Vor dreißig Jahren begann sich im Osten öffentlich zu zeigen, was seit dem wächst. Reden wir mal—pars pro toto—über Sachsen. Alle, die in den 1990ern in nicht-rechten Jugendclubs abhingen, kennen Naziangriffe, in Zwickau, Plauen, Wurzen oder Chemnitz. Die, die in den Augen der Mehrheit nicht deutsch genug aussahen, mieden quasi von Tag eins des neuen Deutschlands, zumindest ab abends, Busse und Straßenbahnen. Kurze Zeit später wurden in zahlreichen Gemeinde- und Stadträte Vertreter:innen der NPD gewählt, deren Jugendorganisation marschierte mit Trommeln und Fahnen durch sächsische Städte. Wenn Antifaschist:innen nach gewalttätigen Übergriffen im Umland Präsenz zeigten, galten sie allen – inklusive der PDS– als Nestbeschmutzer. Der VS konnte in Ruhe Nazikader fördern und finanzieren, keine unliebsame Nachfrage konnte die Aufbauarbeit stören.
Allein in Leipzig und den beiden umliegenden Landkreisen sind seit 1990 mindestens neun Menschen durch rechte Täter zu Tode gekommen Ein Gemüsehändler wird erstochen, ein vermeintlicher Obdachloser in der Straßenbahn angezündet und ein schwuler Mann erst erstochen und die Leiche dann in einem Steinbruch versenkt. Keine dieser Taten galt den ermittelnden Behörden als rechte Gewalt.
So geht sächsisch. To be fair: Das ist soo deutsch.
In Zwickau wurde just zum achten Jahrestag der Selbsttötung eines Teils des NSU ein Gedenkort an die Mordopfer eingeweiht. Die AfD darf einen Kranz niederlegen. Die Namen der Getöteten werden bei der Gedenkveranstaltung nicht offiziell genannt, ihre Angehörigen wurden nicht eingeladen. Dafür einige Namen der Opfer auf den Gedenktafeln falsch geschrieben.
Enver Şimşek, Abdurrahim Özüdoğru, Süleyman Taşköprü, Habil Kılıç, Mehmet Turgut, İsmail Yaşar, Theodoros Boulgarides, Mehmet Kubaşık, Halit Yozgat und Michèle Kiesewetter.
Phase 2, Leipzig