Vor der Fusion?

Antifa und Antira

Noch immer beackern Antifa- und Antira-Gruppen zwei Politikfelder, die sich kaum voneinander trennen lassen. Doch vor dem naheliegenden Schulterschluss liegt die Diskussion der verschiedenen Ansätze, die die Praxis der letzen Jahre bestimmten.

Rückblick

Als Anfang der 90er Jahre das neue großdeutsche Projekt immer deutlicher seine Konturen erkennen ließ, wurde dies für einen Teil der autonomen Linken zum entscheidenden Impuls eines gleichermaßen antifaschstischen und antirassistischen Widerstandes. In ihren Analysen und Aktionsformen vereinen die Gruppen, was sich erst später in Antira und Antifa trennen soll. Als Reaktion auf den rassistischen Alltag und seine mörderischen Pogrome erweitert sich zum einen das gesellschaftsanalytische Verständnis - es ist erstmals vom Rassismus der Bevölkerung die Rede - zum anderen rücken Flüchtlinge, die von Nazis überfallen und vom Staat abgeschoben werden, mehr in den Mittelpunkt des Interesses. Damit verschiebt sich allerdings auch die Wahrnehmung von Migration und MigrantInnen. Bei den Fahrwachen vor den Flüchtlingsheimen und bei der Unterstützung in asylrechtlichen Fragen werden die Flüchtlinge weniger als Subjekte wahrgenommen, die aufgrund ihrer politischen Überzeugung flüchten mussten oder als Armutsflüchtlinge die »soziale Revolte in die Metropole tragen«, sondern mehr als Objekte und Opfer, die Hilfe benötigen, um den Frontalangriff von Staat und Bevölkerung abwehren zu können.

Ab 1993 sorgt die per Wahlakt oder mittels militanter Politik legitimierte Institutionalisierung des Rassismus für erste Desillusionierung im Hinblick auf die Erfolgschancen einer linken antirassistischen Perspektive. Die De-facto-Abschaffung des Asylrechtes konnte nicht gestoppt werden, die politischen Rahmenbedingungen haben sich dadurch erheblich verschlechtert, weitere Gesetzesverschärfungen tun in Folge ihr übriges. In der Zeit, in welcher sich der Staat das Monopol auf die rassistische Ordnung zurückholt, indem Nazis und pogromwütige Bevölkerungsteile entweder mit Repression diszipliniert oder mittels Lichterketten gezähmt werden, entwickeln sicher immer stärker Gruppen mit antifaschistischer oder antirassistischer Ausrichtung auseinander. Infolgedessen wenden sich nun Antifas in erster Linie gegen Nazis und ihre Strukturen, die immer kleiner werdenden Antira-Gruppen beschäftigen sich fast ausschließlich mit dem staatlichen Rassismus. Die Arbeit wird professionalisiert und z.T. institutionalisiert. Mensch begibt sich in das weite Feld der Flüchtlingssozialarbeit - um da nicht mehr herauszu kommen. Erst Mitte der 90er Jahre gibt es wieder Ansätze, antirassistische Arbeit auf ein breiteres Fundament zu stellen. Als bundesweite Events etablieren sich die alljährlichen Demonstrationen gegen die Abschiebeknäste und die Grenzcamps. Die Kampagne »kein mensch ist illegal« schafft es, durch Bündelung von Gruppen aus verschiedenen politischen Spektren und innovative Aktionsformen, die Gesellschaft mit antirassistischen Standpunkten zu konfrontieren. Sie stellt bislang den einzigen bundesweiten Aktions- und Diskussionszusammenhang für linke antirassistische Gruppen dar, der allerdings recht lose und unverbindlich strukturiert ist.

In den letzten Jahren beschäftigten sich etliche Antira-Gruppen mit der Unterstützung illegalisierter MigrantInnen, was wiederum die alten Debatten über Arbeitsmigration aufleben ließ . Darüber hinaus kam die Selbstorganisierung von MigrantInnen (the voice, Karawane für die Rechte der Flüchtlinge und MigrantInnen) in den letzten Jahren voran, zu der sich auch die deutschen Antira-Gruppen verhalten müssen. Im Gegensatz zu den Anfängen der Antira-Bewegung kommt es heute aber kaum zu einer gemischten Organisierung, sondern mehr zu einer engen Zusammenarbeit der getrennt organisierten Gruppen.

Sand oder Öl, Revolution oder Quark - Revolutionärer Anspruch oder systemimmanente Abfederung rassistischer Politik

Bis Anfang der 90er herrschte in der antirassistischen Linken ein verklärender Blick auf die Migrationsbewegungen vor. Flüchtlinge wurden als »revolutionäres Subjekt« entdeckt, die als Ersatz für eigene Revolutionsträumereien, die allerdings aufgrund der eigenen Integration ins bestehende System nicht verwirklicht werden sollten, herhalten mussten. Diese Träume zerplatzten allerdings recht schnell an der bundesdeutschen Realität. Antirassistische Praxis begnügte sich in Folge mit dem Backen kleiner Brötchen. Oft war die Betätigung sich als links verstehender Antira-Gruppen von der bürgerlicher Flüchtlingsorganisationen nicht mehr zu unterscheiden, mal abgesehen von der radikaleren Rhetorik und der unprofessionelleren Arbeitsweise. Erst mit dem Aufflackern von bedeutenden Flüchtlingsprotesten in anderen europäischen Ländern (z.B.: Sans Papiers in Frankreich) keimten wieder leise und geläuterte Hoffnungen auch in der bundesdeutschen Antira-Szene. Es werden Überlegungen angestellt, inwieweit sich soziale Proteste der Marginalisierten in der Gesellschaft (MigrantInnen, Obdachlose, Behinderte etc.) zusammenführen lassen.

Nichtsdestotrotz bleibt zu konstatieren, dass von dem linken Anspruch der antirassistischen Gruppen nicht viel nach außen dringt. Viele Gruppen konstatieren zwar, dass ihre praktische Arbeit eher der Stabilisierung der herrschenden Verhältnisse dienlich ist, indem z.B. in der antirassistischen Sozialarbeit Spannungsverhältnisse gemildert werden, wissen jedoch nicht, wie sie diesem Dilemma entkommen können und machen deswegen mangels Alternativen weiter wie bisher.

Natürlich muss antirassistische Praxis mit dem Gegebenen vorlieb nehmen, und Politik ist immer in einer gewissen Art und Weise Realpolitik. Allerdings darf dabei der linksradikale Anspruch nicht aus den Augen verloren werden. Das heißt für uns zum einen, dass bei den Aktionen der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit dies immer mit thematisiert werden muss und nicht etwa aus taktischen Gründen darauf verzichtet werden darf, darauf hinzuweisen, dass wir nicht Kritik an Auswüchsen des Systems, sondern am System als solchen haben. Zweitens müssen sich die Gruppen der Verantwortung stellen, ihre Praxis ständig zu reflektieren und Perspektiven zu entwickeln, die vor den eigenen Ansprüchen Bestand haben. Zum dritten sind Voraussetzungen zu schaffen, die dafür sorgen, dass der linke Anspruch nicht zu kurz kommt. Dazu dient neben der Struktur der eigenen Gruppe, die Mechanismen entwickeln muss, der Sozialarbeitsfalle zu entkommen, auch der positive Bezug auf eine linksradikale Bewegung.

50 ways to make: Sozialarbeit

Viele linke antirassistische Gruppen erklären es als Voraussetzung ihrer Arbeit, Kontakt zu Flüchtlingen zu haben. Das mag auf den ersten Blick einleuchtend klingen, schließlich geht es ja um Flüchtlinge. Allerdings hat die Sache einen theoretischen und zwei praktische Haken. Rassismus ist in erster Linie nicht ein Problem der Flüchtlinge (in dem Sinne, dass sie das Problem darstellen oder dafür verantwortlich wären), sondern der Deutschen. D.h. antirassistische Politik heißt nicht per se Politik für Flüchtlinge und MigrantInnen, sondern gegen Deutsche bzw. deren Rassismus, gegen deutsche Behörden und deren Asylpolitik usw. Natürlich ist auch dafür gut zu wissen, was genau vor sich geht, wer wie von Rassismus betroffen ist. Unter diesen Umständen wäre der Kontakt zu den Flüchtlingen allerdings lediglich Mittel zum Zweck und nicht Selbstzweck - und somit zwar manchmal sinnvoll aber keineswegs erforderlich.

Die beiden praktischen Haken dagegen werden auch von den antirassistischen Gruppen konstatiert, allerdings bleiben dies meist Lippenbekenntnisse ohne Auswirkungen auf die Praxis: Der Kontakt zu Flüchtlingen, der sich meist in Form von Sozialarbeit abspielt, hilft, staatliche Härten zu glätten bzw. Lücken staatlicher Politik durch unbezahlte Arbeit zu füllen und somit einen Beitrag der »Zuckerbrot- & Peitsche« Taktik zu leisten.

Diese Arbeit findet von Seiten der Behörden sogar des öfteren (in)offizielle Anerkennung. Ein weiteres Manko der antirassistischen Sozialarbeit ist, dass sie meist alle (zeitlichen, finanziellen) Ressourcen der Gruppe auffrisst. Selbst Gruppen, die mit dem Anspruch angetreten sind, den Kontakt zu Flüchtlingen nur zu nutzen, um Informationen für die politische Arbeit zu gewinnen, versinken recht schnell in der Einzelfallhilfe und kommen zu nichts anderem mehr.

Einige antirassistische Gruppen behaupten sogar, die Sozialarbeit wäre schon ein politisches Ziel an sich, denn sie sorgt dafür, dass einige Flüchtlinge dann doch hier bleiben können oder mehr Geld bekommen etc., was ja von Seiten des Staates mit aller Kraft verhindert würde. Der antirassistischen Sozialarbeit wird dann nach dem Motto »der Staat will Migration verhindern, wir tricksen ihn aus« ein subversiver Gehalt zugeschrieben. Ein Beratungserfolg wird so zum Schlag gegen den Staat. Wir sind da skeptisch: Sollte hier jemand wegen einer guten Beratung z.B. nicht abgeschoben werden, dann wird halt jemand anders an anderer Stelle mehr abgeschoben. Andererseits wäre es natürlich zynisch und nicht zu vertreten, zu fordern, die Flüchtlingssozialarbeit sollte eingestellt oder gar bekämpft werden - in der Hoffung, dass sich dann irgendwelche Verhältnisse zuspitzen würden. Daran glauben wir nicht. Sehr wohl denken wir aber, dass linke antirassistische Gruppen ihre Finger davon lassen sollten. Es wäre die Aufgabe der antirassistischen Gruppen, zum einen darauf zu drängen, dass Sozialarbeit von Seiten des Staates (wo es in seinen Verantwortungsbereich fällt und er es auch nicht schlechter machen würde als wir) oder liberalen Flüchtlingshilfsorganisationen geleistet wird. Zum anderen sollte ein guter Kontakt mit den bürgerlichen Beratungsstellen gepflegt werden, um an alle relevanten Informationen und Kontakte zu Flüchtlingen zu gelangen. Von linker Seite sollte kein Kontakt zu Flüchtlingen nur wegen ihres Flüchtlingsstatus gesucht werden, sehr wohl aber zu denen, deren politische Ansichten geteilt werden oder zumindest, wo es das gemeinsame Interesse gibt, gegen rassistische Politik vorzugehen. In diesem Fall finden Menschen also aufgrund ihrer politischen Aktivitäten zusammen und nicht zum Zweck der Beratung. Ganz klar ist, dass jenen MigrantInnen, mit denen politisch zusammengearbeitet wird, auch in rechtlichen und sozialen Fragen geholfen werden muss - nur ist das dann keine Sozialarbeit, sondern Solidarität.

Nadel im Nadelhaufen versus Reiht euch ein! - Bevölkerung angreifen oder aufklären?

Zu Beginn der 90er Jahre waren antirassistische Gruppen die ersten, die in ihren Analysen von einem rassistischen Konsens sprachen und die Linke für ihre Ignoranz gegenüber dem Rassismus in der Bevölkerung oder gar der Inschutznahme der »manipulierten, fehlgeleiteten« Bevölkerung kritisierten. Mit dem Aufkommen der Antinationalen/Antideutschen gerieten die AntirassistInnen allerdings ins Hintertreffen. Sie waren nicht mehr die VorreiterInnen, andere beschäftigten sich jetzt mit dem »Volk« und die entsprechenden Gruppen wendeten sich ganz der »eigentlichen« Aufgabe, dem staatlichen Rassismus, zu. Die antideutsche Kritik an der Linken ging an den antirassistischen Gruppen recht spurlos vorüber, sie sorgte maximal für einige Verunsicherung, aber kaum für Diskussionen. Das ist umso verwunderlicher, da diese auch massiv von MigrantInnengruppen vorgetragen wurde. Wahrscheinlich fühlten sich gerade die AntirassistInnen entweder persönlich angegriffen oder immun gegen Kritik, da sie ja genau die waren, die für sich in Anspruch nahmen, antirassistisch zu sein. Eine Rezeption der antideutschen und antinationalen Thesen hätte allerdings der Antira-Szene helfen können, ihr Verhältnis zur Bevölkerung stärker zu problematisieren. Dies ist diffuser als noch vor zehn Jahren. Auf jedem Grenzcamp werden große Diskussionsrunden zu dieser Frage einberufen, und Aktionen, die angreifen und aufklären, liefern sich einen fairen Wettstreit, ein Ende der Debatte ist allerdings noch nicht abzusehen. Der Blick auf die deutschen Zustände rechtfertigt unserer Meinung nach bis heute die Verwendung der Kategorie »rassistischer Konsens«. Zum einen weil sie immer noch die große Einigkeit beschreibt, wenn von den Konservativen bis zur politischen Mitte Menschen in Deutsche und Nichtdeutsche unterschieden und danach qualifiziert werden. Zum anderen, weil der Begriff eine politische Polarisierung betreibt, hinter der die radikale Ablehnung von Rassismus steht - egal ob er als zivilgesellschaftliche oder aggressiv völkische Variante erscheint. Erst diese Polarisierung, die sicherlich nicht jede Lebenssituation analytisch richtig und umfassend beschreibt, ermöglicht aber eine Orientierung in einer politischen Wirklichkeit, die davon gekennzeichnet ist, dass außer ein paar strammen Kameraden alle den Vorwurf, rassistische Politik zu betreiben, weit von sich weisen würden.

Ist so einerseits klar, dass eine ausschließliche Wendung nur gegen die staatlichen Formen der rassistischen Ordnung zu kurz greift, darf eine realistische Sicht auf den hohen Legitimationsgehalt rassistischer Politik in Deutschland aber nicht dazu führen, die Hände resignierend in den Schoß zu legen. Vielmehr gilt es dann, in Bündnissen, bei der Öffentlichkeitsarbeit, bei Angriff und Agitation, die eigene Position immer deutlich zu benennen, um einen Anschluss möglich zu machen. D.h. aber auch, sich von sozialromantischen Vorstellungen zu verabschieden, dass sozial deklassierte Deutsche BündnispartnerInnen bei Flüchtlingskämpfen werden könnten - nicht, dass das verwerflich wäre, es ist einfach unrealistisch.

Arbeit, Arbeit, Arbeit - Arbeitsmigration und politische Flüchtlinge

In der antirassistischen Öffentlichkeitsarbeit wird oft mit extremen Einzelfällen hantiert. Mag dies taktisches Kalkül sein, weil anders keine Aufmerksamkeit erlangt werden kann, so hat es auf lange Sicht sowohl in den eigenen Kreisen als auch in der öffentlichen Wahrnehmung fatale Folgen. Denn immer mehr setzt sich das Bild fest, dass die Extremfälle Ausnahmen von einer alltäglichen Praxis wären, die umso mehr Absolution erhält, je mehr Betonung auf der Besonderheit des jeweiligen Einzelfalles liegt. Aber die Ausnahmen sind keine Ausrutscher, sondern normaler Bestandteil rassistischer Politik. Schwerwiegender ist aber der Fehler, dass im Mittelpunkt des antirassistischen Interesses oft nur der politische Flüchtling steht. Allerdings spielt das Attribut »politisch« keine Rolle bei der Zusammenarbeit mit den Flüchtlingen, d.h. es finden kaum politische Auseinandersetzungen mit den MigrantInnen statt. Vielmehr orientiert sich dieser Begriff an der staatlichen Vorgabe, nach der nur politische Flüchtlinge Asylrecht genießen. Doch diese Vorstellung wird immer obsoleter. Zum einen wissen viele politische Flüchtlinge, dass ihnen das heutige Asylrecht keinen Schutz gewähren kann. Zum anderen - und das ist viel entscheidender - fällt der Großteil der Flüchtlinge und MigrantInnen in der BRD nicht unter die Kategorie »politisch«, egal, ob die staatliche oder eine wie auch immer aussehende eigene Definition Verwendung findet. Diese MigrantInnen sind aber gleichfalls von rassistischen Gesetzen, Behörden und Bevölkerung betroffen. Und gemäß der alten Forderung »Offene Grenzen für alle« gilt es, sich für sie genauso einzusetzen wie für politische Flüchtlinge. Wie schon im obigen Abschnitt beschrieben, kann die permanente Betonung von politischen Fluchtursachen, Bürgerkriegen etc. dazu führen, dass alle anderen Flüchtlingsgruppen, die die Kriterien nicht erfüllen, am Ende noch schlechter dastehen.

Eine Beschäftigung mit der Arbeitsmigration ist aber auch unter analytischen Gesichtspunkten wichtig. Während kein Staat daran ein wirkliches Interesse hat, sich politische Flüchtlinge als solche ins Land zu holen, gibt es sehr wohl ein staatliches Interesse daran, für die Wirtschaft eine gezielte Einwanderung von Arbeitskräften zu fördern und zu regulieren. Dies hat Auswirkungen auf die Perspektiven antirassistischer Praxis, die nicht vernachlässigt werden dürfen. So ist die zunehmende Illegalisierung von MigrantInnen oder die Anwerbung von qualifizierten Arbeitskräften fü r die IT-Branche nicht Ausdruck für eine repressive Politik gegen Flüchtlinge oder ein Schritt in die »multikulturelle Erlebnisgesellschaft«, sondern beides der Versuch, gute Rahmenbedingungen für Verwertungsinteressen der deutschen Wirtschaft zu schaffen. Genau an diesem Punkt würden sich auch gute Anknüpfungspunkte für eine antikapitalistische Kritik aus antirassistischer Perspektive ergeben. Bis auf wenige Ausnahmen gibt es dazu unserer Meinung nach zu wenig Auseinandersetzung und Überlegungen innerhalb der antirassistischen Szene.

but now? together!

Ein linksradikaler Antirassismus muss gesellschaftskritisch sein: Rassismus ist ein Teil der bestehenden gesellschaftlichen Verhältnisse. Ohne diese anzugreifen, bekämpft antirassistische Arbeit nur die Symptome, nicht aber den Rassismus selbst. An dieser Stelle liegt die Schnittstelle von Antifa und Antira. Ihr gegenseitiger Bezug wird in dem Maße wachsen, wie beide Bereiche ihr Handlungsfeld nicht mehr als reine Jagd auf Nazis bzw. als Unterstützung von Flüchtlingen gegen staatlichen Rassismus begreifen. Wenn die gesellschaftlichen Grundlagen zur Sprache kommen, auf denen sich eine Nazibewegung entwickeln kann und ein mörderisches Abschiebesystem funktioniert, wird offenbar, dass das eine Gebiet nicht ohne das andere auskommt. Bisher wurde in den entsprechenden Antifa-Aufrufen der letzten Jahre die Bedeutung der rassistischen Politik und des rassistischen Konsens meistens nur benannt und als abgetrenntes Arbeitsfeld begriffen, dem seltener konkrete Politik gewidmet wurde. Ähnlich thematisierten die OrganisatorInnen und TeilnehmerInnen der antirassistischen Grenzcamps immer auch die Bedeutung faschistischer Aktivitäten für Flüchtlinge und antirassistische Arbeit sowie die Zusammenarbeit zwischen staatlichen Institutionen und Bevölkerung mit. Eine gemeinsame Analyse- und Strategiediskussion gab es nicht. Dies zu ändern, ist derzeit die dringendste Aufgabe.

Antirassismus-AG des BGR Leipzig