2 02

Krieg und globale Ordnung

Herbst 2001

Editorial

Liebe LeserInnen, da ist sie nun — die zweite Ausgabe von phase zwei. Wir hatten es diesmal angesichts der sich überschlagenden Ereignisse und den damit verbundenen aufiommenden Diskussionen nicht leicht, so wie es die radikale Linke in den kommenden Monaten nicht leicht haben wird, klare Positionen zu beziehen. Weiter

Inhalt

Top Story

Phase 2 Leipzig

Globalisierung der Menschenrechte

Der Anschlag auf das World Trade Center in New York sei ein Angriff auf die gesamte freie Welt gewesen, heißt es unisono in allen Medien sowie der gesamten Öffentlichkeit der westlichen Hemisphäre. Ein "Krieg gegen den Terror" stehe bevor, in dem die Werte der westlichen Welt gegen die "Barbarei" verteidigt werden müssen. In Wirklichkeit wird der "Kampf für Menschenrechte" lediglich die weitere Durchsetzung der westlich-kapitalistischen Ordnung im globalen Maßstab bedeuten - ein Diskussionsbeitrag.   Weiter…

Phase 2 Göttingen

Krieg der Welten

Nicht allein die Anschläge auf das World Trade Center und das Pentagon am 11. September 2001 reizen weiterhin zum inzwischen stark strapazierten Vergleich mit Drehbüchern von Wolfgang Petersen und Co. - auch Besetzung und der weitere Fortgang der Ereignisse wären wohl Oscar-verdächtig, handelte es sich nicht um finstere Realität: Die Rolle des wahrhaft schurkischen Oberschurken erhält ein phantomhafter orientalischer Fanatiker, der einen "heiligen Krieg" propagiert, auf der Seite des Guten kündigt ein Präsident mit dem IQ einer Zimmerpflanze einen "Kreuzzug" an, während seine leider sehr viel intelligenteren Militärstrategen sich aus dem teilzerstörten Pentagon heraus anschicken, im Kampf von "Gut gegen Böse" nötigenfalls einmal mehr ganze Weltregionen in Brand zu setzen. Weiter…

Phase 2 Göttingen

Zwischen Verbesserungsvorschlag und Revolution

Die Antiglobalisierungsbewegung

Kaum aus der Taufe gehoben, steht die Antiglobalisierungsbewegung vor dem gleichen Dilemma, das Sozialen Bewegungen im Kapitalismus immer blüht: Will sie Masse stellen, also "Bewegung" sein, verwischen ihre inhaltlichen Aussagen bis zur Unkenntlichkeit, mischen Leute bei ihr mit, mit denen zumindest linke GlobalisierungsgegnerInnen nun wirklich nichts zu tun haben wollen. Im konkreten Fall sind das zum Beispiel Nazis, die Finanzkapital doof finden und statt dessen tollen nationalen Sozialismus ohne Juden und sonstige Spekulanten machen wollen. Will die Bewegung dagegen inhaltliche Schärfe entwickeln, nach Möglichkeit sogar eine Kritik am Kapital, verliert sie ganz schnell ihren Bewegungsstatus und kann sich mit einigen Kleinaktionen darüber freuen, wenn sie mal in der jeweiligen Lokalpresse erwähnt wird.Die Antiglobalisierungsbewegung hat sich für das Masse-Modell entschieden. Der Erfolgsrausch, mit 300 000 Leuten eine Demo zu veranstalten, über die danach die ganze Welt wochenlang diskutiert, täuscht über die Substanzlosigkeit der eigenen Inhalte hinweg, teilweise auch darüber, dass auch ohne die Nazis bei den Antiglobalisierungsprotesten Leute mitmischen, bei denen Linken nur das kalte Grausen kommen kann. Aber auch wenn Erfolgsrausch und Massenriots bisweilen sogar radikale KritikerInnen davon abhalten, sich eben kritisch zu äußern, scheint eine Bestandsaufnahme der Antiglobalisierungsbewegung durchaus angebracht. Da ein solcher Versuch notwendig ins Uferlose geht, versucht man, die ganze Bewegung zu betrachten, soll auf die Einbeziehung indischer Landloser und US-amerikanischer Farmer an dieser Stelle verzichtet werden. Einzubeziehen sind lediglich die unterschiedlichen - mehr oder weniger - linken Strömungen, die sich der Bewegung in der BRD zuordnen.   Weiter…

Phase 2 Göttingen

Tute bianche - tute bene?

Mit weißen Overalls, Schaumstoff, Plexiglasschildern und Helmen passiv bewaffnet, sind die Tute Bianche seit Prag in aller Munde. Spätestens seit Genua haben sich auch in der deutschen Linken Debatten über deren politische Strategie entsponnen. Eine Auseinandersetzung, die grob zwischen zwei Polen schwankt: Denn während einige den Eindruck machen, sie wären auf der Suche nach vielversprechendem Konzept endlich glücklich fündig geworden, reagieren andere mit Verwünschungen über den ihrer Meinung nach zur Schau gestellten Reformismus. Beispielsweise kritisiert Egon Günther in der jungle world vom 5. September 2001, die Tute Bianche (bzw. deren Aktivistinnen in den Centri Sociali Italiens) würden in der alltäglichen Praxis kaum mehr als lückenfüllende Sozialpolitik betreiben, ihre ohnehin suspekte Verhandlungstaktik sei gescheitert und schließlich, die Tute Bianche sollten ihre autoritäre Vereinnahmung der Bewegung endlich beenden, indem sie statt der beanspruchten Repräsentanz der Multitude endlich darin aufgehen sollen. Denn dann wäre die demokratische Entscheidungsstruktur der Bewegung wieder hergestellt. Andere wiederum arbeiten sich an dem fehlenden Anspruch auf selbstgewählte Militanz der Tute Bianche ab. Nicht konsequent genug, so die Kritik. Schließlich hatten sich nach Genua einige Tute Bianches von „Gewalt" distanziert. Insofern könnte ihr politisches Konzept keinen Gewinn für eine politisch folgenreiche Strategie bieten. An der Debatte über die Tute Bianche lässt sich also hervorragend streiten über Konzepte und Strategien der Linken, oder in diesem Zusammenhang genauer, der sogenannten Antiglobalisierungsbewegung. Ist militantes Vorgehen, verstanden als Ausdruck der absoluten Negation des Bestehenden, bereits ein Ziel für sich? Oder soll linke Politik doch auf Vermittelbarkeit ausgerichtet sein? Und was soll überhaupt vermittelt werden und für wen?   Weiter…

Phase 2 Leipzig

Eine Bewegung für Globalisierung

Interview mit Michael Hardt

Mit "Empire" haben Michael Hardt und Antonio Negri zwischen dem Golfkrieg und dem Krieg gegen Jugoslawien um das Kosovo ein Buch über die sich verändernde globale Ordnung geschrieben. Ihre Analyse geht einerseits davon aus, dass neue übernationale Institutionen entstehen, die weder nach den klassischen Prinzipien des Imperialismus noch der kapitalistischen Ausbreitung erklärt werden können. Zum anderen beschäftigen sie sich mit jenen von ihnen als Multitude (Menge) beschriebenen Subjekten, die als Kraft der Produktion und Reproduktion der Gesellschaft wirken und damit auch Subjekte von Widerstand und Veränderung sind. Phase 2 sprach mit Michael Hardt über seine Einschätzung der Antiglobalisierungsproteste und ihres Potentials.   Weiter…