The Man who wasn´t there

Das Ende der großen Sinnstiftungen und die unannehmbare Existenz des Nichts

Das bürgerliche Subjekt hat das Dasein stets als Seiendes im Sinne von Vorhandenheit und Anwesenheit betrachtet; die Gesellschaftskritik ist ihm hierin blind gefolgt. Dementsprechend ging die Suche nach den Konstitutionsbedingungen und dem Sinn des Daseins, dem Grund der Dinge und der Existenz von der Möglichkeit ihrer positiven Bestimmbarkeit immer schon aus. Den Versuch, seine Bestimmung systematisch zum Abschluß zu bringen, fand das Dasein im Zuge der Aufklärung, als deren Kulminationspunkt sich Hegels absoluter Geist und die Vergesellschaftung desselben durch die Marxsche Kritik der Politischen Ökonomie begreifen läßt.

Die Glaubwürdigkeit der großen Systeme wurde jedoch bereits gegen Ende des 19. Jahrhunderts fragwürdig. Die endgültige Delegitimierung der Idee einer bestimmbaren gesellschaftlichen Totalität - und zwar sowohl im affirmativen Sinne eines organisch-harmonischen Ganzen (wie in der bürgerlichen Wissenschaft, die zu Zeiten der Aufklärung noch auf die Ideale von Wahrheit und Vernunft zielte, bevor sie eine pragmatische und instrumentelle Vernunft im Sinne einer bloßen Funktionalität des Wissens verfolgte), als auch im Sinne eines kritischen Totalitätsbegriffs, der die gesellschaftliche Einheit als antagonistisch und krisenhaft darstellt und mit dieser Darstellungsweise zugleich eine emanzipative Kritik fördern will (Marxismus, Kritische Theorie) - die endgültige Delegitimierung also fällt in die Zeit nach dem 2. Weltkrieg. Seitdem verspricht die Postmoderne ein Ende der "großen Erzählung" und den Beginn einer neuen Epoche, von der aus sich der Widerspruch von affirmativer bürgerlicher Gesellschaftstheorie einerseits und radikaler Gesellschaftskritik andererseits als überkommenes Gegensatzdenken ausnehmen soll.
Denn weil die Methode der radikalen Gesellschaftskritik der bürgerlich-aufklärerischen Vorstellung einer Bestimmbarkeit und positiven Begründung des Daseins gefolgt ist, ja sogar ihr kritisches Potenzial darin geltend machen wollte, die idealistische Begründung des Daseins historisch-materialistisch zu "verwirklichen" und das Dasein in der Geschichte, in der Praxis (der menschlichen Arbeit) und den Widersprüchen (Klassengegensatz) der Gesellschaft zu "erden", darum haben die Krise und der Niedergang der bürgerlich-idealistischen Legitimationsphilosophie ihre linke Kritik nicht gestärkt, sondern mitgerissen: Beide verfielen gleichermaßen der dezentrierenden und dekonstruktiven Kritik postmoderner Erzählungen.
Mittlerweile scheinen auch die postmodernen Versprechungen erschöpft. Doch die radikale Linke, zumindest in Deutschland, hat das kritische Potenzial der Postmoderne ignoriert, ja z.T. nicht einmal wahrgenommen. Es stellt sich sogar die Frage, ob die postmoderne Kritik - vor allem ihre Frage nach der Produktion von Bedeutung und ihre Kritik des Identitätsdenkens und des Essenzialismus - nicht gerade gerechtfertigt wird durch ein linkes Selbstverständnis, das die Voraussetzungen seiner Kritik- und Politikfähigkeit eben nicht weiter und nicht anders vergewissern kann als auf eine positive Seinsordnung hin, auf eine latente Vernunft in der geschichtlichen Entwicklung und ein zu befreiendes Potenzial in der Gesellschaft. Ihr kritischer Impuls gegenüber der bürgerlichen Theorie und die Emphase der antikapitalistischen Praxis scheint sich darin zu erschöpfen, daß diese Ideale, die höhere Vernunft und das unterdrückte Potenzial, als noch nicht endgültig zu sich gekommen angenommen und daher als erst noch zu verwirklichen ausgegeben wird.
Dabei hat diese Kritik die bürgerlich-kapitalistische Gesellschaft nicht nur wie einen äußerlichen, positiv gegebenen Gegenstand aufgefaßt und ausgedrückt und die Existenz der Gesellschaft nicht nur auf eine letzte Bestimmtheit und einen höheren Sinn hin befragt, sondern auch das Subjekt der Erkenntnis und der Kritik als selbstverständlich hingenommen. Gesellschaftskritik auch als Subjektkritik, ja als Selbstkritik anzusetzen, erscheint dem linken Selbstverständnis als ein haltloses und unnützes Unterfangen, ja mehr noch: als Existenzbedrohung.
Nun gibt es einen Film, der eben diese Haltlosigkeit verfolgt, dabei die andere, dem linken Selbstverständnis verstellte und unannehmbare Seite des Daseins freilegt und systematisch um den kritischen Kern der Postmoderne kreist. Zugleich läßt sich dies aber auch als "Umstülpung" der bisherigen, auf Emanzipation zielenden Gesellschaftskritik begreifen, als eine radikale Konsequenz aus dem Niedergang radikaler Kritik und Darstellung ihrer Unmöglichkeit.
Denn während die Gesellschaftskritik des Marxismus-Leninismus noch von der Emphase eines Fortschrittsoptimismus und Entwicklungsdenkens getragen wurde, einer gediegenen Geschichtsmetaphysik, die in der geschichtlichen Entwicklung und im Kapitalprozeß einen höheren Sinn fand, den als "historische Mission" zu erfüllen wiederum ein Subjekt bestimmt war, das nur noch sich selbst als das allgemeine Wesen der Gesellschaft und der Geschichte erkennen und aneignen muß - das Proletariat -, ist diese Emphase in der Kritischen Theorie Horkheimers und Adornos verloren. Der entwickelte Kapitalismus drängt weder zur Emanzipation noch bringt eine "vergesellschaftete Gesellschaft" ihre eigene Kritik hervor; der Nationalsozialismus läßt sich endgültig in keinen Fortschrittsoptimismus mehr einreihen, und angesichts des Holocaust, dem absolut Negativen, hat die Suche nach dem Sinn und nach der Vernunft in der gesellschaftlichen und geschichtlichen Entwicklung selbst ihre Legitimität verloren.
Der Film The man who wasn´t there holt diese Unmöglichkeit ein, das Dasein der modernen Gesellschaft irgendwie zu begründen und seinen Sinn positiv zu bestimmen. Sein kritischer Gehalt steckt in der postmodernen Frage nach der Produktion von Bedeutung. Dabei muß die Methode der Bedeutungsproduktion zugleich auch unhintergehbar als Begründung des Daseins und unmittelbar als Existenzweise angenommen werden. Der kritische Kern aber liegt nicht darin, die Methode der Bedeutungsproduktion zugleich als konstitutiv für das Dasein und seinen Sinn darzustellen, sondern dabei den Abgrund im Dasein zu offenbaren, in dem sein Sinn ruht. Dieser Abgrund wird als die Methode selbst bestimmt: Er ist das Paradox, daß das Dasein existiert als die positive Bedeutung seiner Negativität; Produktion von Bedeutung durch Nichts.
 

Die konstitutive Anwesenheit des Nichts

"Warum ist überhaupt etwas und nicht vielmehr Nichts?" Die Art und Weise dieser metaphysischen Grundfrage an das Dasein hat sich eine Antwort verstellt, vielleicht die entscheidende: das Nichts ist, mehr noch: es existiert. Im Film ist es der Friseur Ed. Ed ist der Mann ohne Eigenschaften, die gleichgültige Teilnahmslosigkeit, die sich blaß und emotionslos entzieht wie der Rauch seiner Zigaretten.
Allein, dieses Nichts ist entscheidend für das Sein. Das Nichts ist die Leerstelle, die sich auftun muß, um dem Sein seinen Spielraum als Dasein zu eröffnen, es ist die Differenz, die sich ereignen muß, damit die Kette der Ereignisse überhaupt Bedeutung stiftet, es ist der konstitutive Mangel, der, indem er etwas zu verbergen scheint, das Begehren von etwas hervorruft.
Weil also das Nichts selber ist, darum ist überhaupt auch etwas. So steht das Nichts im Dasein, aber indem es sich in dessen Ereignissen entzieht, nur als das Abwesende anwesend wird und als diese Leere im Dasein wirksam ist.
Doch dies Geheimnis der Macht des Nichts muß auch dem Nichts selbst ein Geheimnis bleiben. Niemals kann das Nichts den Grund seiner eigenen Existenz begreifen, denn es ist immer nur der Grund dafür, daß irgend etwas anderes ist. Und so stellt Ed, der das Nichts markiert, sich die Frage, warum überhaupt etwas ist, warum die Haare, die man schneidet, einfach weiterwachsen. Doch damit zeigt sich, daß diese Frage nach dem Grund und dem Sinn des Daseins sich ebensogut vom Nichts ausgehend stellen läßt, so wie Ed, der an seiner eigenen Grundlosigkeit zugrunde geht: Ed leidet nicht an einer aus den Fugen geratenen Welt, er hat auf der Welt nichts verloren, und so ist er auch keiner von den Getriebenen auf der verzweifelten Suche nach dem Objekt ihres Begehrens, er ist einfach nur das leidenschaftslose, daseiende Nichts, umgetrieben allein von der eigenen Grundlosigkeit. Damit aber ist Ed, wie wir später erfahren, der ganz normale Mensch, einer wie jeder. Darum fragt er nicht nach der Wahrheit oder dem Grund des Daseins, er verfolgt kein Ziel und keinen Sinn, seine Frage zielt eher darauf, warum all dies nichts bedeutet, warum es all dies nicht gibt, und er ahnt: Er selbst ist die Antwort.
 

Die Frage nach dem Ursprung: Wie nichtet sich das Nichts, wie ereignet sich das Ereignis?

Der Ursprung des Nichts ist, daß es sich selbst nichtet, so daß das Nichts existiert und Bedeutung produziert. Doch wenn die Welt so immer schon im Nichts gründet und das Nichts schon anwesend ist, wie muß dann dieser paradoxe Schöpfungsakt eines Nichts ex-nihilo angenommen werden? Wie bestimmt und entscheidet sich das Nichts zu sich selbst, wie gründet und eröffnet es sich, und zwar so, daß es in eins damit das Dasein und seine Bedeutung ermöglicht?
Das Nichts eröffnet die Freiheit eines Spielraums, in dem sich etwas ereignet; es bringt sich so als die Freiheit ins Spiel. the man who wasn´t there, ist genau diese Öffnung, die unmittelbar den Freiraum des Nichts im Dasein eröffnet hat. Das Nichts ist das Herausfallen aus dem Sein, das Überschreiten der Welt, die aus den Fugen gerät, aber das Nichts ist dieser Exzeß des Seins gerade als Eigenschaftslosigkeit und Teilnahmslosigkeit, als die vollkommene Gleichgültigkeit gegenüber den Ereignissen, in denen es existiert. Doch wie hat sich nun dieses konstitutive Nichts ins Spiel gebracht? Wenn das Nichts der Grund des Daseins ist, kann es selbst ja nicht in irgendetwas gründen, es kann aber auch nicht im Nichts gründen, das es ja selber ist. Das Nichts ist daher nur, indem es wird, und d.h., indem es sich selbst übersteigt: sein Ursprung ist das Transzendieren. Ed überwindet sich selbst, er entschließt sich zu einem Entwurf: Er schließt einen Vertrag auf die Zukunft ab, in die er investiert; er besorgt, ja er erpreßt sich das Geld, um es zu vermehren; er geht eine Wette auf die Zukunft ein und spekuliert auf einen Gewinn. Dieser Versuch, sich selbst zu übersteigen und so allererst zu ermöglichen, d. h. sich selbst zu verwirklichen, indem das zukünftige Werden schon vorausgesetzt wird, dies ist, genau wie die Methode der Kapitalverwertung G-G`, die Art und Weise, wie aus dem Nichts heraus etwas vorweggenommen wird, damit es sich überhaupt erst ereignet. Das Nichts ist der vorausgesetzte Mehrwert.
 

Die Teilnahme und das Wesen des Nichts

Das Nichts selbst ist die Spannung in dem Bogen von Nichts zu Nichts, der sich im Film aufspannt: Vom Nichts, das existiert, indem es sich selbst überstiegen hat, das als das Abwesende anwesend ist und konstitutiv wird für die unendliche Kette der Ereignisse, ohne sie je zu erfüllen oder zum Abschluß zu bringen - Ed repräsentiert immer nur die Leerstelle, er füllt die Differenz zwischen den Ereignissen und bildet ihre negative Einheit in all den Versuchen, sich selbst ins Spiel zu bringen und hinter das Geheimnis seiner selbst zu gelangen - bis Ed dieses Geheimnis der eigenen Existenz erfährt, aber wiederum nur in der Erfüllung seiner selbst: indem er zum Tode verurteilt wird.
So fällt Ed im ersten Teil des Films stets heraus. Er wird durch die Ereignisse, die er bewirkt, herausgekürzt, aber so, daß er als ein Überschuß im Spiel ist, durch den die Ereignisse erst in Gang geraten, sich verketten und ihre Bedeutung übertragen. Aber dieses Nichts als Mehrwert, der nichts anderes ist als die Freiheit, etwas zu ereignen, beschließt kein Ereignis und erfüllt keine Bedeutung, er ist nur die ständige Verschiebung. Ed kann weder sich selbst verwirklichen noch ein Ziel erreichen, er ist bedeutungslos und wird nur als die Wiederholung der Differenz wirksam. Das Nichts stiftet keine Bedeutung, sondern es verwirklicht sich tatsächlich selbst, aber es ist gerade darin Nichts, daß es seine Bedeutungslosigkeit durch Bedeutung darstellt. Selbst da, wo Ed sich auf sich selbst beruft, wo er sich einbringen und gestehen will, wird er entweder übergangen (wie in der Szene, als Ed sich den Polizisten offenbaren will), oder seiner Geschichte wird nicht die von ihm erwartete Bedeutung beigemessen (als Ed, nachdem seine Frau an seiner statt verdächtig wird, sich als den wahren Täter erklären will). Ja, mehr noch: Eds Versuche, selber Sinn zu erzeugen, sich ins Spiel zu bringen und Gewinn zu erzielen, enden für ihn stets katastrophisch: Seine Investition endet in einem Totschlag, und zwar genau, als sich herausstellt, daß Ed hinter der Erpressung des investierten Geldes steckt. Nachdem der Versuch, in seine Zukunft zu investieren, gescheitert ist und Ed sich nun wenigstens für einen andern einsetzen will, für ein Mädchen, dem er ein Vorspiel bei einem einflußreichen Musiklehrer arrangiert, ereignet sich ein Autounfall in dem Moment, als das Mädchen sich "erkenntlich" dafür zeigen will.
Der Einsatz des Nichts ist also der letzte, aber wiederholte Grund des Seins. Als das Fehlende ermöglicht es erst die Verschiebung der Bedeutung, so daß sich die Kette der Ereignisse überhaupt erst als Geschichte abbilden kann; aber gerade darum kann das Nichts selber nicht an seinen Ursprung zurück. Es verschiebt sich, ersetzt dabei eine Bedeutung durch eine andere und setzt so ständig einen neuen Bedeutungsursprung.
Als Ed daher nach dem Unfall nun umgekehrt stets in das Geschehen einbezogen wird, insofern, als er verantwortlich gemacht und angeklagt wird, hat sich alles verschoben: Er wird für den Totschlag angeklagt, den wiederum der von ihm Getötete zuvor begangen hat. Am Schluß, hingerichtet auf dem elekrischen Stuhl, findet Ed sich selbst, das Nichts wird selbst nichtig: es ist nur noch gleißendes Licht, reines Sein.
Sobald sich das Nichts also übersprungen und darin selbst erst ins Spiel gebracht hat, zeitigen sich die Effekte des Nichts im Sein als Ereignisse - aber diese Ekstase des Nichts ist seine Normalität. Das Nichts ist die Beliebigkeit der Geschichten, die es erzählt, die Kontingenz der Notwendigkeit, daß sie erzählt werden und als die Nutzlosigkeit ihres Fortschreitens.
 

Die Bedeutung des Nichts, und wie es sich aussagen läßt

Das Sein gründet im Nichts, und es ist im Grunde das Nichts, das sich ereignet und das Geheimnis des Daseins bildet. Ed spürt dies als sein Geheimnis, ja er weiß, was alle anderen nicht wissen: daß er, daß Nichts hinter allem steckt. Aber er kann mit diesem Geheimnis nichts anfangen. Nicht, weil er noch nicht hinter das Geheimnis gelangt wäre, sondern weil das Nichts das Geheimnis des Seins als Geheimnis ist: Die Bestimmung des Seins, seine letzte und höchste, seine absolute Bestimmung, ist das Nichts.
Es liegt daher in der Bestimmung des Nichts, daß es nicht nur sich selbst nichts bedeutet, sondern sich selbst auch nicht darstellen kann. Aber ohne Nichts wäre auch keine Bedeutung. Darum läßt sich das Nichts aussagen, d.h. es fordert jemanden heraus, der für es spricht. Es ist Eds Anwalt. Der steht vor dem Gerichtshof, der Instanz der versammelten Vernunft, die hinter das Geheimnis kommen will, und der Anwalt des Nichts verkündet sein Geheimnis: nämlich daß das Geheimnis Geheimnis bleiben muß.
Denn auch er kennt das Geheimnis nicht, doch er spricht es aus, indem er rein negativ beweist, daß Ed nicht schuldig sein kann: Man kann Eds Schuld nie feststellen, ja jeder Versuch, überhaupt hinter die Wahrheit zu kommen und ein Geschehen und seinen Grund zu rekonstruieren, muß ins Nichts fallen. Eds Verteidiger drückt dies in Analogie zur Heisenbergschen Unschärferelation aus, wo der Prozeß der Messung und Feststellung der "Tatsachen" selber konstitutiv in das Festzustellende eingeht, und zwar so, daß dieses dadurch notwendig unscharf wird. Die Pointe ist, daß die Unschärfe nicht ein zu behebender Mangel bleibt, sondern die Unschärfe selber die "exakte" und "letzte" Bestimmung dessen ist, wonach gesucht wurde.
Wenn das "wirkliche" Geschehen nicht feststellbar ist, dann ist eine Geschichte so gut wie die andere, und es kommt nur darauf an, überhaupt eine zu erzählen. Entscheidend für die Bedeutung ist nur das Daß: daß sie gesucht wird, daß sie angenommen wird, irgendwo da draußen. Die Suche selbst ist das Ereignis, das Ereignis, in dem sich Bedeutung allererst herstellt, und eben darum entzieht sich die Bedeutung in der Annäherung und Fixierung. Deswegen ist die Frage des Gerichts "Wenn Ed es nicht war, wer denn dann?" auch niemals das Problem der Verteidigung, sondern immer nur das der Anklage und des Gerichts, die nach der Wahrheit suchen müssen, sie aber nie feststellen können.
 

Der erhabene Augenblick der Wahrheit

Eine Geschichte zählt also so viel wie jede andere, es geht nur darum, daß eine Geschichte erzählt wird und darum, eine gute zu erzählen. Was zählt, ist nicht die letzte Gewißheit und nicht das Wissen einer objektiven und universellen Wahrheit, sondern der Wille zu glauben. Als die Frau des von Ed getöteten Mannes erzählt, Außerirdische seien für seinen Tod verantwortlich, wirkt diese Geschichte noch lächerlich. Als Ed zuletzt in der Todeszelle sitzt und, nun ganz bei sich selbst, seine Geschichte aufschreibt und nach dem Sinn des Ganzen grübelt, d.h. nach dem Grund der eigenen Existenz, kommt ihm die Erleuchtung. Ein Licht erscheint, die Türen des Gefängnisses öffnen sich, Ed tritt hinaus ins Licht, und er sieht, kurz vor seiner Hinrichtung, das Erhabene. Es ist das Ufo.
 

Das Nichts als Exzeß der Gleichgültigkeit einer aus den Fugen geratenen Welt

Ed gibt an, nichts zu bereuen. Und tatsächlich kann er gar nicht einer Welt gegenüber schuldig werden, die umgekehrt ihm, dem Nichts, ihre Existenz schuldet. Ed ist nur der Friseur, die verschwundene Vermittlung als die Ekstase der Normalität der aus den Fugen geratenen Welt der Wirtschaftswunderjahre, wo der große Bogen der Aufklärung sich herabgesenkt hat und das Ende der großen Sinnstiftungen, den Verlust der letzten Gewißheit und den Anspruch auf universelle Wahrheit und die Emanzipation des Menschen markiert, wo also die Aufklärung sich selbst aufhebt, indem sie nur noch den Willen zu glauben übrig läßt.


Das IM fragt nach der Möglichkeit einer Kritik der kapitalistischen Gesellschaft und ihres bürgerlichen Subjekts. Wie kann eine solche Kritik sich überhaupt begründen, wenn der Standpunkt, die Darstellung und die Methode der Kritik des Kapitals und des Subjekts diesen selbst geschuldet sind und als Momente ihrer Rekonstitution in ihre Affirmation umkippen?

www.methodenkritik.net oder


www.wertkritik.de



Frank Engster
Institut für Methodenkritik (IM)