Mark Schneider
Es geht um Israel
Ein Kongressbericht. Berlin, 10.-12. Mai 2002
Wie der antisemitische Wahn auch die wenigen GegnerInnen des Antisemitismus in die Defensive treibt und manchmal ein wenig verrückt macht. Dass ein linker Kongress Einlasskontrollen installieren muss, die es locker mit denen auf Flughäfen seit dem 11.9.2001 aufnehmen können, und dass aus Sicherheitsgründen die Getränke nur in Plastikbechern ausgeschenkt werden, ist leider keine Folge antideutscher Paranoia. Die tätlichen Angriffe auf Pro-Israelische Veranstaltungen haben gezeigt, dass ein wirksamer Schutz unabdingbar ist. Das Berliner Bündnis gegen IG Farben hatte zum Kongress Es geht um Israel aufgerufen. Ca. 300 Personen folgten der Einladung, zwei Tage lang über Strategien gegen den deutschen Antisemitismus, praktische Solidarität für Israel und das Ausmaß des „islamistischen Faschismus“ zu diskutieren. Trotz hochkarätiger und internationaler Podiumsbesetzung haben sich die meisten TeilnehmerInnen gelangweilt: Die antideutsche Linke schmort notgedrungen und zum Teil auch selbstverschuldet seit Jahren im eigenen Saft. Die meisten Anwesenden dürften die vorgetragenen Thesen schon öfters in den einschlägigen Zeitschriften gelesen, im Internet überflogen oder auf Kundgebungen gehört haben. Denjenigen Linken, denen ein bisschen Aufklärung in Sachen Antisemitismus nicht schaden würde, waren nicht anwesend; die Anwesenden hingegen mussten nicht mehr belehrt werden. Der Kongress hätte also die Chance geboten (da man unter sich war), selbstkritisch Strategien und Perspektiven antideutscher und pro-israelischer Agitation zu diskutieren, anstatt der (nach außen hin notwendigen) Agitation erneut ein Podium zu verschaffen. Das Konzept sah dies jedoch nicht vor – und somit bleibt zu resümieren, dass die bei aller Übereinstimmung mit dem Anliegen des Kongresses im Nachhinein Detailkritik zu üben ist. Als Knackpunkte der antideutschen Israel-Solidarität haben sich auch auf dem Kongress einmal mehr herauskristallisiert: der Geschichtsrevisionismus, der identitäre Bezug auf Israel und seine Institutionen, der Bruch mit der deutschen Linken sowie die Verabsolutierung des Antisemitismus als den Hauptwiderspruch.
Weiter…