In der postoperaistischen Theorie zeigt sich der Versuch, unterschiedliche soziale Bewegungen und gesellschaftliche Konflikte mit Hilfe der Marx’schen Theorie sowie poststrukturalistischer Zugänge zusammenzubringen. Die Faszination dieser Theorie »besteht gerade darin, dass sie einerseits aktuelle Veränderungen des Kapitalismus seismographisch erfasst und diese Veränderungen für eine emanzipative Theorie fruchtbar macht, sie anderseits aber gerade in theoretischen Überhöhungen verdunkelt« (Sonja Buckel). Das wichtigste Werk des Postoperaismus ist die Empire-Trilogie von Michael Hardt und Antonio Negri. Das Marx’sche Wertgesetz besagt, dass erst mit der gesellschaftlichen Bestimmung der Arbeit im kapitalistischen Tauschverhältnis diese, die Arbeit, Wert bilde. Hardt und Negri vertreten die These, dass das Wertgesetz angesichts der neuen Produktivkräfte revidiert werden müsse. Mit ihrer geheimnisvollen These vom Ende des Wertgesetzes begründen sie, dass die heute vorherrschende Form von Arbeit, die immaterielle Arbeit, das Potenzial für eine Art »spontanen Kommunismus« bereithalte. Die Voraussetzung für diese These ist in ihrer nur implizit angedeuteten Interpretation des Marx’schen Wertgesetzes zu finden. Der Gegenstand, dessen Verschwinden sie behaupten, – das Wertgesetz – wird von ihnen nicht explizit dargestellt. Genau dies ist jedoch zu leisten, wenn der Gebrauchswert des Postoperaismus zur Debatte stehen soll, schließlich handelt es sich bei der Marx’schen Werttheorie nicht um ein unbedeutendes Detail, sondern um das Herzstück der Marx’schen Kritik: Denn Marx analysierte die Kategorie des Wertes als soziales Verhältnis und damit die kapitalistische Vergesellschaftung als strukturell antagonistischen Zusammenhang.
Werttheorie bei Hardt und Negri
Hardt und Negri bestimmen die Arbeit im postmodernen Kapitalismus als immaterielle Arbeit und diese an sich als abstrakte Arbeit. Das Besondere an der immateriellen Arbeit sei, dass diese sich bereits vor ihrem Austausch jeder Messbarkeit entziehe. Die immaterielle Arbeit, die im postmodernen Kapitalismus die hegemoniale Form der Arbeit im Produktionsprozess darstelle, verweise nach Hardt und Negri zudem auf die Marx’sche Idee des »General Intellect«. Zwar wurde dieser Ausdruck wahrscheinlich nur ein einziges Mal von Karl Marx in den Grundrissen Karl Marx, Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie, Marx-Engels-Werke (MEW) 42, 602. verwendet, aber da »das Buch der Bewegung« (Steve Wright) einer der Hauptbezugspunkte der Operaisten zur Marx’schen Theorie war, spielt dieses auch in der postoperaistischen Theorie eine entsprechend wichtige Rolle. Der »General Intellect« könnte noch am besten als allgemeiner oder gesellschaftlicher Verstand übersetzt werden. Es geht also nicht um das Wissen der Einzelnen, sondern gewissermaßen um die kollektive Intelligenz der gesamten Zivilisation. Die zunehmende Anwendung wissenschaftlicher Erkenntnisse im Produktionsprozess führe dazu, dass die Arbeitszeit in der Produktion immer weiter reduziert werden könne. Ironischerweise sei gerade die immer größere Verwendung der Maschinerie durch die Entwicklung der Wissenschaft (also einer Form immaterieller Arbeit) im Kapitalismus dafür verantwortlich, dass die Wissenschaft die produktive Arbeit – als einzige Quelle des Werts – tendenziell ablöse und das Kapital sich so selbst die Grundlage entzöge. Ebd., 604 f.typo3/ Weil nicht mehr verausgabte Arbeitszeit die Quelle des Reichtums sei, habe das Marx’sche Wertgesetz also in der postkapitalistischen Gesellschaft keine Bedeutung mehr. Der »General Intellect« wurde von Marx als die Hauptproduktivkraft des Kommunismus charakterisiert und auf dieser Grundlage gehen auch Hardt und Negri davon aus, dass die Produktivkräfte bereits innerhalb des Kapitalismus kommunistisch geworden seien. Paolo Virno bezeichnet daher auch den postmodernen Kapitalismus als »Kommunismus des Kapitals«. Paolo Virno, Grammatik der Multitude. Untersuchungen zu gegenwärtigen Lebensformen, Berlin 2005, 157. Mit dieser Bezeichnung soll ausgedrückt werden, dass die Produktionsverhältnisse weiterhin kapitalistisch seien, der gesellschaftliche Reichtum jedoch, den die Multitude Die Theorie der Multitude ist eine neue Klassentheorie seitens des Postoperaismus. Sie umfasst nicht mehr nur ein einheitliches Subjekt wie die Arbeiterklasse, sondern in ihr verbindet sich eine Vielheit von Subjektivitäten. Diese Pluralität der Subjektivitäten findet in sozialen Kämpfen zusammen. Als Beispiel führen Hardt und Negri die Globalisierungsbewegung an, in der sich ganz unterschiedliche AkteurInnen zusammenfinden. produziere, erst nachträglich vom Kapital »parasitär« angeeignet werde. Immaterielle Arbeit existiert nicht isoliert, weil Informationen, Sprache und kooperative Arbeit immer gemeinsam entwickelt werden. Diesen nachträglichen Vorgang definieren Hardt und Negri dann als Ausbeutung. Dabei argumentieren sie, dass die Produktivkräfte im postmodernen Kapitalismus vollkommen biopolitisch seien. Während Michel Foucault unter Bio-Macht versteht, dass »das Leben […] jetzt Objekt der Macht« sei, leisten Hardt und Negri insofern eine Neuinterpretation dieses Konzeptes, als sie davon ausgehen, dass im Übergang vom Fordismus zum Postfordismus das ganze Leben unter das Kapital reell subsumiert werde: Die privilegierten Orte, an denen Wert produziert worden sei, wie z.B. die Fabrik, hätten sich über die ganze Gesellschaft ausgedehnt. Damit seien auch die Grenzen von Produktion und Reproduktion verschwunden. Unter dem Primat der immateriellen Arbeit würde an jedem Ort und zu jeder Zeit produziert – es sei unmöglich, nichts zu wissen, nichts zu fühlen und nicht zu kommunizieren. Beispielsweise könnten Lösungen für ein Software-Produkt einer Programmiererin auf dem Weg zur Arbeit, beim Sport oder im Traum einfallen. Deshalb seien auch die Grenzen von Arbeitszeit und Nicht-Arbeitszeit im Postfordismus und damit anscheinend auch die Wertform obsolet. In der immateriellen Arbeit werde der Mehrwert nicht in der Produktion erzeugt, sondern durch die Aneignung der biopolitischen Produktion und bleibe somit umkämpft: »In der Tat liegt die Bestimmung des Werts von Arbeit und Produktion tief im Inneren des Lebens. Die Industrie produziert nur das an Mehrwert, was durch gesellschaftliche Tätigkeit erzeugt wird, und genau aus diesem Grund liegt der Wert begraben unter einer Unmenge von Leben, jenseits allen Maßes.« Michael Hardt/Antonio Negri, Empire. Die neue Weltordnung, Frankfurt a.M. 2002, 373.
Die ultra-substanzialistische Interpretation des Marx’schen Wertgesetzes
Hardt und Negri gehen davon aus, dass das Wertgesetz zum Inhalt habe, dass in jeder Ware Wert stecke, der schon vor dem Austausch gemessen werden könne – sie folgen, wie sich mit der Neuen Marx-Lektüre zeigen lässt, einer »ultra-substanzialistischen« Interpretation des Marx’schen Wertgesetzes. Bei dieser Kategorisierung geht es um den Problemkomplex der Wertsubstanz oder vereinfacht ausgedrückt um die Frage, inwiefern diese Substanz gesellschaftlich bestimmt ist. Ab wann hat eine Ware einen Wert? Hat eine Ware beispielsweise einen Wert, wenn sie produziert wird oder erst dann, wenn sie auch wirklich verkauft wird? Vertreter einer substanzialistischen Position, argumentieren, dass in allen Produkten, in denen die ArbeiterInnen einen Teil abstrakter Arbeit verausgabt haben, Wertsubstanz enthalten sei. Marx selbst ging auch von einer solchen Wertsubstanz aus, weshalb Michael Heinrich diesem vorwirft, teilweise der klassischen Ökonomie verhaftet geblieben zu sein. Marx selbst habe in Teilen eine »physiologische« Auffassung von abstrakter Arbeit vertreten. Heinrichs Vorwurf lautet, dass Marx, indem er Arbeit im physiologischen Sinn (also Verausgabung von Hirn, Muskel, Nerv, Hand) als an sich schon wertproduktiv verstehe, stellenweise hinter seine gesellschaftliche Bestimmung der Wertform zurückfalle und an dieser Stelle lediglich eine Präzisierung der klassischen Ökonomie leiste. An Heinrichs Lesart gab es aus den Reihen der Neuen Marx-Lektüre heftige Kritik. Hans-Georg Backhaus/Helmut Reichelt, Wie ist der Wertbegriff in der Ökonomie zu konzipieren? Zu Michael Heinrich: Die Wissenschaft vom Wert, in: Beiträge zur Marx-Engels Forschung, Neue Folge (1995), 68; Günther Sandleben, Monetäre Werttheorie als Preistheorie. Geld und Wert bei Michael Heinrich, in: Sozialismus 10 (2008), 39-46; Philipp Metzger, Die Werttheorie des Postoperaismus. Darstellung, Kritik und Annährung, Marburg 2011 u.v.m. Ich nenne trotz dieser kritischen Stimmen die Marx’sche Werttheorie »durchschnittlich-substanzialistisch« (was wohl auf die meisten Marx-Interpretationen mehr oder weniger zutreffen mag). Mit der Kategorie ultra-substanzialistisch bezeichne ich im Kontrast dazu die Auslegung des Marx’schen Wertgesetzes seitens Hardt und Negri, da diese die substanzialistischen Tendenzen bei Marx ins Extreme steigern. Metzger, Werttheorie. Sie gehen davon aus, dass jede Tätigkeit Wert produziere – egal ob Arbeitskraft verausgabt werde oder nicht. Analog dazu behaupteten sie, dass Wertgesetz müsse deshalb negiert werden, weil nur die Zeit von konkreter Arbeit gemessen werden könne und sich allein durch sie der Wert einer Ware bestimmten ließe. Konsequenterweise könne im postmodernen Kapitalismus der Wert einer Ware nicht mehr bestimmt werden, gerade weil nur noch abstrakte Arbeit verausgabt werde, deren Zeit nicht messbar sei. Hardt und Negri vertreten also die These, dass im Postfordismus in einem Produkt bereits vor dessen Austausch gesellschaftliche Arbeit inkorporiert sei und das Wertgesetz seine Gültigkeit verloren habe, weil es keine konkrete Arbeit mehr gäbe. Aus dieser Perspektive erscheint es dann so, als ob die vor-postmoderne Arbeit, also die Fabrikarbeit, hätte gemessen werden können, während dies bei immaterieller Arbeit nicht mehr möglich sei. Diese Bestimmung des Marx’schen Wertgesetzes ist – vorsichtig ausgedrückt – analytisch sehr ungenau. Nach Marx ist die konkrete Arbeitszeit jene Arbeitszeit, die der Einzelne braucht, um z.B. einen Tisch herzustellen. Gesellschaftliche Arbeitszeit ist dagegen die Zeit, die der/die durchschnittliche ArbeiterIn aufwenden muss, um einen Tisch herzustellen. »Abstrakte Arbeit kann daher nicht einfach durch Arbeitszeit, sondern nur durch eine sozusagen ›abstrakte Arbeitszeit‹ gemessen werden. Diese Messung ist keine, die mit der Uhr ausgeführt werden kann; nur durch den Tausch kann hier gemessen werden, da abstrakte Arbeit eben nicht isoliert existiert.« Michael Heinrich, Die Wissenschaft vom Wert. Die Marx’sche Kritik der politischen Ökonomie zwischen wissenschaftlicher Revolution und klassischer Tradition, 4. Aufl., Münster 2006. Der/die einzelne KapitalistIn mag vielleicht wissen, wie lange er/sie seine/ihre ArbeiterInnen am Tag beschäftigt hat (z.B. acht Stunden), aber in keiner Periode des Kapitalismus wusste einE KapitalistIn wieviel abstrakte Zeit bzw. wertbildende Arbeit in seinen/ihren Produkten steckt. Meiner Ansicht nach ist die Begründung von Hardt und Negri, das Wertgesetz aufzugeben, falsch, weil sie unterstellen, man hätte in einer bestimmten Formation des Kapitalismus’ den Wert einer Ware nachmessen können. Friedrich Engels bringt dies folgendermaßen auf den Punkt: »Der Wert [...] ist keine empirische, sondern eine gedankliche, logische Tatsche.« Friedrich Engels, Ergänzung und Nachtrag zum III. Buche des »Kapital«, MEW 25, 903.
Hardt und Negri verwechseln demnach konkrete und abstrakte Arbeit. Zwar ist es möglich, nachzumessen, wieviel konkrete Arbeit verausgabt wurde, aber empirisch ist es nicht möglich zu bestimmen, wieviel abstrakte Zeit verausgabt wurde: Schließlich handelt es sich um gesellschaftliche Zeit. Nicht die Marx’sche Werttheorie muss revidiert werden, sondern die ultra-substanzialistische Interpretation seitens der Empire-Autoren.
Interpretation der Marx’schen Kritik als eine Analyse der Fabrik
In der Analyse von Hardt und Negri, insbesondere in ihrer ultra-substanzialistischen Interpretation des Marx’schen Wertgesetzes, wird Das Kapital als eine soziologische Analyse der Fabrikgesellschaft missverstanden, indem die Fabrikarbeit im Gegensatz zur immateriellen Arbeit als messbare verstanden wurde. So sind auch die Äußerungen des operaistischen Theoretikers Raniero Panzieri zu verstehen, der nicht nur Wertproduktion mit Fabrikarbeit gleichgesetzt hat, sondern auch vereinfachend Ausbeutung und Entfremdung mit monotoner Fabrikarbeit identifiziert hat. Gerade diese verkürzte Technikkritik des Operaismus ist aus meiner Sicht der Grund, warum im Postoperaismus »jedwede Technikkritik als Old-School-Unsinn scheinbar überflüssig ist.« http://www.links-netz.de/K_texte/K_wissel_empire.html. So konnte aus einer Theorie, die anfangs den Produktivkräften kritisch gegenüberstand, ironischerweise eine Theorie werden, die Produktivkräfte affirmativ analysiert. Indem also bei dem Operaisten Panzieri die entfremdete und ausgebeutete Arbeit als Fabrikarbeit charakterisiert wurde und diese Analyse von den nachfolgenden Postoperaisten übernommen wurde, konnte die immaterielle Arbeit schließlich als nicht mehr entfremdete und ausgebeutete Arbeit erscheinen. Stattdessen gelten die Produktivkräfte schon heute als kommunistisch. Die immaterielle Arbeit wird mit dem »General Intellect« gleichgesetzt und dieser würde nur noch durch die kapitalistischen Verhältnisse nachträglich – durch Copyright, die Privatisierung des Gemeinwesens usw. – ausgebeutet. Bei Marx hängen das Wertgesetz, Ausbeutung und Entfremdung strukturell zusammen. Hardt und Negri können hingegen Ausbeutung nicht mehr in der Produktion analysieren, sondern verschieben sie in die Zirkulation und erklären sie dort zur »parasitären« Aneignung.
Perspektiven
Wie ich nachgewiesen habe, sind die Argumente, die von den Postoperaisten für eine Aufgabe des Wertgesetzes vorgebracht werden, unzulässig und führen zu weiteren gesellschaftstheoretischen Fehlschlüssen. Was ließe sich nun aber trotz dieser defizitären Analyse vonseiten des Postoperaismus von ihm retten? Wie könnte man mit den Fragen umgehen, die er aufgeworfen hat?
Die Revidierung der verkürzten Technikkritik und eine vermehrte Rückbindung an eine Marx-Rezeption, deren Analyse eben nicht in eine Kritik der Fabrik mündet, wären eine Möglichkeit, die Schwächen der postoperaistischen Konzeption wieder einzuholen. Viele Problemstellungen des Postoperaismus finden sich bereits in den Arbeiten von Hans-Jürgen Krahl. Dieser ging davon aus, dass das gesellschaftlich produzierte Wissen vom Kapital subsumiert und damit einem Arbeitsprozess des Gesamtarbeiters zugeschlagen würde. Dadurch wandele sich nicht nur der Produktionsprozess selbst, sondern auch die geistige Arbeit und die Wissensproduktion würden durch die Anpassung an das Tauschverhältnis verändert. Krahl bemerkt dazu: »Technologisierung der Wissenschaften bedeutet: die qualitative Zeit bildungsgeschichtlicher Reflexion […] wird zugunsten der Anpassung geistiger Arbeit an die quantitativen und enthistorisierten Normen des Wertmaßstabes der Arbeitszeit eliminiert. Damit kann geistige Arbeit reibungslos dem Verwertungsprozess des Kapitals einverleibt werden.« Hans-Jürgen Krahl, Thesen zum allgemeinen Verhältnis von wissenschaftlicher Intelligenz und proletarischem Klassenbewusstsein, in: ders., Konstitution und Klassenkampf. Zur historischen Dialektik von bürgerlicher Emanzipation. Schriften, Reden und Entwürfe 1966-1970, 5. Aufl., Frankfurt a.M. 2008, 347 f. Wissen bleibt damit immer an die technische Umsetzbarkeit und damit gleichzeitig an die produktive Arbeit gebunden, was bedeutet, dass es nicht völlig autonom von der Wertform existieren kann. Ebd., 348. Folgt man also der Einsicht, dass Wissen an die Wertform gebunden ist, kann es in der bürgerlich-kapitalistischen Gesellschaft nicht in neutraler Form existieren. Es liegt in entfremdeter, ausgebeuteter und fetischisierter Form vor – was wiederum der These widerspricht, dass die Produktivkräfte im postmodernen Kapitalismus kommunistisch seien. Mit der Erkenntnis, dass Wissen an die Wertform gebunden bleibt, wird es möglich, die von den Postoperaisten so geschätzte immaterielle Arbeit als ein Moment von Herrschaft zu rekonstruieren, die wie jede andere Form der Arbeit in der kapitalistischen Vergesellschaftung auf Ausbeutung, Entfremdung und Unterdrückung beruht. Hier wäre an den alten Operaismustypo3/, Mario Tronti, Arbeiter und Kapital, Frankfurt a.M. 1974; Raniero Panzieri, Über die kapitalistische Anwendung der Maschinerie im Spätkapitalismus (1985), zitiert nach: http://www.wildcat-www.de/thekla/07/t07panzi.htm. der den Kampf gegen die Arbeit begründete, anzuknüpfen aber gleichzeitig jede ultra-substanzialistische Werttheorie in aller Schärfe zurückweisen – genauso wie eine einseitig optimistische handlungstheoretische Auflösung von Herrschaftsverhältnissen. Eine Kritik der kapitalistischen Arbeit müsste sich heute nicht nur gegen die monotone Fabrikarbeit richten, sondern gerade auch gegen die postmoderne Variante. Deshalb wäre eine Erweiterung der analytisch viel genaueren Neuen Marx-Lektüre durch eine präzisere Interventionstheorie sinnvoll. Was können wir also vom Postoperaismus lernen? Erstens: Dass sich die kapitalistische Dynamik nicht nur aus der Struktur des Kapitalismus erklärt, sondern auch aus dem Handeln der AkteurInnen innerhalb dieser Struktur, und daher die Bedeutung sozialer Konflikte für gesellschaftliche Transformationsprozesse innerhalb kapitalistischer Verhältnisse nicht unterschätzt werden darf – das gilt besonders für eine Linke, in der jedwede Klassenanalyse verpönt ist. Zwar ist der Begriff der Multitude extrem schwammig, er trifft jedoch einen Punkt, da in ihm ein Gespür für die aktuellen sozialen Konflikte steckt, die in den Vorstädten von Paris, im Arabischen Frühling oder in Occupy Oakland sichtbar werden. Womit nicht gesagt ist, dass dies progressive Bewegungen sind. Im Postoperaismus wird auch auf die »dunkle Seite der Multitude« (Paolo Virno) hingewiesen. Der Begriff der Multitude ist eben genauso kryptisch, wie die Inhalte dieser Bewegungen. Sie umfasst sowohl sympathische antikapitalistische Gruppen wie auch offene Feinde der Emanzipation. Diese Auseinandersetzungen können einerseits als Klassenkonflikte charakterisiert werden, anderseits greift dies jedoch zu kurz. Zweitens: Dass Kritische Theorie nicht neutral sein kann, sondern aktiv in gesellschaftliche Auseinandersetzungen eingreifen muss: Hardt und Negri bezeichnen ihr Konzept schließlich auch als das des »Militanten Intellektuellen«. Drittens: Darauf hinzuweisen, dass der Kapitalismus das Potenzial zu seiner eigenen Abschaffung selbst produziert und nach diesen Möglichkeiten aktiv zu suchen ist, sonst wäre jeder Versuch die Verhältnisse umzustürzen »Donquijoterie« (Marx). Also Postoperaismus als Inspiration und Werkzeugkasten für eine politischere Neue Marx-Lektüre? Warum auch nicht.
Philipp Metzger. Vom Autor erschien 2011 das Buch Die Werttheorie des Postoperaismus. Darstellung, Kritik und Annäherung, mit einem Vorwort von Sonja Buckel beim Tectum Verlag. Er ist außerdem Mitarbeiter des Instituts für Kategoriale Analyse (www.inkatan.de).