Trotz anderslautender Prognosen aus dem ersten Nachkriegsjahrzehnt war auch zu Beginn der achtziger Jahre, als mit der Gründung der Grünen apokalyptisches Denken zur politischen Geschäftsgrundlage der nun gebündelten ökologischen Bewegung wurde, die Welt noch nicht untergegangen. Die ökologische Partei hat, entgegen pessimistischer Voraussagen für eine humane Lebensperspektive nach dem Jahr 2000, die Jahrtausendwende und auch ihre apokalyptische Rhetorik hinter sich gelassen. Sie wurde im Verlauf ihrer zunehmenden Institutionalisierung zur selbstzufriedenen Sachwalterin eines posthistorischen Zustandes anderer Art: einer alternativlosen, auf grünen Standards, Nachhaltigkeit und damit Zukunftsfähigkeit basierten kapitalistischen Wohlstandsgesellschaft. Die Geschichte der ökologischen Bewegung ließe sich wohl auch als eine Geschichte falscher Ökoalarme und nicht eingetretener Apokalypsen lesen. Wer gibt schon vor, wirklich zu wissen, wann die Grenzen kapitalistischen Wachstums erreicht sein würden? Aus der Dauerpräsenz von Katastrophenszenarien und der mit ihnen verbundenen Erlösungshoffnung in der Ökologiebewegung lässt sich wohl weniger auf das zu erwartende Ende schließen als auf das, was beendet werden soll, aber dessen Beendigung schwerlich vorstellbar geworden ist: ein Zustand zunehmend gewaltförmiger Naturbeherrschung, der Endzeitszenarien bereits innerhalb der Geschichte produziert und den Glauben an gesellschaftlichen Fortschritt widerlegt hat.
Heute wird zumeist eher vorsichtig nach den »biophysischen Grenzen« der kapitalistischen Akkumulationsdynamik gefragt. Ein Grund dafür mag die Inkorporierung ehemals kritischer Strömungen und Bewegungen in das Projekt kapitalistischer, ökologischer Modernisierung sein. Auf diese Entwicklung geht der Beitrag »Schleichwege aus dem Dickicht der Politik.« von G. B. Taylor in dieser Ausgabe ein. Harald Welzer, der neuerdings nicht mehr nur als Nazi-Täterforscher, sondern auch als Nachhaltigkeitsforscher von sich Reden macht, fragte kürzlich in einem Interview in der Süddeutschen Zeitung, wie man wieder eine Zukunft denken könne, ohne in Endzeitstimmung zu verfallen. Der individualisierte Handlungsimperativ, den er als Lösungsvorschlag formuliert – Bohnen auf Brachflächen, Strohhäuser in Neubaugebieten, der Einkauf in, man staune!, Secondhandläden und An- und Verkaufsläden – fällt angesichts der großen Aufgabenstellung jedoch etwas kleinteilig aus. Harald Welzer über Zukunft, Interview von Alex Rühle, in: Süddeutsche Zeitung vom 2./3.März 2013. Welzer steht für ein entradikalisiertes, individualisiertes und an Nachhaltigkeit orientiertes ökologisches Bewusstsein. So entspannt kann Ökologie also aussehen, wenn man weiß, dass sich die Apokalypse aufschieben lässt.
Gesellschaft als Megamaschine
Die Krisenanalyse der aufkeimenden Ökobewegung im Westdeutschland der siebziger Jahre fiel hingegen drastischer, wenn auch nicht weniger ideologisch aus: Man wähnte sich in einer existentiellen Bedrohungssituation, zeichnete apokalyptische Zukunftsszenarien und betonte die sofortige Notwendigkeit politischen Handelns für eine fundamentale Veränderung aller gesellschaftlichen Verkehrsformen. Die Vorstellung des durch die Zerstörung der menschlichen Lebensgrundlagen herbeigeführten »Endes der Geschichte« war dabei gekoppelt an eine Beschreibung der bürgerlich-kapitalistischen Gesellschaft als einem anhaltenden, endzeitlichen Zustand. »Wir stellen fest, daß wir zunehmend verwaltet und manipuliert werden, daß wir zu Rädchen in einem Getriebe geworden sind, das wir nicht mehr durchschauen können«, war im Programmentwurf der Bremer Grünen Liste zu lesen, »Apparate, Maschinen und totale Planung verstellen den Weg, unser Leben selbst zu gestalten.« Die moderne Industriegesellschaft wurde in Anlehnung an den amerikanischen Architekturtheoretiker Lewis Mumford als verselbstständigte »Megamaschine« beschrieben, angesichts der »Tendenz zu anonymer bürokratischer Herrschaft als der Verwaltung zum Tode«, schlug der für die frühen Grünen einflussreiche ehemalige Marxist und DDR-Dissident Rudolf Bahro eine nachmoderne und postindustrielle Lebensweise vor, die in seinen späteren Schriften faschistische Züge tragen sollte. Zitiert nach Silke Mende, »Nicht rechts, nicht links, sondern vorn«. Eine Geschichte der Gründungsgrünen, München 2011, 367 und 369.
Die Beschwörung von Endzeitszenarien und der Befund, ohnmächtig einem technokratischen, übermächtigen und unveränderlich scheinenden System gegenüberzustehen, war dabei jedoch keineswegs so neu und alternativ, wie sich die frühere Bewegungspartei der Grünen fühlen mochte. Das »Ende der Geschichte« war bereits vor der Anerkennung einer ökologischen Problemlage und weit vor Francis Fukuyamas Diktum der alternativlosen Durchsetzung von Liberalismus und Marktwirtschaft anlässlich des endenden Blockkonfliktes ausgerufen worden. Im ersten Jahrzehnt nach dem Zweiten Weltkrieg prägte Geschichtspessimismus in Verbindung mit Technikkritik die intellektuellen Debatten der neu gegründeten Bundesrepublik. Die euphorisch wahrgenommenen Jahre des Wirtschaftswunders waren begleitet von Verlautbarungen, in der das auch nach dem Zweiten Weltkrieg fortdauernde »Zeitalter der Technik« als übermächtige Entwicklung wahrgenommen wurde, die dem Einfluss menschlichen Handelns gänzlich entzogen sei. Die Frage nach dem Schicksal der Technik war sowohl in konservativen als auch in linken und marxistischen Milieus verbreitet. In ihr äußerte sich eine paradoxe, jedoch durchaus reale Erfahrung mit der technischen Moderne. Christian Voller, Im Zeitalter der Technik – Technikfetisch und Postfaschismus, in: Ingo Elbe/Sven Ellmers/Jan Eufinger (Hrsg.), Anonyme Herrschaft. Zur Struktur moderner Machtverhältnisse, Münster 2012, 249–251.
Die Stabilisierung der Industriegesellschaft in Westeuropa hatte sich maßgeblich bereits in den fünfziger Jahren ereignet, die vor allem wegen der günstigen Verfügbarkeit fossiler Energieträger in den westlichen Industrienationen von einem beschleunigten Wachstum geprägt waren. Die Kehrseite ökonomischer Prosperität breiter Bevölkerungsschichten war ein ansteigender Energie- und Ressourcenverbrauch und zunehmende Schadstoffbelastung. Als epochale Veränderung des Mensch-Natur-Verhältnisses wurden diese »goldenen Jahre« (Hobsbawm) – sieht man einmal ab von den sozialphilosophischen Analysen der Frankfurter Schule – zunächst nicht wahrgenommen. Wohl aber als ein verändertes Verhältnis von Mensch, Technik und Geschichte. Während Denker der kritischen Theorie den technischen Fortschritt in den Zusammenhang einer materialistischen Kritik der ihm zugrunde liegenden ökonomischen Verhältnisse stellten, wies die Betrachtung der Technik als »selbstherrlichem Subjekt« unter Konservativen stark projektive Züge auf. Die Protagonisten der sogenannten Konservativen Revolution, wie die Schriftsteller Ernst und Friedrich Georg Jünger und der Anthropologe und Parteinazi Arnold Gehlen, setzten unter nun veränderten historischen Vorzeichen eine Debatte aus den Jahren nach dem Ersten Weltkrieg und der Zeit der Weimarer Republik fort. Nachdem die von ihnen angestrebte Ermächtigung des Menschen über die Technik durch die völkische Bewegung gescheitert war, schien der Mensch der Raserei der Maschinen nun vollkommen ausgeliefert. Ebd. 250.
Erst im Laufe der siebziger Jahre war die Endzeit- und Maschinenmetaphorik in die Krisenrhetorik der Neuen Linken, insbesondere der Ökobewegung hinübergewandert. Die Probleme des kapitalistischen Wachstumsparadigmas und der damit einhergehenden technisch vermittelten Naturbeherrschung, die den Kulturkonservativen zunächst in diffusen Technik-Bildern zu Kopf gestiegen waren, rückten schließlich in den siebziger Jahren als ökologisches Problem ins Bewusstsein. Erst jetzt wurde Naturzerstörung als gesellschaftsrelevantes und existentielles Problem übersetzt. Die »Umweltproblematik«, wie die wahrgenommene Krise nun vereinfachend hieß, wurde zu dem wichtigsten gesellschaftspolitischen Thema.
»… bei Strafe unseres Untergangs«
Das Ökologiekonzept der Bewegung hatte dabei wenig mit dem wissenschaftlichen Verständnis von Ökologie zu tun, das auf ein Verständnis der Wechselwirkungen verschiedener Mechanismen in der Natur zielte. Vom Kulturpessimismus der zumeist konservativen Technikkritiker unterschied man sich jedoch durch ein neues Handlungsparadigma, das aus einem bestimmten Verständnis von Ökologie folgte. Diese wurde als normative Wissenschaft verstanden, die nicht nur »bestimme was und warum es so ist, sondern auch sagt, was sein sollte, und zwar in der Politik wie in der Natur.« Zitiert nach: Andrei S. Markovits/Philip S. Gorski, Grün schlägt rot. Die deutsche Linke nach 1945, Hamburg 1997, 197. »Ökologie«, so formulierte es die grüne Parlamentsabgeordnete Manon Maren-Griesebach, sei »zwingend. Ihren Einsichten können wir uns nur bei Strafe unseres Untergangs entziehen.« Zitiert nach: Annekathrin Gebauer, Apokalyptik und Eschatologie. Zum Politikverständnis der GRÜNEN in ihrer Gründungsphase, in: Archiv für Sozialgeschichte 43 (2003), 405–420, hier: 414. Die ökologische Bewegung wähnte sich seit Beginn in einer Entscheidungssituation für das Fortbestehen der Menschheit. Ihr »harter Kern«, so beschrieb es der Biologe und Wissenschaftshistoriker Ludwig Trepl, »versteht sich als Jahrtausendereignis.« Sie bündele »für eine große und wachsende Zahl von Menschen […] all die Hoffnungen […], für die einst Worte wie Paradies, messianisches Zeitalter, Kommunismus […] standen.« Zitiert nach: Markovits/Gorz, 198. Ökosozialist_innen und Kommunist_innen sollten jedoch mit ihren Emanzipationsvorstellungen in der insgesamt sehr heterogenen Bewegung in der Minderzahl bleiben. Auch ein dialektisches Verständnis technischen Fortschritts als Projekt der Selbstbefreiung des Menschen vermittels Technik und von deren blindem Naturzwang gleichermaßen, wie es Adorno und Horkheimer formuliert hatten, blieb marginal.
Während die moderne Sozialutopie auf einer säkularisierten Eschatologie, dem Glauben an einen wie auch immer befreiten gesellschaftlichen Endzustand aufbaute, wurde in der Ökologiebewegung zumeist der Erhalt der Natur als Grundlage allen Lebens und damit die Natur »als solche« in Absehung ihres gesellschaftlichen Konstruktionscharakters – »zum Fundamentalantagonismus zwischen Eschatologie und Apokalypse« erhoben. Die anstehenden politischen Kämpfe standen also im Zeichen einer nicht-menschlichen Teleologie, dem Erhalt der Natur bzw. einer idealisierten Vorstellung der Aussöhnung von Mensch und Natur, Gebauer, Apokalyptik und Eschatologie, 409. die mit apokalyptischen Szenarien kontrastiert wurde. In den politischen Verlautbarungen der frühen Grünen überwog ein pessimistischer Erwartungshorizont. Petra Kelly, Gründungsmitglied und Parteiikone, sprach von der letzten Krise der Menschheit, sie wurde nicht müde, prophetinnengleich »das Versiegen der Quellen, das Absterben der Bäume, die Vernichtung aller Arten, die Vergiftung der Äcker, der Muttermilch, der Kinder durch Schwermetalle« und nicht zuletzt natürlich durch die Radioaktivität kundzutun.
Historische und ökologische Katastrophe
Apokalyptisches Denken und die Angst vor der drohenden Auslöschung der Menschheit bekam mit der Verbindung von Friedens- und Ökologiepolitik eine neue Dimension. In der Präsenz der atomaren Bedrohung durch den NATO-Doppelbeschluss im Jahr 1979 und durch die Stationierung von atomaren Pershing II-Raketen 1983 in Westdeutschland bündelte sich die Kritik an der technischen Selbstüberschreitung des Menschen und die Vorstellung eines alles verheerenden dritten Weltkrieges. »Friedliche« und »militärische« Nutzung von Atomkraft galten dabei als zwei Seiten derselben Medaille der lebensfeindlichen und zerstörerischen Politik des »Atomstaats« BRD. Der Gründungsprozess einer ökologischen Partei hatte nicht zuletzt in den bürgerkriegsähnlichen Kämpfen an den Großbaustellen von AKWs wie Brokdorf und Grohnde seinen Ausgang genommen. In den Protesten gegen die Stationierung atomarer Mittelstreckenraketen in Westdeutschland wurde an die erste Anti-Atombewegung, die von SPD und Gewerkschaften Ende der fünfziger Jahre ins Leben gerufene Kampf dem Atomtod-Kampagne, angeknüpft. Diese hatte gegen die Ausrüstung der Bundeswehr mit atomarer Bewaffnung unter Kontrolle der NATO protestiert, mit der die Bundesrepublik in ihren Augen Gefahr liefe, in ein nukleares Schlachtfeld verwandelt zu werden.
Der Philosoph Günther Anders hatte Ende der fünfziger Jahre im Rückblick auf die technischen Selbstüberschreitungen des Menschen in den Massenvernichtungen von Auschwitz und Hiroshima noch von der »Apokalypseblindheit« des Menschen gesprochen, einem in der Rationalisierung begründeten »Sehfehler der Aufklärung«. Roger Behrens, »Steinzeit? Nein danke! Apokalypseblindheit, Atomstaat und Ökologiebewegung – ein Rückblick auf die Geschichte der Atomkraft und ihrer Gegner«, in: Jungle World Nr. 45, 11. November 2011. Der Zeitgeist der späten siebziger Jahre kann wohl eher mit dem Begriff des Apokalypsefetischs gefasst werden. Die Ökologiebewegung wurde zur Vorreiterin der German Angst, die sich nicht zuletzt aus historischer Analogiebildung speiste. Der Begriff Holocaust war durch die gleichnamige, 1979 ausgestrahlte Fernsehserie in aller Munde und wurde zugleich für die Beschreibung der gegenwärtigen Gefährdungs- und Überlebenssituation eines »atomaren Holocaust« instrumentalisiert. In der Frankfurter Spontizeitung Pflasterstrand war zu lesen, dass die Grünen Listen zusammengekommen waren, »weil wir im Widerschein von Auschwitz und Biblis das erschütternde Ausmaß der Unterdrückungs-, Ausbeutungs- und Zerstörungsprozesse von äußerer und innerer Natur erahnen, ohne« - und damit sollte der Verfasser immerhin recht behalten - »es begreifen zu können.« Zitiert nach Mende, »Nicht rechts, nicht links, sondern vorn«, 380.
Die damals allseits präsente Vergleichsfolie der nationalsozialistischen Massenvernichtung wird in der Beschreibung ökologischer Problemlagen heutzutage nur noch sehr verhalten aufgerufen, so z.B. im bereits zitierten Interview mit Harald Welzer. Dieser beschreibt darin die Arbeit an seinem Buch über nationalsozialistische Täter als viel belastender als die Beschreibung abstrakter Klimaszenarien. Wenn man jedoch das Täterprofil der Nationalsozialisten, so resümiert der Interviewer, die von ganz normalen Menschen zu Mördern geworden waren, zusammendenke mit den üblichen Klimaszenarios, so »verheisst das nicht Gutes«.
Exterminismus und Politik
Die Vorstellung einer drohenden Auslöschung hatte zur Zeit der Gründungsgrünen nicht nur die Form und Zeitstruktur politischen Denkens, sondern auch die daraus resultierenden Möglichkeiten politischen Handelns beeinflusst. Der Einzug der grünen Partei in die Landesparlamente und 1983 schließlich in den Bundestag war in der ideologisch wie organisatorisch disparaten ökologischen Bewegung, die bisweilen aus diversen bunten und alternativen Listen und übergelaufenen Sozialist_innen und Spontis bestand, umstritten. Dem systemimmanenten »Exterminismus«, der in der kapitalistischen Moderne angelegten Zerstörung menschlicher Lebensgrundlagen, könne nur mit einer radikalen gesellschaftlichen Umwälzung begegnet werden. Das erste Grundsatzprogramm der Grünen las sich bezogen auf den zähen und langwierigen Prozess parlamentarischen Verhandelns, auf den sie sich mit zunehmender Institutionalisierung einließen, in seiner Drastik deplatziert: »Das Weiterleben auf unserem Planeten Erde wird nur gesichert werden können, wenn es zu einer Überlebensgemeinschaft aller Menschen und Völker kommt.« Die Grünen erschienen als einzige rettende Kraft gegenüber dem Rest der gleichgültigen parlamentarischen Quatschbude, weil sie sich trotz parlamentarischer Mitbestimmung lange Zeit als fundamentalistische Bewegungspartei begriffen, die neben der parlamentarischen Eingabe an die subjektive Veränderung der Einzelnen, an deren Betroffenheit, an den »Voluntarismus des Gefühls« und den »Sofortismus« politischen Handelns appellierte. Gebauer, Apokalyptik und Eschatologie, 416f.
Die Fokussierung auf politisches Handeln machte den Öko-Aktivismus auch für die kriselnde Spontibewegung interessant. Gerade der Aktionismus gegen den geplanten Bau mehrerer Atomkraftwerke schien jedoch einen Rettungsanker zu bieten, um an den vormalig militanten Aktionismus anzuknüpfen und, so schrieb Joschka Fischer 1978 im Pflasterstrand, »realpolitisch endlich wieder etwas zu machen.« Zitiert nach Mende, »Nicht rechts, nicht links, sondern vorn«, 205. Der »Atom-Staat« BRD prägte für eine Weile den politischen Aktionsradius der Szene, ließ sich an seiner repressiven und als totalitär empfundenen Präsenz in Exekutive wie Verwaltungsbürokratie doch die Handlungsfähigkeit des revolutionären Subjekts erproben.
Auch die sozialistische Linke erkannte die Problemlage. Die historische Alternative laute nicht mehr »Sozialismus oder Barbarei«, sondern »Sozialismus oder Mond-Werdung«, so war in der undogmatisch-sozialistischen Zeitschrift links anlässlich der Ernst-Bloch-Tage im Jahr 1979 zu lesen, da jedwede Gesellschaft mit der vorherrschenden destruktiven Form von Naturbeherrschung in Frage gestellt sei. Die ökologische Krise sei aber, und hier zeigte sich auch der Einfluss der kritischen Theorie auf die Krisenanalyse der späten siebziger Jahre, auch »Krise der Naturbeherrschung am Menschen«. Die Probleme kapitalistischen Wachstums seien ernst zu nehmen, doch in der Ökobewegung zeige sich, dass Fortschritt, verstanden als Emanzipation von »magischer Naturverfallenheit«, auch in der Hinwendung des rationalisierten Individuums zu Heilsbewegung und alternativen Lebensentwürfen resultiere.
Der Erfolg der Grünen war letztendlich auch ein Gradmesser für den Niedergang der Neuen Linken. Das Scheitern am gesellschaftlichen Grundwiderspruch wurde mit dem Rückzug ins Alternativmilieu und subjektiver Veränderung beantwortet. Die ökologische Krisenrhetorik ist wohl kaum als alleiniges Spezifikum der Bewältigung einer neuartigen Krisensituation zu verstehen, sondern auch als Eingeständnis des Verlusts historischer Handlungsfähigkeit zu werten, an die vor allem die marxistisch geprägte Linke doch – allen historischen Katastrophen zum Trotz – weiterhin geglaubt hatte. Dass die Ikone der frühen Grünen, Petra Kelly, diese in Anlehnung an Lenin als »Partei neuen Typs« bezeichnet hatte, muss vor dem Hintergrund der sich verfestigenden Krise der marxistischen und sozialistischen Linken in den späten siebziger Jahren als Ironie der Geschichte erscheinen. Der für die ökologische Bewegung so zentrale Begriff des »Überlebens« ist als ein Grundbegriff der »Nach-Geschichte« einer historischen Situation jenseits des Fortschrittsglaubens zu verstehen. Er bildet den Gegensatz zum marxistisch geprägten Konzept der »Vorgeschichte«, das das Telos einer vom gesellschaftlichen Fortschritt getragenen Überschreitung der bestehenden kapitalistischen Gesellschaft samt ihrer archaischen Überreste in sich trug. Falko Schmieder, Überleben. Historische und aktuelle Konstellationen, München 2011, 9.
~ Von Anna Pollmann. Die Autorin ist Teil der Leipziger Phase 2 Redaktion und mit den Büchern von Gudrun Pausewang aufgewachsen.