Mähnäbteheu
Zur Religion und ihrer Kritik
Gewaltig ragen die Granitpfeiler des Kunstwerks »Dodekalitten« auf einem Hügel an der Nordküste der dänischen Insel Lolland empor. Zwölf Figuren mit einer Höhe von sieben bis neun Metern stehen in einem Kreis von 40 Metern Durchmesser. Die steinernen Gesichter sind nach innen gerichtet, ihre ernsten Mienen halten dem Blick der Betrachterinnen regungslos stand. Im Takt von zehn Minuten ertönt aus versteckten Lautsprechern sphärische, abwechselnd mit Trance- und Elektrobeats untermalte Musik. Wer im Innenkreis dieser bewusst artifiziellen Imitation einer prähistorischen Kultstätte steht, wird vom Sound sowie von der Größe des Steinarrangements überwältigt. Mit etwas Ruhe und im richtigen Licht lässt sich ein Gefühl erahnen, das sich irgendwo zwischen Wohlgefallen und Bammel, Wirklichkeitssinn und Mystik, Welt und Geist abspielt. Der Bildhauer Thomas Plesner Birch Kadziola und der Komponist Wayne Siegel errichteten mit ihrer monumentalen Installation nicht nur einen Tourist:innenmagneten. Zwar scheitern die »Dodekalitten« in ihrem Versuch der Nachbildung eines religiösen Ortes nicht zuletzt wegen ihres allzu beherzten Griffs in die Effektkiste. Doch kommt man nicht umhin, sich beim Anblick der auf den Hügel pilgernden Menschen die Frage zu stellen, was hier, neben der Möglichkeit ein Fleckchen Weizenfeld am Meer zu einem Spektakel werden zu lassen, eigentlich für ein Bedürfnis angesprochen werden soll. Ist es die Sehnsucht nach Zauber, Magie und Kult? Nach einem Höheren, Ewigen, Absoluten? Weiter…