht die Konferenzteilnehmer von Teheran, Jalta und Potsdam; nicht die, die in Mittel- und Osteuropa erst mit den Deutschen gemeinsam die Juden entrechteten, danach die Deutschen« (gemeint waren polnische Antisemiten und ihre Pogrome wie etwa in Jedwabne), »und auch nicht jene, die schon im Exil jahrelang die Vertreibung planten« (gemeint waren Londoner Exilanten wie Edvard Beneš). »Hitlers verbrecherische Politik entlastet niemanden, der furchtbares Unrecht mit furchtbarem Unrecht beantwortet hat.«

Deutlicher hätte auch Erika Steinbach die Revision der Geschichte nicht einfordern können. Auf die offene Provokation des deutschen Staatsoberhaupts gab es in Polen nur eine mögliche Antwort: Eine gleichrangige Stellungnahme des polnischen Staatspräsidenten. Sie erschien am 15. September in einer der angesehensten Zeitungen des Landes, der Rzeczpospolita, unter dem Titel »Gegen ein Europa nationaler Feindseligkeiten«. Einige Passagen gehören zum Besten, was je über die Umsiedlung und den deutschen Revisionismus gesagt worden ist. »Die Deutschen befinden sich heute«, urteilte Präsident Aleksander Kwasniewski, »in einer wichtigen Phase neuer Identitätsfindung, des Generationswechsels«. »Die Polen könnten anerkennen, dass es sich dabei um innerdeutsche Wirrnisse handelt, in die wir uns nicht einmischen sollten – wenn wir nicht unmittelbar davon betroffen wären.«

»Beginnen wir«, fuhr der polnische Staatspräsident fort, »mit einer klaren Behauptung zum rechtlichen Aspekt des Problems. In Erklärungen des Bundes der Vertriebenen« – Kwasniewski bezog sich höflich auf den BdV, meinte aber auch die Rede von Johannes Rau – »werden die Aussiedlungen als ›Unrecht‹ bezeichnet, fordert man die Rückgabe des verlorenen Vermögens oder die Zahlung von Entschädigungen. Es ist daran zu erinnern, dass die Deutschen nach der bedingungslosen Kapitulation von Hitlers Truppen ihre gesamte internationale Handlungsfähigkeit verloren hatten. [...] Die Aussiedlungen, vorgenommen durch die Nachkriegsregierung Polens und der Tschechoslowakei, erfolgten in Erfüllung der Beschlüsse der Vier Mächte. Ich wäre heute sehr vorsichtig, mich auf eine Diskussion darüber einzulassen, ob diese Maßnahmen rechtmäßig waren. Das bedeutet, die Büchse der Pandora zu öffnen. Denn waren angesichts dessen andere Entscheidungen der Siegermächte bezüglich des besiegten Deutschlands rechtmäßig? Sind die Nachkriegsgrenzen in Europa rechtlich begründet? Ich möchte nicht übertreiben, aber es muss daran erinnert werden, womit die Schwierigkeiten auf unserem Kontinent begonnen haben, die letztlich zum Ausbruch des Zweiten Weltkriegs führten: mit der Untergrabung des Versailler Vertrages.«

Nicht ohne Grund bezog sich Kwasniewski nicht nur auf Raus Angriff auf das Potsdamer Abkommen, sondern auch auf Restitutions- und Entschädigungsforderungen. Seit die Preußische Treuhand gegen den polnischen Staat klagt, um das ehemalige Eigentum der Umgesiedelten zurückzubekommen, verweisen deutsche Politiker regelmäßig darauf, dass die Bundesregierung die Forderungen nicht unterstützt. Das stimmt nur bedingt. Berlin leistet keine aktive Hilfe für die Preußische Treuhand, hält aber die Entschädigungsansprüche der Umgesiedelten systematisch offen. Völkerrechtlich gesehen ist das eine Begleiterscheinung der Tatsache, dass keine bundesdeutsche Regierung seit 1949 das Potsdamer Abkommen formell anerkannt hat. Bereits 1952 erhielten die Umgesiedelten den sogenannten Lastenausgleich nur »unter dem ausdrücklichen Vorbehalt, dass die Gewährung und Annahme von Leistungen keinen Verzicht auf die Geltendmachung von Ansprüchen und auf Rückgabe des von den Vertriebenen zurückgelassenen Vermögens bedeutet«. So steht es in der Präambel zum Lastenausgleichsgesetz – bis heute, obwohl das Gesetz seitdem mehrfach überarbeitet worden ist. Das Bundesverfassungsgericht urteilte am 5. Juni 1992 über den Deutsch-Polnischen Grenzbestätigungsvertrag, er beinhalte »keinerlei Regelung in Bezug auf das Eigentum von aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten vertriebenen oder geflohenen Personen und ihren Erben. [...] Der Vertrag bestätigt nur die jedenfalls faktisch [sic!] seit langem zwischen Deutschland und Polen bestehende Grenze. [...] Insbesondere ist mit der Grenzbestätigung keine Anerkennung früherer polnischer Enteignungsmaßnahmen seitens der Bundesrepublik Deutschland verbunden.«

Die Zitate belegen, dass der deutsche Revisionismus in letzter Instanz tatsächlich nicht vom BdV und den Umgesiedelten ausgeht; vielmehr hält ihn die Bundesregierung nach wie vor als Machtmittel gegen Polen und Tschechien bereit. Und nicht nur gegen diese beiden Staaten. Noch im Juni 2004 teilte der damalige Staatssekretär im Auswärtigen Amt Jürgen Chrobog mit: »Die Bundesregierung hat gegenüber der kroatischen Regierung ihr Interesse an der Entschädigung deutscher Vertriebener anhängig gemacht.« Umso schwerer wiegt die »Danziger Erklärung« vom 29. Oktober 2003. Sechs Wochen nach seiner Stellungnahme in der Rzeczpospolita unterzeichnete Aleksander Kwasniewski gemeinsam mit Johannes Rau ein Dokument, das eine gemeinsame deutsch-polnische Position zur Umsiedlung vorbereitete. Wenn man sich die kurz zuvor zutage getretenen Differenzen vor Augen hält, kann man ermessen, welchen Druck Berlin in den wenigen Wochen dazwischen auf Warschau ausgeübt haben muss. Der Kernsatz der »Danziger Erklärung« lautet schlicht und einfach: »Die Europäer sollten alle Fälle von Umsiedlung, Flucht und Vertreibung, die sich im 20. Jahrhundert in Europa ereignet haben, gemeinsam neu bewerten und dokumentieren«. Das ist in etwa das Ziel des »Zentrums gegen Vertreibungen« und des Ausstellungsprojekts des »Hauses der Geschichte«.

Zahlreiche Auseinandersetzungen hat es in den folgenden Jahren um das Projekt gegeben. Von Bedeutung ist vor allem die Ausstellung »Flucht, Vertreibung, Integration« geblieben, die das »Haus der Geschichte« am 3. Dezember 2005 eröffnete; sie transportiert in vollem Umfang das Grundanliegen des »Zentrums gegen Vertreibungen«, wie es Erika Steinbach 1999 vorgeschlagen hat. Steinbachs Stiftung hat wenig später, am 11. August 2006, nachgezogen und ebenfalls eine Ausstellung eröffnet. Unter dem Titel »Erzwungene Wege« zeigte sie im Berliner Kronprinzenpalais »Unter den Linden« Bilder und Dokumente, deren Botschaft sich nicht von derjenigen aus dem »Haus der Geschichte« unterschied. Beide Ausstellungen wurden inzwischen in mehreren deutschen Großstädten gezeigt. Dass es ein über die Ausstellungen hinausgehendes staatliches Projekt geben werde, das der Umsiedlung der Deutschen gewidmet ist, hielten CDU, CSU und SPD in ihrem Koalitionsvertrag vom 11. November 2005 fest. »Wir wollen im Geiste der Versöhnung auch in Berlin ein sichtbares Zeichen setzen, um [...] an das Unrecht von Vertreibungen zu erinnern und Vertreibung für immer zu ächten«, heißt es darin.

Im Jahr 2007 hat Bundeskanzlerin Merkel nun schließlich ein Machtwort gesprochen und 2008 das gesamte Projekt endgültig durchgesetzt. Mit dem Regierungsbeschluss vom 3. September geht es abschließend in die Phase der Realisierung über, jetzt unter der Bezeichnung »Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung«. Die Stiftung »wird im Deutschlandhaus am Anhalter Bahnhof in Berlin eine Ausstellungs- und Dokumentationsstätte zur Erinnerung und zum Gedenken an Flucht und Vertreibung unterhalten«, verkündet die Bundesregierung. Man wird dort auf eine alte Bekannte treffen: »Der zentrale Präsentationsteil der Stiftung wird konzeptionell und inhaltlich an die Ausstellung Flucht, Vertreibung, Integration der Stiftung »Haus der Geschichte« der Bundesrepublik Deutschland anknüpfen«, gibt die Regierung bekannt. »Flucht und Vertreibung der Deutschen werden einen Hauptakzent der Dauerausstellung bilden«, teilt sie mit: »Einzubeziehen sind darüber hinaus auch andere Flucht- und Vertreibungssituationen in Europa im 20. Jahrhundert«. Für 2008 stehen 1,2 Millionen Euro aus dem Bundeshaushalt bereit, in den kommenden Jahren können bis 2011 jährlich weitere 2,5 Millionen Euro aus dem Regierungsetat ausgegeben werden – für ein zentrales Revisionsprojekt Berlins, das nach fast zehnjährigen Auseinandersetzungen jetzt im Grundsatz nach den Vorstellungen der Umgesiedeltenverbände realisiert wird, jedoch in staatlicher Verantwortung und daher auch mit staatlichen Weihen.

JÖRG KRONAUER

Der Autor ist freier Journalist und Sozialwissenschaftler und schreibt u.a. für Konkret.