Revolution zwischen Reform und Post

Die staatlichen Anti-Nazi-Initiativen fordern von der Antifabewegung eine Reflektion ihrer Politik. Im Vorfeld des Antifakongresses zeigten sich vor allem zwei Positionen, die eine deutliche Änderung der bisherigen Praxis vorschlagen und gegensätzlicher nicht sein könnten. Eine Kritik der zugrunde liegenden Analysen und sich abzeichnender Konsequenzen scheint unumgänglich.

Kontinuität...

Auf jede Veränderung gibt es zwei mögliche Arten der Reaktion. Entweder wird sie zum grundlegenden Wandel erklärt oder ihr wird jegliche Relevanz abgesprochen, da im wesentlichen alles beim alten geblieben sei. Beiden Haltungen entsprechen politische Konzepte. Entweder wird die neue Situation zum Anlass genommen, die bisherigen Strategien grundsätzlich in Frage zu stellen, oder es wird darauf beharrt, dass die grundsätzliche Ausrichtung des eigenen Kampfes berechtigt war und deshalb lediglich geringfügige Anpassungen an den bestehenden Konzepten vorzunehmen sind.

Im Zusammenhang mit der rot-grünen Regierungspolitik und ihrer Besetzung des Antifaschismus finden sich innerhalb der Antifabewegung beide Positionen.

Die Analysen für die verschiedenen Ansätze betonen dabei unterschiedliche Aspekte des zivilgesellschaftlichen Antifaschismus. So zeigt ein Blick in die Provinzen, wie wenig sich tatsächlich durch die Berliner Antinaziinitiativen vor Ort ändert. Wo bisher ein rechter Konsens vorgefunden wurde, hat sich mit den Aufrufen zum allgemeinen Aufstand der Anständigen oft gar nichts bewegt. Als beispielhaft für diese Kontinuität kann auch dieses Mal wieder Wurzen gelten, wo die u.a. vom Stern gesponserte HipHop-Tour gegen rechte Gewalt »Die Leude wolln dass was passiert« von Nazis angegriffen wurde, während die Polizei Desinteresse demonstrierte. Auf die Veröffentlichung dieser Vorfälle überlegen offizielle Stellen, mit Verleumdungsklagen zu reagieren. Hier hat sich nichts geändert und wird sich wohl auch nichts ändern, auch wenn in den Kleinstädten drei Hügel weiter gegen jeden NPD-Aufmarsch mit einem Volksfest protestiert wird.

Dafür, wie wenig solche zivilgesellschaftlichen Happenings zu bedeuten haben, gab es ja bereits ein eindrucksvolles Beispiel, als die gesamte BRD ihre Betroffenheit über die Anschläge auf Asylheime in Form von Lichterketten inszenierte. Auch damals hätte durchaus Grund zu der Annahme bestanden, hier fände eine notwendige zivilisatorische Korrektur der deutschen Zustände statt. Doch dieser oberflächliche Eindruck erwies sich schon damals als falsch. Die Zivilgesellschaft ist ein Projekt der nationalen Identität , das sich eben auch der Nazibewegung bedient, um sich ihrer selbst durch Abgrenzung zu vergewissern. In ihm geht es nicht um den Kampf gegen nationalsozialistische Ideologeme, Rassismus oder autoritäre Staatsanrufungen, in ihm geht es um die Repräsentation eines selbstbewussten, mit seiner Geschichte im reinen befindlichen Deutschlands.

Entsprechend naheliegend ist es, eine sehr zaghafte Prognose betreffs der Zurückdrängung der Naziszene auszusprechen. Zwar ist gegenwärtig tatsächlich eine Zunahme des Repressionsdrucks zu verzeichnen. Dessen Reichweite ist aber begrenzt. In seinem Zentrum steht die NPD und ihre Aktivitäten, was eine weitere Parallele zur Entwicklung der 90er Jahre darstellt. Auch damals wurden die legalistischen Strukturen der Nazibewegung zerschlagen, die aber, zunächst im Osten und inzwischen auch bundesweit, ihreStärke in kaum organisierten Kameradschaftsstrukturen und Cliquen hat. Wenn deren organisatorisches Rückgrat mit der NPD zusammenbricht, mag das ein Schutz für staatliche Institutionen sein, auf der Ebene des alltäglichen Naziterrors ändert sich allerdings nichts. Gerade die eher schwach organisierten, subkulturell ausgerichteten Strukturen, die sich als radikale Variante des allgemeinen Volksempfindens verstehen, stellen eine tatsächliche Bedrohung dar und waren in den letzten Jahren sowohl das zentrale Rekrutierungsfeld der Naziorganisationen als auch der wesentliche Teil ihrer gesellschaftlichen Bedeutung. Vor allem im Umfeld des Antifaschistischen Infoblatts (AIB) führt diese Form der Analyse zu der Behauptung, mit dem Einsetzen des zivilgesellschaftlichen Antifaschismus habe sich eigentlich nichts geändert. Folglich ginge es nach wie vor darum, Strukturen gegen die Nazis - besonders im ländlichen Raum - zu unterstützen. Also konkrete Projekte und alternative Jugendzentren zu beraten und publizistisch zu begleiten. Denn das ansonsten eher irreführende Gerede von regierungsamtlicher Seite und den Eliten der bürgerlichen Gesellschaft über ihr Engagement gegen Rechts habe zumindest ein Gutes, die Chancen für breite Bündnisse in konkreten Fragen seien deutlich besser geworden. Hier gelte es, die Lippenbekenntnisse in materielle Unterstützung umzuwandeln und womöglich, wie die Aktion Noteingang in Brandenburg und andere Opferberatungsprojekte, sich institutionalisierter Förderung zu versichern.

... und Wandlung

Dieser Einschätzung entgegengesetzt ist eine Analyse, die durch das Einsetzen des rot-grünen Antifaschismus, die Bedeutung dieses, in den 90er Jahren zum entscheidenden Praxisfeld der radikalen Linken in der BRD mutierten Politikbereichs für grundsätzlich revisionsbedürftig hält. Ausgangspunkt für diese Analyserichtung ist die Selbstbeschreibung vieler Antifagruppen als Verfechterinnen eines revolutionären Antifaschismus. Dabei wurde Antifa anknüpfend an die Entwicklung der autonomen Bewegung Ende der 80er Jahre als Teilbereich einer Gesamtbewegung mit revolutionärem Anspruch gesehen. Die Funktion des Antifaschismus wurde in diesem Zusammenhang häufig als Politisierungsfeld und Anknüpfungspunkt für eine vorzunehmende Vermittlung grundsätzlicher Gesellschaftskritik gesehen, nicht aber als ein Zweck in sich selbst.

Mit dem Einsatz des Antifaschismus als Teil des Regierungsprogramms wird eine solche Ausrichtung fragwürdig, muss doch jetzt gefragt werden, inwiefern unter den gegebenen gesellschaftlichen Bedingungen Antifa überhaupt noch geeignet ist, eine radikale Gesellschaftskritik zu vermitteln und somit als Ausgangspunkt einer revolutionären Praxis zu dienen. Schließlich drängt sich nach der feindlichen Übernahme von Angriffspunkten und sogar Analysefragmenten der Antifa durch die exponierten RepräsentantInnen von Staat und Gesellschaft der Verdacht auf, Antifaschismus sei ein Projekt zur Rettung des bürgerlichen Staates und seiner zivilen Gesellschaft vor dem Faschismus.

Die Anerkennung des bürgerlichen Antifaschismus macht die Konzeption von Antifa als revolutionärem Teilbereich aber auch aus einer anderen Perspektive fragwürdig. Wenn es tatsächlich einen Unterschied zwischen dem bürgerlichen Staat und einer nationalsozialistischen oder faschistischen Diktatur gibt, dann muss auch gefragt werden, ob mit der linksradikalen Aufladung von Antifa nicht der Verhinderung dieser diktatorischen Staatsformen unnötige Hürden in den Weg gelegt werden. Wenn innerhalb der antifaschistischen Kräfte eine Konkurrenz um den »wahren Antifaschismus« entbrennt, der notwendiger Weise kapitalismusüberwindend sein müsse, dann werden damit breite Bündnisse gegen die Gefahren einer erfolgreichen Nazibewegung ohne Not behindert.

Der Rückzug der radikalen Linken aus dem Politikbereich Antifaschismus kann dieser Analyse zufolge also mehrere positive Konsequenzen haben. Zum einen wird das direkte Ziel des Antifaschismus, der Kampf gegen eine Nazibewegung und ihre gesellschaftlichen Erfolge, wieder ernster genommen und mit neuen Möglichkeiten ausgestattet. Zum anderen ermöglicht es die Abkehr der radikalen Linken von einer Praxis, die eng an die Existenz und Bedeutung einer Nazi bewegung gekoppelt ist und damit, sich auf ihre direkten Ziele zu konzentrieren. Diese Ziele sind die grundsätzliche Kritik am herrschenden gesellschaftlichen Zustand und die Organisation einer Bewegung, die dessen Abschaffung will.

Was in diesem Zusammenhang der Antifabewegung der 90er Jahre nicht nur von VertreterInnen der Antifaschistischen Aktion Berlin (AAB) vorgeworfen wird, ist, durch den Mangel an gesamtgesellschaftlicher Kritik und in der Hoffnung, dies allein durch ein militantes Infragestellen des Gewaltmonopols des Staates zu kompensieren, eine Politik betrieben zu haben, die der BGS heute konsequenter und effektiver zu Ende führen kann. Antifa wäre in dieser Perspektive eine weitere Bewegung gewesen, die statt ihrem eigenen revolutionären Anspruch gerecht zu werden, die bürgerlichen Politik- und Problemlösungsansätze weiterentwickelt hat. Wenn heute BGS und »Bunt statt Braun«-Bündnisse die gewaltförmige und die zivilgesellschaftliche Seite des staatlich propagierten Antifaschismus darstellen, dann ist dies Ergebnis einer Geschichte, in der sich die Antifa als weiterer Modernisierungsfaktor bei der historischen Durchsetzung des Kapitalismus und der Legitimation des bürgerlichen Staates erwiesen hat.

Da beide Analyseansätze durchaus für ihre Positionen gute Argumente anführen können, die zeigen, dass in ihnen durchaus richtige Elemente enthalten sind, in ihrer Bewertung der Situation und den daraus abzuleitenden Folgerungen nicht unterschiedlicher hätten sein können, wird es notwendig sein sich mit der Kritik der vorgelegten Analysen zu beschäftigen. Dabei können die richtigen Erkenntnisse des einen Ansatzes durchaus gegen den anderen verwendet werden, um zu zeigen, warum eine grundsätzliche Abkehr vom Politikfeld Antifaschismus genauso falsch ist, wie die Ignoranz staatlicher Antinazipolitik und rot-grüner Antifaschismusrethorik.

Revolutionärer Reformismus

Gerade vor dem Hintergrund des beklagten Mangels an radikaler Gesellschaftskritik innerhalb der Antifa wird die Problematik des vom AIB vorgeschlagenen Übergangs zu einem »Revolutionären Reformismus« deutlich. Dort sollen vermittelt durch konkrete Bündnis- und Unterstützungsarbeit für Alternativkultur und Opferperspektive, linksradikale Positionen verbreitet werden. Der instrumentalisierend positive Bezug auf die staatliche Antifaschismusinitiative verkennt gleichermaßen deren gesellschaftliches Ausmaß und ist mit seiner Tendenz zur Institutionalisierung von Antifaarbeit grundsätzlich kritikwürdig.

Die Unterschätzung des staatlichen Antifaschismus geschieht hauptsächlich durch die Missachtung des integrativen Potentials, das durch die Installation der Formel vom zivilgesellschaftlichen Engagement gegen Nazis erzeugt wird. Verschiedenste Formen des Kampfes gegen Nazis werden durch diese Einbettung zur BürgerInnenarbeit mit gesellschaftlicher Anerkennung umdefiniert, ohne dass das Konzept des »Revolutionären Reformismus« dem direkt begegnen könnte. Vielmehr scheint die Hoffnung im Umfeld des AIB zu sein, über den Kontakt zu anderen bürgerbewegten AntinaziaktivistInnen eine Grundlage für die revolutionäre Agitation zu finden.

Faktisch ist aber durchaus anderes zu erwarten. Abgekoppelt von einer Bewegung würde die Mehrheit der revolutionären ReformistInnen bald mit der Erhaltung ihrer institutionellen Position ausgefüllt sein und ihr bereits vor handenes Know-how der konkreten Umsetzung eines staatlichen Antinaziinteresses zur Verfügung stellen. Für die darüber hinausgehende revolutionäre Agitation ist in diesem Zusammenhang kein echter Spielraum zu erkennen, zumal ihre Erfolgsaussichten auch im zivilgesellschaftlichen Umfeld der Kampagnen gegen Nazigewalt alles andere als groß sind.

So steht zu erwarten, dass statt der politischen Analyse die konkrete Arbeit die Perspektive des »Revolutionären Reformismus« ist. Was vorgeschlagen wird, ist in der Tat eine Konzentration auf die Arbeit mit und für Opfer von Naziübergriffen. Die über eine Einzelfallhilfe hinausgehenden Möglichkeiten einer Arbeit bleiben aber im Dunkeln. Gerade weil im »revolutionären Reformismus« so wenig Platz für Gesellschaftsanalyse und -kritik bleibt, ist auch kaum zu erwarten, dass aus der Zusammenarbeit mit den (potentiellen) Naziopfern die Anfänge einer neuen linksradikalen Bewegung entstehen. Wäre doch Voraussetzung für diese Hoffnung gerade die radikale Gesellschaftskritik, die eher an den Grenzen der Einzelfallhilfe interessiert ist, als an deren Möglichkeiten, um in diesem Zusammenhang die Notwendigkeit grundsätzlichen gesellschaftlichen Wandels deutlich zu machen. Wo dieses Bewusstsein aber nicht im Zentrum des politischen Handelns steht, wird aus der institutionalisierten Arbeit automatisch ein Abhängigkeitsverhältnis zum gesellschaftlichen Klima, in dem nicht mehr die eigene Aktion die Spielräume für Initiativen bestimmt. Dann geht es nur noch darum, in Bündnissen die eigene Position zu erhalten, strategisch in lokal- und regionalpolitischen Foren zu agieren, kurz ein akzeptierter Teil der Kommunalpolitik zu werden und zu bleiben. Das bedeutet aber auch, dass überall dort, wo solche Überlegungen das Handeln bestimmen müssen, radikale Gegenpositionen mehr und mehr verschwinden. Die institutionalisierte Arbeit kann sich weder nach außen so darstellen, dass sie sich mit ihrer Realität grundsätzlich nicht abfinden will, noch kann sie auf Dauer in diesem Bewusstsein existieren.

Damit verliert sie aber auch jede Attraktivität für alle, die nicht mit der SPD oder gar der CDU zusammen Aufkleber verteilen wollen, dass Ausländer zu ermorden böse ist. Solche Kommunalpolitik, wie sie beispielhaft von der brandenburgischen Aktion Noteingang vorgeführt wird, hat gesellschaftliche Diskussionen zur Folge, ob das Image ostdeutscher Städte dadurch beschmutzt wird, dass das Angebot von Hilfe bei rassistischen Übergriffen den Eindruck erweckt, so etwas könne hier am helllichten Tag erfolgen, oder ob nicht das Image ostdeutscher Gemeinden ohnehin ein solches ist, so dass die Aktion Toleranz und Weltoffenheit eines Ortes demonstrieren kann.

Post-revolutionäre Antifa

Der Ausweitung radikaler Gesellschaftskritik, die dem »revolutionären Reformismus« in entscheidendem Maße verloren zu gehen droht, hat sich die gegensätzliche Position verschrieben, die gegenwärtig nach einem Nachfolgemodell zum revolutionären Antifaschismus der Antifaschistischen Aktion/Bundesweite Organisation (AA/BO) sucht. In Auseinandersetzung mit dem revolutionären Antifaschismus rückt dabei die Kritik am unausgefüllt gebliebenen Revolutionsbegriff ins Zentrum der Überlegungen.

Pate bei der Einführung des Begriffs vom revolutionären Antifaschismus stand eine spezielle Analyse des Zusammenhangs von faschistischer Diktatur und kapitalistischer Gesellschaft. Kern dieser Analyse war die Aussage, die faschistische Diktatur stelle eine Krisenoption des Kapitals dar. Entsprechend war auch die Bewertung, hinter dem Faschismus stehe das Kapital, ein Allgemeinplatz, der aus der historischen Analyse des Nationalsozialismus durch die kommunistische Bewegung übernommen wurde. Die Forderung nach einem revolutionären Element in der antifaschistischen Politik war damit nur folgerichtig, sollte es doch darum gehen, die Ursachen des Faschismus zu bekämpfen.

Allerdings war die Praxis der Antifa in den letzten zehn Jahren eine andere. Hier ging es nicht darum, im Rahmen einer Revolution »die Wurzeln des Faschismus auszurotten«, sondern dem völkischen Aufbruch nach der Wiedervereinigung und der von ihm getragenen Nazibewegung, die sich mit der traditionellen Analyse nicht fassen liessen, etwas entgegenzusetzen. Die Formel vom revolutionären Antifaschismus drückte dabei kaum mehr als das Beharren auf einer linksradikalen Ausgangsposition für diese Politik aus, die nicht in konkreten Nazis das Problem ausmachte, sondern in dem gesellschaftlichen Zusammenhang, in welchem sie standen. Je deutlicher die Komplexität dieses Zusammenhangs aber wurde und je weiter die Analyse von einem vereinfachenden Klassenbegriff abweichen musste, mit dem der Faschismus auf ein Herrschaftsinstrument der besitzenden Klasse reduziert werden konnte, umso klarer wurden auch die Fragen, die eine revolutionäre Bewegung zu beantworten hätte. Die Organisation einer solchen Bewegung hätte zum einen zu klären, welches Subjekt die gesellschaftliche Veränderung nicht nur vorantreiben, sondern, da der Anspruch ein grundsätzlich emanzipatorischer ist, letztlich auch die Verwirklichung des revolutionären Projekts trägt. Zum anderen steht die Rede von der Revolution vor dem Problem aus einer radikalen Kritik des Bestehenden erwachsen zu müssen, deren gegenwärtiger gesellschaftlicher Standpunkt alles andere als unproblematisch und klar ist. Revolutionäre Politik steht deshalb zur Zeit vor dem Problem jenseits eines verbalen Anspruchs nicht konkret werden zu können.

Aus diesem Problem erwächst eine überaus pessimistische Position, die grundsätzliche Bedenken gegen die Möglichkeit einer Lösung äußert, vor allem aber die Rede vom Revolutionären aufzugeben wünscht, um an ihre Stelle die Stärkung kritischer Analysen zu stellen. Durch den grundsätzlichen Pessimismus bleibt es allerdings nicht bei einer verstärkten Anstrengung zur Kritik. Vielmehr geht mit ihm der Bezug auf eine linksradikale Bewegung und ihre Politik verloren. Gefragt wird nicht mehr, warum sich Antifa zum Hauptschwerpunkt der radikalen Linken während ihrer Krise in den 90er Jahren entwickelt hat. Jetzt wird die Vorstellung einer Bewegung, die konkret agiert, direkt mit der Uneinlösbarkeit des Revolutionsversprechens verbunden.

Damit schneidet sich die Position der post-revolutionären Antifa von jeder direkten Verbindung linksradikaler Analysen mit antifaschistischer Praxis ab. Ihre fehlende Vorstellung von der Möglichkeit einer linksradikalen Bewegung und ihr mangelndes Interesse an dieser wird deutlich. Wo der revolutionäre Reformismus die Bewegung zu Gunsten konkreter Interventionen von radikaler Gesellschaftskritik abschneidet und damit aufgibt, gibt die postrevolutionäre Antifa zu Gunsten der radikalen Kritik die konkrete Intervention auf und trennt damit die linksradikale Bewegung von ihrer Realität. Mehr noch, Teil der pessimistischen Analyse ist die Aufgabe jeden Glaubens an eine gesellschaftliche Veränderung, die vor dem tatsächlichen Eintreten einer revolutionären Situation im Sinne einer linksradikalen Bewegung sein könnte und an deren Durchsetzung diese sich konstituiert. Genau diese Rolle hatte Antifaschismus in den letzten zehn Jahren für die radikale Linke in der BRD übernommen.

So nachvollziehbar und richtig die Kritik an einem überstrapazierten Verbalradikalismus einer revolutionären Antifa ist, der einerseits zur permanenten programmatischen Selbstüberschätzung und andererseits mit seiner Kurzerklärung der Verhältnisse zur Behinderung gesellschaftlicher Analysen führte, so überzogen sind die Konsequenzen.

Phase Zwei Leipzig