Reich in der Mitte

Chinas kommunistischer Weg in den Kapitalismus

Für Karl Marx war die Einführung des Kommunismus sowohl von der Überwindung des Kapitalismus als auch der Überwindung von Religionen nicht zu trennen. In den Thesen über Feuerbach spricht er von der Aufhebung der Religionen als illusorischem Glück und stellt dieser die Forderung nach wirklichem Glück entgegen. Dieses Glück sieht er in einer klassenlosen Gesellschaft verwirklicht, in der das Privateigentum an Produktionsmitteln aufgehoben ist. Anders als in der Marx’schen Vorstellung gingen die kommunistischen Verwirklichungsversuche aber nicht mit einer Überwindung von Ideologien einher.

Im heutigen China besteht stattdessen ein Nebeneinander von drei vermeintlichen weltanschaulichen Gegensätzen: Kommunismus, Kapitalismus und Konfuzianismus. Nach Marx haben Kapitalismus und Kommunismus wenigstens soviel gemein, dass in ihrem Angesicht alles Ständische verdampft, während alles Heilige entweiht wird. Der ungebrochene Einfluss des gleichermaßen traditionalistischen wie hierarchisch strukturierten Konfuzianismus scheint diese Überzeugung Lügen zu strafen. Der Schwerpunkt der Phase 2.43 widmet sich dem Thema China und fragt danach, wie kommunistisches Selbstverständnis, kapitalistische Produktionsweise und konfuzianistische Ethik miteinander einhergehen, wie sie sich ergänzen und in welchem Verhältnis sie zueinander stehen.

Chinas politische Führung nennt sich immer noch kommunistisch und am Tor des himmlischen Friedens in Peking hängt bis heute ein überdimensionales Portrait Mao Tse-tungs. An diesem Ort hat Mao 1949 die Volksrepublik China, also ein kommunistisches China proklamiert. Vierzig, Jahre später demonstrierte hier die Parteiführung eindrücklich, was sie unter »Kommunismus« verstand: Sie ließ das Militär mit Panzern und scharfer Munition auf die für Demokratie und Freiheit kämpfende Bevölkerung schießen. Wie mit Kritiker_innen in China umzugehen sei, hatte Mao Tse-tung bündig zusammengefasst: »Gegenüber offenen Konterrevolutionären und denjenigen, die den Sozialismus sabotieren, ist die Sache einfach, man entzieht ihnen die Redefreiheit und damit gut.« Dieses Prinzip gilt wohl heute noch. Als sich im Dezember 2011 regionale Proteste gegen Zwangsenteignung, Korruption und Polizeigewalt formierten, riegelte der Staat ein gesamtes Fischerdorf, das Zentrum der Bewegung, gegen die Öffentlichkeit ab. Wie auch in diesem Fall nützt es der Bevölkerung nur wenig, dass sich China offiziell zu den Menschenrechten bekennt und diese 2004 sogar in seine Verfassung aufgenommen hat.

Das Label für die chinesische Politik ist nach wie vor „Kommunismus“. Während ein paar wenige Traditionslinke den Glauben an ein kommunistisches China noch nicht verloren haben und einige Anti-Imperialist_innen im Reich der Mitte einen adäquaten Gegner für ihr Feindbild USA sehen, ist für die meisten Linken unstrittig: Mit Kommunismus hat das nichts zu tun. So offenkundig der Begriff das chinesische System verfehlt, so notwendig erscheint es jedoch, sich aus einer kritischen, emanzipatorischen Perspektive mit dem chinesischen Modell zu befassen. Eine Linke, die sich selbst noch kommunistisch nennt oder sich zumindest in eine solche Tradition stellt, die einen positiven Begriff vom Kommunismus hat, sollte den chinesischen Verwirklichungsversuch nicht ausblenden. Sie läuft sonst Gefahr, geschichtslos zu agieren. In Bezug auf die Sowjetunion scheint sich diese Überzeugung in den letzten Jahren durchgesetzt zu haben. Mit diesem Schwerpunkt will die Phase 2 Ansatzpunkte für eine solche Beschäftigung mit China aufzeigen.

Dabei stellt sich schnell die Frage: Was ist am chinesischen Modell eigentlich noch als kommunistisch zu bezeichnen? Wurde sich zur Gründungszeit der Republik noch positiv auf Marx, Engels, Lenin und später auch Stalin bezogen, erinnert heute nur noch Maos Konterfei an eine »kommunistische« Tradition. Welche Legitimierungsstrategien verwendet die Partei, um sich immer noch kommunistisch nennen zu können, welche ideologischen Bezüge verwendet sie und wie geht das mit dem in China uneingeschränkt waltenden Kapitalismus einher?

Das chinesische Wirtschaftssystem weist nur noch Relikte einer Planwirtschaft auf. Die zunehmende Kapitalisierung ist indes überaus erfolgreich. In den letzten 20 Jahren hat China einen rasanten wirtschaftlichen Aufstieg erfahren und ist heute die zweitgrößte Wirtschaftsmacht der Welt. Der ökonomische Erfolg wurde weitgehend ermöglicht durch menschenunwürdige Arbeitsbedingungen und fehlende Rechte der Arbeiter_innen. Inzwischen formiert sich immer häufiger Protest gegen diese Verhältnisse. Auslöser für Unruhen und teilweise gewalttätige Auseinandersetzungen sind dabei beständig die mit großer Brutalität geführten Landkonflikte: Die unter wachsender Armut leidende Landbevölkerung versucht, sich gegen Enteignungen zu wehren. Aber auch Arbeiter_innen lehnen sich zusehends gegen schlechte Arbeitsbedingungen, Entlassungen und drastische Lohnunterschiede zwischen Land und Stadt auf. Anhand dieser Konflikte stellen sich verschiedene Fragen: Wie steht es um die Organisation, Vernetzung und die Ziele der chinesischen Arbeitskämpfe und wie passt es zum kommunistischen Selbstverständnis Chinas, wenn die Arbeiter_innenschaft, sprich das »revolutionäre Subjekt« gegen die kommunistische Regierung revoltiert?

Der chinesische Kapitalismus steht aber nicht nur der kommunistischen Eigenbezeichnung entgegen, sondern auch gängigen Annahmen über das Verhältnis von kapitalistischer Marktwirtschaft und bürgerlichen Freiheiten, wie sie beispielsweise der einflussreiche liberale Ökonom Milton Friedman proklamierte. Am Beispiel der europäischen und amerikanischen Geschichte verdeutlichte er, dass kapitalistische Gesellschaftsformen langfristig immer in Richtung Rechtsstaat und Demokratie tendierten. Im Sinne einer Theorie der Interdependenzen der Ordnungen würden politische und wirtschaftliche Freiheiten sich wechselseitig bedingen und Wachstum und Wohlstand könnten nur in marktwirtschaftlichen Demokratien verwirklicht werden. In China ist das kapitalistische System nun schon seit einer Weile etabliert, doch zu einem Demokratisierungsprozess hat das bisher kaum beigetragen. Im Gegenteil: Es scheint, als sei eine autoritäre kapitalrationale Staatsform der demokratischen in wirtschaftlichen Belangen sogar überlegen. Friedrich von Hayek prophezeite, dass Marktwirtschaften zentral verwalteten Wirtschaften immer überlegen wären. So sah er in der »Anmaßung von Wissen« die Ursache für die Defizite einer Planwirtschaft. Er postuliert, es sei unmöglich, alles relevante Wissen über Fähigkeiten und Bedürfnisse der Individuen zu zentralisieren. Die freie Allokation über den Markt wäre immer die effizienteste Vermittlung von ökonomisch relevantem Wissen. Der wirtschaftliche Erfolg Chinas stellt diese Theorien jedoch in Frage. Schließlich wird der Staat immer noch autoritär und die Wirtschaft mittels Fünfjahresplänen zentral gesteuert. Trotzdem übersteigen chinesisches Wirtschaftswachstum und Innovationsfähigkeit das Wachstum der westlichen demokratischen Marktwirtschaften um ein Vielfaches. Wie ist dieser wirtschaftliche Aufstieg zu erklären? Lassen sich am chinesischen Modell womöglich Erkenntnisse über die Funktionsweisen des modernen Kapitalismus gewinnen und welche Rolle nimmt der Konfuzianismus dabei ein?

Anders als es Marx prognostiziert hat, ging mit dem Zeitalter der Bourgeoise keine Entweihung alles Heiligen einher. Im Gegenteil: Max Weber hat aufgezeigt, wie gerade durch den Protestantismus die Durchsetzung und Verbreitung einer kapitalistischen Wirtschaftsordnung begünstigt wurde. Im Konfuzianismus sah Weber hingegen eine Ursache für Chinas wirtschaftliche und kulturelle Rückständigkeit: Während der protestantisch puritanische Rationalismus eine rationale Beherrschung der Welt zur Folge gehabt habe, bedeute der Konfuzianismus eine Anpassung an die Welt. Die starke Betonung von Traditionen und Riten, das Fehlen von Transzendenz und die Autoritätshörigkeit im Konfuzianismus widerspreche einer »sachliche[n] Rationalität des Fortschritts« (Weber).

Heute stellt sich die Situation anders dar. Der in den Regeln des Konfuzianismus geforderte Gehorsam gegenüber Autoritäten und die große Bedeutung der Gemeinschaft – sei es die Familie, das Dorf oder der Staat – ist dem chinesischen Kapitalismus offenbar sehr zuträglich. Denn trotz zum Teil menschenunwürdigen Arbeitsbedingungen nehmen die sozialen Kämpfe im Reich der Mitte zwar zu, sind in der Summe aber immer noch relativ unbedeutend. Der Konfuzianismus scheint hier die Funktion eines sozialen Kitts einzunehmen, der die objektiven Interessensgegensätze und die daraus resultierenden potenziellen Konflikte versiegelt. Das Streben nach Harmonie setzt die Einzelnen in Verantwortung für das große Ganze und lässt sie zu angepassten Teilnehmer_innen des Marktes werden. Das System wird dabei nicht grundlegend in Frage gesellt.

Ob es nun an der konfuzianistischen Sehnsucht nach der »großen Harmonie«, dem kapitalistischen Aufstieg oder vielleicht doch an der breiten Akzeptanz der sich kommunistisch nennenden Führung liegt, anders als von vielen Beobachter_innen im Westen prognostiziert, zeichnet sich in China kein baldiges Ende der Herrschaft der KPCh ab. In dem Artikel »China – Untergang abgesagt« stellt Hubert Zick fest, dass alle drei Weltanschauungen – Kommunismus, Kapitalismus, Konfuzianismus – zur Stabilität des Systems beitragen. Ausschlaggebend dabei ist, dass China in den letzten 30 Jahren eine rasante Steigerung des Lebensstandards erfahren hat und 300 Millionen Menschen aus der absoluten Armut befreit wurden. Diese positive Entwicklung kann sich – ob zu Recht oder nicht – die KPCh zuschreiben. Der wirtschaftliche Aufstieg dient der kommunistischen Partei der eigenen Legitimierung, die mit einer kommunistischen Phraseologie noch unterstützt wird. Doch auch der erstarkte chinesische Nationalismus verstärkt, dem Autor zufolge, den Zusammenhalt des Reichs der Mitte, und lässt sein Vertrauen auf einen grundlegenden Wandel der chinesischen Verhältnisse sinken.

Eine andere Bewertung der Situation geben die Freund_innen von gongchao.org in dem Artikel »Linke Sackgasse versus destruktive Kritik«. Sie haben die Hoffnung in China noch nicht verloren und erkennen in den zunehmenden Arbeiter_innen-Protesten ein Potenzial zum Umsturz des bestehenden Systems. Seit den späten siebziger Jahren gab es drei große Reformperioden, die allesamt zu einer stärkeren Kapitalisierung des chinesischen Wirtschaftssystems führten. Damit einher ging eine Proletarisierung und soziale Verelendung breiter Bevölkerungsschichten. Die Autor_innen sehen in dieser Entwicklung die Ursache für die zunehmenden Protestbewegungen, wie sich auch in der steigenden Zahl autonomer Organisierungsformen unter Arbeiter_innen und Bauern und Bäuerinnen zeigt.

Der Artikel »Das Ende des eisernen Reistopfs« von Rüdiger Mats behandelt die Frage, wie sich der einstige kommunistische Verwirklichungsversuch in sein Gegenteil, also in einen »Ultra-Kapitalismus« verkehren konnte. Nachdem in den fünfziger und sechziger Jahren verschiedene Kollektivierungs- und Industrialisierungsversuche zu großen Hungerkatastrophen führten, startete die KPCh ab Ende der siebziger Jahre verschiedene Reformversuche, die den Anteil der Privatwirtschaft im Vergleich zum staatlich kontrollierten Sektor vergrößerte. Mit der Errichtung von vier Sonderwirtschaftszonen wurden ganze Regionen vom planwirtschaftlichen Prinzip befreit. Inzwischen gibt es zwar noch Reste einer zentral verwalteten Wirtschaft, doch Rüdiger Mats zufolge schwindet die Bedeutung dieser planwirtschaftlichen Elemente.

Der Artikel »China im Weltsystem« von Renate Dillmann analysiert Chinas wachsenden Einfluss im internationalen Mächteverhältnis. In den siebziger Jahren setzte in China ein Wandel der Außenpolitik ein. Der vorher verhasste Westen wurde nun zu einem wichtigen Handelspartner. China konnte den Kapitalzufluss beschleunigen und die USA und Europa erlangten mit China einen riesigen neuen Absatzmarkt und günstigen Produktionsstandort. Der damit verbundene ökonomische Aufstieg Chinas bedroht inzwischen Amerikas Vormachtstellung in der Welt. Dass die Ausweitung des Machtbereichs des kapitalistischen Systems auch auf China höchst unerfreulich ist, macht Renate Dillmann in ihrem Artikel deutlich.

Neben dem Blick auf die chinesischen Verhältnisse und die Auswirkungen auf das Weltgeschehen, widmet sich dieser Schwerpunkt auch der westlichen Rezeption Chinas. Auch hier erscheint das Konglomerat aus Kommunismus, Kapitalismus und Konfuzianismus bedeutend. So widersprüchlich die drei Weltanschauungen sind, so widersprüchlich ist auch das deutsche China-Bild. Wurde 2001 im Spiegel unter dem Titel »Angriff aus Fern-Ost« noch ein kapitalistisches Bedrohungsszenario gezeichnet, wird 2007 gefragt »Funktioniert der Kommunismus doch?« Das Chinabild deutscher Medien ist stark holzschnittartig: Wirtschaftliche Stärke, Menschrechtsverletzungen und unterdrückte Opposition sind die Themen, die in variierender Zusammensetzung die Berichterstattung dominieren. Das Wirtschaftssystem wird wahlweise als Kommunismus oder als Ultra-Kapitalismus bezeichnet und gesellschaftliche Konflikte werden auf Regimekritiker_innen und oppositionelle Intellektuelle auf der einen und den autoritären Staat auf der anderen Seite reduziert. Auch in der bundesdeutschen Linken waren unterschiedliche Bilder im Umlauf. Den Maoist_innen galt China als große kommunistische Hoffnung, während es von der Solidaritätsbewegung für Tibet als imperialistische Macht verteufelt wurde.

Jens Benicke geht in seinem Artikel »Vom großen Vorsitzenden zu den kleinen Schwestern« auf die Hinwendung der deutschen Linken zum Maoismus ein. Er konstatiert, dass die Begeisterung für das chinesische Modell vor allem projektiven Charakter hatte. Zum einen bot der Maoismus eine vermeintlich kommunistische Alternative zum inzwischen verhassten sowjetischen Staatssozialismus. Zum anderen eignete er sich als Abgrenzung zum politischen Establishment der Bundesrepublik. Die anti-autoritäre Bewegung der 68er meinte eine Gemeinsamkeit zwischen der Kulturrevolution und der Situation in Deutschland erkannt zu haben - in beiden Fällen revoltierte die Jugend gegen die alte Herrschaft. Die eigentlichen historischen und gesellschaftlichen Verhältnisse gerieten dabei immer stärker aus dem Blick, so dass der Maoismus alsbald nur noch für einen diffusen Protest und Jugendlichkeit stand. Mit der Abwendung von der Sowjetunion und der Hinwendung zum maoistischen China und dem Maoismus ging ein grundlegender Wandel einher: Anstatt in der Arbeiterklasse, wurde nun im Volk das revolutionäre Subjekt verortet. Dass für eine europäische linke Solidarität nicht immer die Revolution, sondern auch das »Selbstbestimmungsrecht der Völker« ausschlaggebend war, zeigt sich in der noch immer populären Free Tibet-Bewegung. Doch nicht nur bei Linken, auch bei bürgerlichen Politikern und Parteien erfreut sich der vierzehnte Dalai Lama großer Beliebtheit. Dass die Herrschaft des Dalai Lamas alles andere als demokratisch, aufgeklärt und friedfertig war, sondern im Gegenteil als völkisch, sexistisch und brutal zu beschreiben ist, stellt Jörg Kronauer in dem Text »Der Dalai Lama und die Tibet-Frage« fest. Der Zuspruch, den der tibetische Religionsführer mittlerweile auch von der NPD erfährt, scheint insofern nur stringent. In seinem Artikel hinterfragt Kronauer die hiesige Tibet-Begeisterung und zeigt auf, inwiefern dabei auch immer deutsche Machtinteressen gegenüber China mithineinspielen.

Florian Hessel widmet sich in »Die bedrohliche Macht der Masse« dem Topos der »gelben Gefahr«. Das antichinesische Ressentiment hat seinen Ursprung bereits in der frühen Neuzeit. Im Gegensatz zu anderen Ausprägungen des Rassismus, die mit einer Abwertung des »Anderen« einhergehen, handelt es sich hier eher um die Angst vor einer konkurrierenden und fremden »Gegenzivilisation«. Zwei Topoi sind dabei zentral: zum einen die Furcht vor einer massenhaften Einwanderung, zum anderen die zunehmende politische wie auch ökonomische Stärke Chinas. Florian Hessel beschreibt, wie sich das Bild der »gelben Gefahr« im Laufe der Zeit gewandelt hat und wie es immer schon Gegenstand nationalistischer Projektion gewesen ist.

Ressentiments gegen Chinesinnen und Chinesen sind allerdings kein auf den Westen begrenztes Phänomen. Im asiatischen Raum nimmt die antichinesische Feindseligkeit zum Teil verheerende Ausmaße an. In der jüngeren Geschichte Indonesiens kam es beispielsweise immer wieder zu Pogromen gegen die dort lebende chinesische Minderheit mit Opferzahlen, die in die Hunderttausende gehen. In dem Artikel »Jews of the East« analysiert Cornelius Coot diesen Hass gegen die chinesische Minderheit in Indonesien und stellt dabei eine strukturelle Ähnlichkeit zum modernen Antisemitismus fest. Historisch war es, zumindest im Westen, »der Jude«, an dem in wirtschaftlichen Krisenzeiten das abstrakte Kapitalverhältnis personifiziert wurde. Anhand der Geschichte der chinesischen Minderheit in Indonesien zeigt sich, wie auch eine nichtjüdische Gruppe, die ebenfalls mit Handel und Kreditwesen assoziiert wird, Ressentiments ausgesetzt ist, die dem modernen Antisemitismus ähneln.

Im Schwerpunkt der Phase 2.43 wollen wir kursierende Chinabilder hinterfragen und uns dem Thema aus zwei Richtungen nähern. Wir fragen sowohl nach der Verfasstheit der chinesischen Gesellschaft im Spannungsfeld von Kommunismus, Kapitalismus und Konfuzianismus als auch nach der Außenperspektive auf das Land, die ebenfalls von diesem Spannungsfeld geprägt ist.

Phase 2, Leipzig