Väter und ihre Ausreden

Eine Kritik am Umgang von Vätern mit ihren Handlungsoptionen

Spätestens seit den siebziger Jahren versuchen feministische Theoretikerinnen die strikte Trennung zwischen Produktion und Reproduktion bzw. zwischen Arbeit und care oder genauer zwischen Lohnarbeit und der Betreuung, Versorgung und Pflege von Kindern sowie weiterer Haus- und Familienarbeit zu hinterfragen und zu kritisieren. Über feministische Diskurse hinaus wird diese Kritik jedoch kaum wahrgenommen und aufgegriffen. Viel zu oft bleibt sie auch in linken Debatten unberücksichtigt. Immerhin scheint die Diskussion über die gesellschaftliche Bedeutung von care-Arbeit sowie die geschlechterpolitischen Konnotationen in den letzten Monaten wieder an Bedeutung gewonnen zu haben. Im März 2014 trafen sich etwa 500 Menschen zur Aktionskonferenz Care Revolution. Im Anschluss widmete sich die disko-Reihe der Jungle World über mehrere Wochen dem Thema und veranstaltete bei den Linken Buchtagen in den Berliner Mehringhöfen eine gut besuchte Podiumsdiskussion dazu. Gleichzeitig wurden durch die aktuelle Beschäftigung mit diesem Thema auch wieder die Defizite der Debatte deutlich. Im Jahr 2014 scheint einzig darüber ein Konsens möglich, dass klassisch linke Methoden des Kampfes um bessere Arbeitsbedingungen im Rahmen von care-Arbeit nicht ohne Weiteres funktionieren, da recht schwer zu leugnen ist, dass beispielsweise Kind-ins-Bett-bringen nicht einfach bestreikt werden kann. Darüber hinaus verharren die unterschiedlichen Akteur_innen im Streit um unterschiedliche Perspektiven und in der immer wieder vorgetragenen Beteuerung doch nicht das große Ganze aus dem Auge verlieren zu wollen. Alles Weitere bleibt floskelhaft. So formuliert die Gruppe kitchen politics in der Jungle World, dass der Kampf an vielen Fronten geführt und gewonnen werden müsse: »in der Küche, im Schlafzimmer, in den Schulen, in der Klinik, auf den Straßen und an vielen anderen Orten«. Ganz ähnlich die Gruppe TOP-B3rlin: »Dabei muss es auch darum gehen, wie wir unsere eigene Reproduktion in unserer politischen Praxis organisieren, und es darf beim sogenannten Privatleben noch lange nicht aufhören«.

Doch wie kann ein Kampf in der Küche aussehen? Wer kämpft da gegen wen und wofür? Kaum jemand traut sich eine Antwort auf diese Fragen zu formulieren und über die individuellen Handlungsoptionen zu diskutieren. Während einzelne Frauen(-gruppen) in der Vergangenheit beispielsweise ein Gehalt für Hausarbeit gefordert haben, traut sich kein Vater auszuformulieren, was es aus Väterperspektive bedeuten könnte, den Kampf auch in der eigenen Küche zu führen. Es gibt keinen linken Väter-Diskurs. Väter tauchen in ihrer Vaterrolle als politische Subjekte – auch in linken Zusammenhängen – nur dann auf, wenn es um Sorgerechtsstreitigkeiten geht. Vor allem im Kontext von heterosexuellen Familienkonstellationen wäre eine politische Auseinandersetzung der Väter jedoch längst überfällig.

Care ist Politik

Care-Arbeit ist keine individuelle Veranstaltung. Es gibt kein außerhalb von care-Verhältnissen. Menschen sind soziale Wesen und leben innerhalb von Beziehungen. Unser Zusammenleben ist geprägt von gegenseitiger Verantwortungsübernahme und Sorge umeinander. Für Menschen stellt sich nicht die Frage, ob sie Politik machen oder sich um andere Menschen kümmern möchten. Beides lässt sich nicht unabhängig voneinander denken. Eine Entscheidung dafür, care-Arbeit zu übernehmen (bzw. die Entscheidung vieler Männer eben gerade keine oder kaum care-Arbeit zu übernehmen) ist deshalb bereits eine politische Entscheidung und muss politisch diskutiert werden.

Bis zur Geburt eines Kindes wächst dieses im Bauch einer einzelnen Person, die damit im wahrsten Sinne des Wortes die Last der Schwangerschaft alleine trägt. Mit der Geburt des Kindes werden die Aufgaben, Verantwortungsbereiche und Rollen gegenüber dem Kind neu gemischt. Oder könnten zumindest neu gemischt werden. Besonders unter vielen heterosexuellen Eltern ist es dann aber doch die Mutter, die die Betreuungs-, Versorgungs- und Pflegeaufgaben manchmal alleine oder oft zumindest zum überwiegenden Teil übernimmt. Dass es unter Vätern mittlerweile zum guten Ton gehört, sich gerne mehr um die eigenen Kinder kümmern zu wollen, zeigen viele Studien. In der praktischen Aufteilung von Familienaufgaben schlägt sich das jedoch nur bedingt nieder. Einige wenige »moderne Väter« werden in den Medien begeistert herumgereicht, weil sie sich zumindest ein wenig ums eigene Kind kümmern. Meistens tun sie dies jedoch auch nur im Rahmen eines temporären »Rollentauschs« für einzelne Elternzeitmonate. Selbst (heterosexuelle) Paare, die sich positiv auf Feminismus beziehen und etwas mit Simone de Beauvoir und/oder Judith Butler anfangen können, verfallen jedoch oftmals in weitgehend klassische Rollenmuster, sobald ein Kind hinzu kommt. Oder sie verkaufen ihr vermeintlich gleichberechtigtes Modell als emanzipatorische Lösung, auch wenn die Mutter im Zweifelsfall dennoch diejenige ist, die eher im Blick hat, ob das Kind noch passende Klamotten im Schrank hat und eher mal zu Hause bleibt, wenn das Kind krank ist.

Das Private ist politisch. Zum Beispiel und gerade für Väter. Nicht nur aber besonders im Kontext des Eltern-werdens hat die oftmals unbewusste und doch politische Entscheidung vieler Väter, nur einen Bruchteil der care-Arbeit zu übernehmen, konkrete Auswirkungen auf das Leben anderer Menschen. Durch die Entscheidung nur einen Bruchteil der care-Arbeit zu übernehmen, bleibt der Mehrzahl an Frauen und Müttern keine andere Wahl als genau diese überwiegend oder alleine zu übernehmen. Dazu gehört nicht nur die Sorge um das Kind. Auch die Beziehungsarbeit im Rahmen der Elternpaarbeziehung bleibt vor allem an den Müttern hängen. Beispielsweise wird von ihnen – genauso wie von Frauen in kinderlosen Partnerschaften – vielfach gesellschaftlich erwartet, dass sie es sind, die Problemgespräche einfordern und beginnen, um Beziehungskonflikte anzugehen und zu bearbeiten.

Wenn Väter, aber auch kinderlose Männer, mehr care-Aufgaben übernehmen, ist das kein Rückzug ins Private, sondern notwendiger Beitrag zu politischen Veränderungsprozessen. Ja, dann bleibt weniger Zeit, um die Politgruppe zu treffen. Ja, dann bleibt weniger Zeit, um Geld zu verdienen. Ja, dann bleibt weniger Zeit, um für sich selbst zu sorgen. Es fällt eine gewisse Menge an care-Arbeit an und diese muss erledigt werden. Care ist aber keine Option. Anders als viele andere Arbeit, bleibt die care-Arbeit nicht einfach liegen, wenn sich jemand entscheidet sie nicht zu erledigen. Ein Vater, der das Kind nicht selbst ins Bett bringt, sondern lieber zur spannenden Diskussionsveranstaltung geht, überlässt diese Arbeit in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle einer Frau, die nicht die gleichen Optionen hat, denn von ihr wird die Erfüllung dieser Aufgabe wie selbstverständlich erwartet.

Kinderwunsch

Der Wunsch (eigene) Kinder zu haben, mit Kindern zusammen zu leben und sich um Kinder zu kümmern, ist nichts, was Menschen plötzlich wie ein Blitz trifft und diese von einem Moment auf den anderen verändert und von politisch aktiven individuellen Subjekten zu bürgerlich-konservativen Familienmenschen werden lässt. Es ist wichtig und spannend darüber zu sprechen, wie dieser Wunsch entsteht und auch darüber, dass er von außen nicht an alle Menschen gleichermaßen herangetragen wird bzw. der gesellschaftliche Diskurs darum untrennbar mit (hetero-)sexistischen und rassistischen Vorstellungen verbunden ist. Frauen werden häufiger damit konfrontiert. Von Frauen wird wie selbstverständlich erwartet, dass sie irgendwann Mutter werden, während das Vater-werden für die Selbstverwirklichung von Männern eher eine Option unter vielen ist.

Sehr viele Menschen bekommen Kinder – trotz aller kleineren und größeren Widrigkeiten, Probleme und Hürden. Trotz dieser kaum zu leugnenden gesellschaftlichen Realität beschränken sich Diskussionen in linken Zusammenhängen häufig ausschließlich auf eine Kritik am Konzept Familie als Ganzes. Ob und inwiefern ein Kinderwunsch bzw. eine Familiengründung ein Gegenentwurf zur existierenden Gesellschaft bedeuten kann, hat Lukas Böckmann an dieser Stelle in Ausgabe 47 ausführlich diskutiert, nicht jedoch wie Familie organisiert werden müsste, um eben die außerfamiliären Herrschaftsverhältnisse nicht einfach nur zu reproduzieren. Vor allem Linke eines bestimmten durch vermeintlich radikale politische Aktivität geprägten Alters weisen oftmals jede Form von Kinderwunsch als reaktionäre Ideologie von sich. Und mit genau dieser Argumentation entziehen sich viele Männer jeglicher Verantwortung, sich an der Organisation real existierender Familien zu beteiligen.

Es gibt Kinder von linken und linksradikalen Eltern. Diese Kinder sind da. Egal, wer sich wie und aus welchem Grund dafür entschieden hat. Es muss für diese Kinder gesorgt werden. Männer/Väter können sich weiter darauf ausruhen vermeintlich individuell geringer an der Gründung einer Familie und am Umgang mit Kindern interessiert zu sein. Oder sie können sich bewusst dazu entscheiden real vorhandene Verhältnisse wahrzunehmen und sich innerhalb dieser Verhältnisse solidarisch zu verhalten. Letztendlich betrifft das nicht nur Väter, die selbst Kinder gezeugt haben. Dazu gehört auch, dass Männer nicht auf ihrer vermeintlich individuellen Entscheidung bestehen, keine (eigenen) Kinder gewollt zu haben und sich nicht mit dieser Ausrede aus der Verantwortung für die vorhandenen Kinder zurückziehen, sondern es wie selbstverständlich als Teil ihrer Aufgabe betrachten beständige Beziehungen herzustellen, die auf dauerhafte gegenseitige Verantwortungsübernahme ausgerichtet sind – in einer eigenen Familie, im Rahmen von vergleichbaren Konzepten oder Räumen oder zur Unterstützung bestehender anderer Familien.

Die Natur

In kaum einem anderen Bereich spielt die »Natur« in den Argumentationen eine solch große Rolle wie beim Thema Elternsein. Eine queere Dekon-struktion der Kategorie Geschlecht ist in Bezug auf Geburt und Stillen nicht so einfach und bestimmte Rollen erscheinen zwangsläufig festgeschrieben  und jenseits politischer Aushandlungsprozesse.

Dabei kann es bei einer linken Kritik dieser vermeintlichen Natur keineswegs darum gehen, beispielsweise das Stillen durch Mütter als reaktionär zu diskreditieren. Wenn das Stillen durch die Mutter funktioniert, gibt es gute Gründe sich dafür zu entscheiden. (Es sei zumindest am Rande erwähnt, dass es auch Väter gibt, die mit der eigenen Brust stillen können.) Wenn ein Vater keine Anstalten macht eine große Rolle in der Betreuung und Versorgung eines Babys zu übernehmen, ist das Stillen durch die Mutter sehr praktisch und kann das Leben deutlich vereinfachen. Stillen ist aber zum Glück nicht mehr die Voraussetzung für das Überleben eines Kindes. Es gibt heute die Möglichkeit ein Kind von Geburt an völlig ohne Muttermilch zu ernähren. Damit geht jedem Stillen eine Entscheidung voraus. Und diese Entscheidung ist keine Entscheidung über Leben und Tod, auch wenn besonders in Deutschland Mütter mit wissenschaftlich nicht haltbaren Argumenten wie vermeintlicher Allergieanfälligkeit oder dem abstrakten Schreckensszenario ADHS unter Druck gesetzt werden. Im Idealfall werden im Rahmen der Entscheidungsfindung die Bedürfnisse aller beteiligten Personen berücksichtigt. Wenn ein Kind gestillt wird und sich der  Vater deshalb weniger um das Kind kümmert, dann also nicht, weil er nicht stillen kann, sondern weil die Eltern das (im besten Fall gemeinsam) so entschieden haben. Und auch diese Entscheidung ist natürlich eine politische Entscheidung.

Wie bei jeder Entscheidung lohnt es sich aber auch bei der Frage des Stillens, Alternativen zumindest in Erwägung zu ziehen und Gegenargumente zu berücksichtigen. Zu den Gegenargumenten können auch partnerschaftliche Aspekte zwischen beiden Elternteilen zählen. So ist eine Entscheidung fürs Stillen meistens auch eine Entscheidung dafür, dass die überwiegenden Betreuungs-, Versorgungs- und Pflegeaufgaben gegenüber dem Kind von der Mutter übernommen werden müssen. Aufgrund dessen muss die Mutter eventuell in besonderem Maße ihre eigenen Bedürfnisse zurückstellen, weil es in den seltensten Fällen möglich ist, dass während der gesamten Stillzeit beide Elternteile zuhause bleiben können.

Väter haben die Möglichkeit, die gesellschaftliche Erwartungshaltung an Mütter zu reproduzieren und ihnen den überwiegenden Teil der Betreuungs-, Versorgungs- und Pflegeaufgaben zu überlassen, damit diese in besonderem Maße ihre eigenen Bedürfnisse zurückstellen müssen, ob sie es wollen oder nicht. Oder die Väter können wie selbstverständlich diese Aufgaben selbst übernehmen wollen. Ob eine Mutter ihr Kind mit der Muttermilch besser ernähren kann, ist umstritten. Aber selbst wenn dem so ist: Es gibt immer Menschen, die irgendwas besser können. Wenn alle Menschen alle Arbeit immer nur denen überlassen, die es besser können, würde überhaupt nicht mehr viel getan werden.

Das liebe Geld

Frauen verdienen weniger als Männer. Dass sich das in näherer Zukunft grundlegend ändert, ist nicht abzusehen. Der Gender Pay Gap besteht in den letzten Jahren weitgehend konstant und auf nahezu unverändertem Niveau. In vielen heterosexuellen Familien macht es daher einen spürbaren Unterschied, welches Einkommen für einen bestimmten Zeitraum ausfällt, wenn sich die Person, die bisher dieses Einkommen erzielt hat, innerhalb dieses Zeitraums überwiegend um die Kinderbetreuung kümmert. In der statistischen Mehrzahl der Fälle sind die kurzfristigen finanziellen Einbußen einer Familie geringer, wenn die Frau zuhause bleibt und damit ihr Einkommen wegfällt. Mit Kind steigt das Bedürfnis nach wirtschaftlicher Sicherheit, die finanziellen Einbußen möglichst gering zu halten, wird zu einem echten Argument. Wenn es denn passt, verzichtet kaum ein Elternpaar auf die Nennung eben dieses Arguments, wenn es darum geht zu legitimieren, warum es die Mutter ist, die nach der Geburt überwiegend zuhause bleibt.

Auch wenn der Einkommensausfall zumindest im ersten Jahr durch das Elterngeld zu zwei Dritteln ausgeglichen wird, ist natürlich nicht zu leugnen, dass das wegfallende Drittel einen existenziellen Unterschied machen kann. Nicht oder nur bedingt in die Entscheidung einbezogen werden jedoch häufig die langfristigen Folgen. Die Einkommenseinbußen beschränken sich nicht nur auf das erste Jahr. Selbst wenn Mütter nach einem Jahr wieder arbeiten gehen, schaffen sie es statistisch in ihrem gesamten restlichen Arbeitsleben nicht mehr, das Einkommensniveau derjenigen ohne Kinder zu erreichen. Je nach Branche liegen die Einbußen teilweise deutlich über denen im Elternzeitjahr – und das nicht nur für ein Jahr, sondern für jedes einzelne folgende Jahr der Berufstätigkeit sowie damit zusammenhängend der Rente. Während Arbeitgeber_innen bei Müttern, die zur Kinderbetreuung zeitweise aus dem Beruf ausgestiegen sind, wie selbstverständlich davon ausgehen, dass diese ausfallen, wenn das Kind krank ist und sie deshalb seltener einstellen oder befördern, wird bei Vätern in der Regel davon ausgegangen, dass es da noch jemanden gibt, wenn das Kind mal krank ist. Ein nicht unerheblicher Teil des Gender Pay Gaps, die sogenannte motherhood penalty, entsteht somit gerade erst durch die vermeintlich individuelle Entscheidung, im ersten Jahr nach der Geburt nicht auf das Einkommen des Vaters verzichten zu wollen. Diese langfristigen Konsequenzen werden in den meisten Fällen – anders als im ersten Jahr nach der Geburt – dann auch nicht mehr gemeinsam abgefedert. Es kann heute nicht mehr davon ausgegangen werden, dass Elternpaare bis zur Rente und darüber hinaus finanziell füreinander einstehen (völlig abgesehen davon, welche einseitige Abhängigkeit dieses Konzept des individuellen Füreinander-einstehens erzeugt). Eltern trennen sich. Die Mütter sind mit ihren langfristigen finanziellen Einbußen dann alleine und auch die gesetzlichen Unterhaltspflichten beschränken sich auf wenige Jahre nach der Geburt eines Kindes und berücksichtigen nicht die langfristigen Auswirkungen.

Väter können diese wirtschaftlichen Risiken der Mutter überlassen oder von Beginn an auch die langfristigen Folgen im Blick haben. Ob dann der geringere Einkommensausfall innerhalb des ersten Jahrs nach der Geburt noch so ins Gewicht fällt, darf bezweifelt werden. Wahrscheinlicher scheint, dass auch dieses häufig vorgebrachte Argument nur eine Ausrede ist, die viele Väter bewusst oder unbewusst nutzen, um sich nicht aus ihrer Komfortzone herausbewegen zu müssen.

Der gate-keeping Mythos

Väter müssen also – nicht nur dort, aber vor allem innerhalb der eigenen Familie – mehr care-Arbeit übernehmen. Aber werden sie von ihren Partner-innen überhaupt gelassen? Die Betreuung, Versorgung und Pflege eines Kindes ist vor allem am Anfang ein 24-Stunden Job. Was alles zu tun ist, reicht, um auch zwei Menschen ausreichend zu beschäftigen. Während es als selbstverständlich erachtet wird, dass der überwiegende Teil der Betreuungs-, Versorgungs- und Pflegeaufgaben von der Mutter übernommen wird, können sich Väter aussuchen, inwieweit und in welcher Form sie sich daran beteiligen. Auch wenn es für viele Mütter nicht einfach ist, entgegen der gesellschaftlichen Rollenerwartung die ihnen übertragene care-Verantwortung abzugeben oder zu teilen, gibt es wohl kaum eine Mutter, die über ein Unterstützungsangebot im Umgang mit dem eigenen Kind unglücklich ist. So, wie sich einige Väter anstellen, ist es jedoch für eine Mutter manchmal einfacher, die Aufgaben schnell selbst zu erledigen, als den Vater erst mühsam einzuweisen.

Eltern sind unterschiedlich. Manchen fällt es leichter sich auf ein Kind einzulassen, manche müssen sich erst dazu überwinden. Auch Müttern wird ihre Beziehung zu einem Kind nicht einfach mit in die Wiege gelegt. Mütter, die ein Kind gebären, haben es bis zur Geburt zwar schon neun Monate mit sich herumgetragen, aber auch sie sehen es nach der Geburt zum ersten Mal. Auch viele Mütter sind am Anfang unsicher, wie sie mit einem so kleinen Menschen umgehen sollen. Auch Mütter verstehen nicht von Beginn an alle Signale eines Kindes, mit denen es auf die eigenen Bedürfnisse aufmerksam macht.

Beginnend in der Kindheit durch das Vorbild der eigenen Eltern, Kinderbücher, geschlechterdifferenzierte Spiele und viele weitere Aspekte im Laufe des Heranwachsens im Rahmen der gesamten Sozialisation werden unterschiedliche Rollenbilder und Rollenerwartungen in Bezug auf Mädchen und Jungen bzw. Frauen und Männer hergestellt und reproduziert. Inwiefern eine Mutter ganz individuell die Möglichkeit hat, die an sie herangetragene Verantwortung abzugeben bzw. sich davon zu befreien und den Vater zu beteiligen, liegt allerdings auch daran, wie sich dieser anstellt. Wer wie selbstverständlich auch unangenehme Aufgaben selbstverantwortlich übernimmt, wird in den seltensten Fällen davon abgehalten. Wer jedoch ständig danach fragt, wo denn jetzt die Windeln aufbewahrt werden, ob das Kind Hunger habe, nicht im Kopf hat, wann die nächste Untersuchung beim/bei der Kinderarzt/-ärztin ansteht oder sich nur die schönen Aufgaben aussucht, ist im Zweifelsfall keine Unterstützung, sondern eine zusätzliche Belastung. Es ist nicht die Aufgabe der Mutter, den Vater im Umgang mit dem Kind einzuweisen. Die Mutter muss sich in den meisten Fällen auch selbst darum kümmern und lernen, ihren Umgang mit Kind zu gestalten und diesen im Zweifelsfall auch selbstständig ohne den Vater organisieren.

Auch in linken Zusammenhängen gibt es ein erstaunliches Verständnis für Väter, die sich darüber beschweren, dass die Mütter ihrer Kinder ihnen den Zugang zu ihrem Kind verwehren. Wer von Geburt an wie selbstverständlich eigenverantwortlich große Teile der Betreuungs-, Versorgungs-, Pflegeaufgaben sowie der Alltagsorganisation übernommen hat, darf sich gerne beschweren, wenn die Mutter das irgendwann nach einer Trennung plötzlich nicht mehr zulässt. Meistens sind dieser Beschwerde jedoch andere Entscheidungen der Väter vorausgegangen. Eine einmal getroffene Entscheidung, der Mutter den größten Teil dieser Aufgaben zu überlassen, ist später schwer wieder rückgängig zu machen. Wer jahrelang eher als Wochenendpapa oder als vermeintlich engagierter Vater im Rahmen des bereits beschriebenen »Rollentauschs« innerhalb von einzelnen Elternzeitmonaten aufgetreten ist, wer Vollzeit gearbeitet hat, wer sich ums Durchschlafen, den Kitaplatz oder die Krankheit des Kindes bisher kaum Gedanken machen musste und dann im Falle einer Trennung von der Mutter plötzlich Ansprüche stellt und mehr für das eigene Kind da sein möchte, braucht sich nicht wundern, wenn die Mutter erst einmal skeptisch ist.

Fazit

Familien bilden keinen Raum außerhalb der sex-istisch strukturierten Gesellschaft. Trotzdem oder gerade deshalb tragen Väter Verantwortung auch für ihre vermeintlich individuellen Entscheidungen innerhalb der eigenen Familien. Eine politische Diskussion um die Handlungsoptionen von Vätern gibt es bisher nicht oder nur sehr ungenügend. Jeder Vater hat vermeintlich individuelle Gründe, sich der Verantwortung zu entziehen. Die meisten dieser Väter nutzen wie selbstverständlich, ihr gesellschaftliches Privileg viele ihrer Entscheidungen bisher nicht genauer hinterfragen zu müssen. Väter müssen sich mit ihren Handlungsoptionen einer politischen Diskussion stellezn.

Jochen König

Der Autor lebt mit seiner fünfjährigen Tochter in Berlin. Sein Buch Fritzi und ich. Von der Angst eines Vaters, keine gute Mutter zu sein ist 2013 im Herder-Verlag erschienen.