Jonas Fischer
Nun sag, wie hast du’s mit dem Staat
Zum Spannungsverhältnis politischer und menschlicher Emanzipation
Karl Marx warf in Bezug auf die Judenemanzipation des 19. Jahrhunderts die Frage nach der Art der Emanzipation auf. Während die politische eine Emanzipation durch den Staat und im Staat meint, zielt die menschliche auf die Emanzipation vom Staat, der seine von der Gesellschaft getrennte Form verlieren soll. Die politische Form der Emanzipation, die Marx aus den bürgerlichen Revolutionsbewegungen Europas entwickelte, reproduziert die Trennung von Staat und bürgerlicher Gesellschaft—die Zersetzung des Menschen in bourgeois und citoyen—und setzt den bourgeois als »eigentlichen und wahren Menschen«Karl Marx/Friedrich Engels, Zur Judenfrage, Marx-Engels-Werke (MEW) 1, 366.. Sie verhält sich dadurch zur bürgerlichen Gesellschaft »als Grundlage ihres Bestehens, als zu einer nicht weiter begründeten Voraussetzung, daher als zu ihrer Naturbasis«Marx/Engels, Zur Judenfrage, MEW 1, 370.. Indem die politische Emanzipation auf die politische Sphäre begrenzt bleibt, rührt sie deren Ursprung, die bürgerliche Gesellschaft, nicht an. Dagegen ist die menschliche Emanzipation die radikale Umgestaltung der gesamten Gesellschaft, die den Menschen von aller personalen und gesellschaftlichen Herrschaft befreien soll. Auch wenn Marx die immanente Grenze der politischen Emanzipation aufzeigt, verwirft er sie nicht, sondern sieht ihr gleichwohl begrenztes Potential sehr klar. Die politische Emanzipation kann ein Moment der menschlichen Emanzipation, jedoch nicht mit ihr identisch sein: »Die politische Emanzipation ist allerdings ein großer Fortschritt, sie ist zwar nicht die letzte Form der menschlichen Emanzipation überhaupt, aber sie ist die letzt Form der menschlichen Emanzipation innerhalb der bisherigen Weltordnung.«Ebd., 356.
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