Realsozialismus und Umweltschutz  

Zur Geschichte von Ökologie und Industrie in den sozialistischen Staaten 

Es ist notwendig, immer wieder darauf hinzuweisen, dass es der Kapitalismus ist, der die ökologischen Grundlagen menschlichen Lebens zerstört. Ohne Bruch mit der Kapitalverwertung wird dieser Prozess nicht enden. Das heißt aber nicht, dass andere Gesellschaftsformen nicht ihre Öko-Nischen zerstört hätten oder zerstören könnten. Auch die realsozialistischen Staaten, vielleicht mit Ausnahme Kubas in jüngerer Zeit, verfügten über keine positive Ökobilanz. In diesem Beitrag soll skizziert werden, was die wesentlichen Ursachen dafür waren, obwohl Profitlogik und Konkurrenz sowie das Privateigentum an Produktionsmitteln aufgehoben waren.  

Raubbau betrieben bereits vorindustrielle und vorkapitalistische Gesellschaften auf verschiedenen Kontinenten. Zu nennen wären die Maya in Mittelamerika, die Anasazi im späteren Südwesten der USA, die Menschen auf den Osterinseln oder die Wikinger auf Grönland. Diese Gesellschaften schädigten ihre Umgebung so nachhaltig, dass sie darüber zusammenbrachen. In Teilen Europas, etwa in Deutschland, standen die Wälder am Vorabend der industriellen Revolution wegen Übernutzung vor dem Kollaps. Gerettet wurde der Wald durch Kohle, die sich als neuer Energieträger durchsetzte. 

In Bezug auf die staatsozialistischen Systeme muss zuerst geklärt werden, wie diese einzuschätzen sind. In der Linken kursieren dazu verschiedene Erklärungen: Staatskapitalismus, bürokratische Herrschaft, Staatssozialismus oder eine neue, ganz eigene Produktionsweise. Die Debatte kann an dieser Stelle nicht geführt werden. Meine Position ist, dass es sich um extrem autoritäre Varianten des Staatssozialismus handelte. Denn das Ziel war nicht die Steigerung des Profits, die Akkumulation von Kapital in Händen einer bürgerlichen Klasse oder einer staatlichen Bürokratie. Die Planwirtschaft sollte einerseits die materielle Versorgung der Bevölkerung sicherstellen und immer weiter heben bis zum kommunistischen Überfluss und andererseits Rüstungsgüter produzieren, um sich zu verteidigen. 

 

Sowjetunion und die ökologische Frage 

In der Literatur überwiegen Negativ-Urteile. »Ökozid in der Sowjetunion« lautet der Titel einer einflussreichen Publikation von 1992.Vgl. Murray Feshbach/Alfred Friendly jr., Ecocide in the USSR. Health and Nature under Siege, New York 1992. Murray Feshbach und Alfred Friendly schilderten eine Landwirtschaft, die durch Monokultur die Böden auslaugte, der Erosion preisgab und durch Chemikalien vergiftete. So wurde etwa das hochgiftige Insektizid DDT noch lange eingesetzt, als es in kapitalistischen Staaten längst verboten war. Die Steigerung der Baumwollernte in zentralasiatischen Republiken führte zum Einsatz von immer mehr Pestiziden sowie einer intensiven Bewässerung. Flüsse, die den Aralsee speisen, wurden umgeleitet, ausgetrocknet und kontaminiert. Dieser schrumpfte um zwei Drittel, das verbleibende Trinkwasser wurde vergiftet. In Kasachstan belasteten Atombombentests riesige Gebiete mit Radioaktivität. Fabriken in den Städten, etwa Moskau, vergifteten den Boden mit Blei, Zink und Chrom.  

Aus diesen ökologischen Katastrophen wuchs eine Gesundheitskrise, so die Bilanz der Autoren: Das Ergebnis sei eine sinkende Lebenserwartung, höhere Kindersterblichkeit, steigende Krebsraten, Leber- und Nierenkrankheiten gewesen. Die Zerstörungen führten sie auf industrielles Wachstum zurück, das von der Staats- und Parteiführung »in rücksichtslosem Tempo verfolgt«Ebd., 3. wurde. »Die Produktionsziffern des Sozialismus können mindestens ebenso umweltzerstörend sein wie das Profitmotiv des Kapitalismus«Lester R. Brwon, Preface, in: Ebd., X., schrieb Lester R. Brown vom Worldwatch Institute im Vorwort. 

Dennoch ist die Einschätzung überzogen, künftige Historiker:innen würden vielleicht das Urteil »Tod durch Ökozid« über die Sowjetunion fällen. Ihr Niedergang dürfte eher ökonomische Gründe gehabt haben. Falsch ist das Verdikt, keine andere industrielle Zivilisation habe »so systematisch und lange ihr Land, Luft, Wasser und Bevölkerung vergiftet«Ebd., 1.. So verweist der Geograph Salvatore Engel-Di Mauro auf Daten, die belegen, dass die Emissionen an Kohlendioxid, Stickoxid und Methan in der Sowjetunion von 1970 bis 1990 stets deutlich niedriger lagen als in den USA. Der durchschnittliche Schadstoffausstoß blieb stets weit unter dem von US-Bürger:innen.Vgl. Salvatore Engel-Di Mauro, Socialist States and the Environment. Lessons for Ecosocialist Futures, London 2021, 129ff. u. 142. 

Ähnlich wie Brown betont Engel-Di Mauro, die zentralen staatlichen Behörden hätten die militärische Verteidigung und die Schwerindustrie privilegiert. Unternehmen und ihre Manager seien belohnt worden, wenn die Produktivität gesteigert und die Planvorgaben erfüllt wurden. Er gelangt zu dem differenzierten Fazit, die Sowjetunion biete »eine abwechslungsreiche Geschichte von Umweltauswirkungen mit einigen schrecklichen Misserfolgen, die sich mit spektakulären und vielen verhaltenen Erfolgen abwechseln«Ebd. 106f.. Bereits 2013 plädierten Laurent Coumel und Marc Elie dafür, die bisherige Sicht auf die Umweltgeschichte der Sowjetunion zu korrigieren. Die moralisierende Erzählung vom Zusammenbruch aufgrund ökologischer Zerstörungen sei unhaltbar.Vgl. Laurent Coumel/Marc Elie, A Belated and Tragic Ecological Revolution: Nature, Disasters and Green Activists in the Soviet Union and the Post-Soviet States, Leiden 2013, 160f. 

Tatsächlich betrieben die Bolschewiki durchaus Naturschutz. Sowohl Lenin als auch Stalin plädierten in den 1920er Jahren für eine Aufforstung, die Ausweisung von Schutzgebieten und Schaffung entsprechender Behörden.Vgl. Stephen Brain, The Great Stalin Plan for the Transformation of Nature, Oxford 2010, 675. Bereits kurz nach der Revolution etablierten die Bolschewiki das erste Naturschutzgebiet (zapovedniki), das wissenschaftlicher Forschung vorbehalten war. Die Gebiete unterstanden dem von Anatoli Lunatscharski geleiteten Volkskommissariat für Bildung. In den sechziger Jahren existierten 150 solcher Schutzgebiete mit einer Gesamtfläche von 20 Millionen Hektar, was etwa 60 Prozent der Fläche der Bundesrepublik entspricht.Vgl. Engel-Di Mauro, Socialist States, 117.   

Die Sowjetunion war anfangs in Theorie und Praxis des Naturschutzes führend. Sie war das erste Land, das geschützte Gebiete auswies, um ökologische Gemeinschaften zu studieren. Dort entstand die Idee, den Landverbrauch zu planen, was durch die Abschaffung des Großgrundbesitzes begünstigt wurde, und zerstörte Landschaften auf der Grundlage ökologischer Erkenntnisse wiederherzustellen. Der Fokus lag wie bei westlichen Naturschutzbewegungen darauf, Landschaften und Wildtiere zu bewahren und, auch aus ökonomischen Gründen, mit Ressourcen sparsam umzugehen. Das Bewusstsein über die Effekte von Verschmutzungen auf die Gesundheit war anfangs gering. 

Mit dem Machtwechsel zu Stalin und der Wende zur forcierten Industrialisierung trat eine Wende ein. Der erste Fünfjahresplan (1928–1932) setzte auf maximales Wachstum, das im kapitalistischen Ausland, das unter den Folgen der Weltwirtschaftskrise von 1929 litt, sehr bewundert wurde. Den Preis bezahlten die sowjetischen Bauern. Etwa 14 Millionen Menschen verhungerten, auch weil Getreide in den Westen exportiert wurde, um mit den Devisen Maschinen und Technik zu kaufen. Diese Tragödie wird heute als Genozid an den Ukrainer:innen fehlgedeutet und für die Begründung eines nationalen Opfermythos instrumentalisiert. Stalin hatte – unmenschlich, aber konsequent – erklärt, die Bauern müssten Opfer bringen, da die Sowjetunion weder Kolonien ausbeuten könne noch westliche Kredite in Anspruch nehmen wolle.Vgl. Lynne Viola/Viktor P. Danilov/Nikolai A. Ivnitskii/Denis Kozlov (Hrsg.), The War against the Peasantry, 1927–1930. The Tragedy of the Soviet Countryside, New Haven 2005, 64. 

Gleichwohl wurde der Naturschutz nicht aufgegeben. Eine Studie von 1935 belegte den positiven Einfluss von Waldgürteln auf das Mikroklima, in der Sowjetunion wurde weiter aufgeforstet. Das Agrarkommissariats bilanzierte das von 1931 bis 1936 mehr als 300.000 Hektar angepflanzt worden waren, aber viele Bäume eingingen. 1936 wurde eine eigene Verwaltung für Waldschutz und Aufforstung (GLO) geschaffen und 1947 zum Ministerium für Forstverwaltung aufgewertet. Ihre zentrale Aufgabe war, in Südrussland und der Ukraine insgesamt mehr als 1,5 Millionen Hektar Wald anzupflanzen.Vgl. Brain, The Great Stalin Plan, 676 ff.

Im Oktober 1948 veröffentlichte die sowjetische Führung ein ambitionierteres Programm für rund 5,7 Millionen Hektar, das größte Aufforstungsprogramm weltweit. In acht großen Streifen sollten die Bäume an Flüssen im Süden und am Rand von Kolchosen angepflanzt werden, um die Winde aus Zentralasien zu brechen, die das Land austrockneten, und das Klima abzukühlen. Einige Naturschützer glaubten, damit die Steppe in einen idealisierten Zustand zurückverwandeln zu können, in einen Wald, der so nie existierte. Die Technokraten wähnten hingegen, sie könnten die Fehler der Natur korrigieren. Darin kam die seit der Aufklärung verbreitete Haltung zum Ausdruck, die Menschheit könne alle Grenzen der physischen Umwelt überwinden.Vgl. ebd., 671f. 

Gestärkt wurde diese Position durch Trofim Lyssenko, einen Agrarwissenschaftler, der durch zweifelhafte Versuche, die schnelle Ertragssteigerungen in der Landwirtschaft versprachen, rasch die Gunst sowjetischer Politiker, insbesondere Stalins gewonnen hatte und im Wissenschaftsbetrieb aufstieg. Auf sein Betreiben hin, wurde der hochangesehenen Botaniker Nikolai Wawilow verhaftet, zum Tode verurteilt, begnadigt und in einem Lager eingesperrt, wo er 1943 starb. Der Zoologe Wladimir Stachinski, der mit Lyssenko wegen der Schutzgebiete gestritten hatte, wurde eingesperrt und gefoltert.Vgl. John Bellamy Foster, Late Soviet Ecology and the Planetary Crisis, in: Monthly Review 67 (2015), Nr. 2, 1–20, hier 4f.

Zur Aufforstung empfahl Lyssenko, Bäume mit bestimmten anderen Pflanzen zu einem Nest zu kombinieren, dann würde der Wald von allein wachsen, also ohne weiteren Pflegeaufwand. Trotz seines Einflusses wurde diese Nest-Methode aus dem Forstministerium und von Experten kritisiert, darunter der Forstwissenschaftler und Geobotaniker Wladimir Sukatschow: Die Hälfte der Wälder, die nach Lyssenkos Methode gepflanzt worden waren, gingen wieder ein. Am 15. März 1953, sechs Tage nach Stalins Tod, wurde der Aufforstungsplan gestoppt und das Forstministerium aufgelöst. Bis dahin waren die acht Waldgürtel nur zur Hälfte vollendet, aber immerhin 400.000 Hektar neu angepflanzt.Vgl. Brain, The Great Stalin Plan, 682ff.  

In der anschließenden Ära, in der Nikita Chrustschow als Generalsekretär der KPdSU das Sagen hatte, entstanden die größten Umweltschäden aufgrund der politisch angeordneten Wachstumsraten, die immer mehr Ressourcen erforderten. Der Plan zur Erschließung neuer Anbauflächen endete in einem Desaster. Nach anfänglichen Erfolgen verwandelten sich die neuen Ackerbaugebiete in einen dust bowl ähnlich wie im Mittleren Westen der USA in den 1920er-Jahren.Vgl. Engel-Di Mauro, Socialist States, 122f. u. 136ff. In diese Zeit fallen die Zerstörung des Aralsees sowie Eingriffe in den Baikalsee, der zu einem Symbol der Umweltzerstörung in der Sowjetunion wurde und Proteste provozierte. Sukatschow verfasste einen offenen Brief, in dem er zum Schutz des Baikal aufrief. Er war einer jener sowjetischen Wissenschaftler, die mit ihren Forschungen den Umweltschutz entscheidend voranbrachten. Sowjetische Forscher gehörtern zu den Ersten, die Anfang der 1960er Jahre vor dem menschengemachten Klimawandel und seinen Folgen warnten. 

An der realen Entwicklung konnten sie jedoch wenig ändern. Die Verschmutzung durch die Schwerindustrie, die chemische Industrie sowie die Energieproduktion blieb. In den achtziger Jahren waren Flüsse wie Don und Dnjestr durch industrielle, städtische und landwirtschaftliche Abwässer kontaminiert. Bereits 1957 gab es eine Explosion in der Plutoniumfabrik Kyshtym, bei der Radioaktivität freigesetzt wurde. Die arktische Kola-Halbinsel wurde mit Minen, Fabriken und Atomanlagen überzogen, was zu Entwaldung, Vergiftung des Wasser, Landschaftszerstörung und saurem Regen führte. Es fehlte der Profitanreiz, der im Westen die Konsumgesellschaft hervorbrachte. Der Verbrauch an Rohstoffen und Energie stieg ab 1950 enorm an, was als »Große Beschleunigung«C in der Umweltforschung bezeichnet wird. 

 

DDR – das westliche Konsummodell als Vorbild 

Die Bevölkerung in sozialistischen Ländern war dagegen nicht immun. Der westliche Konsum blieb der Maßstab, an dem die eigenen Regierungen gemessen wurden. Besonders deutlich wird dies am Beispiel der DDR, die direkt an den Frontstaat BRD und dessen hochsubventioniertes Schaufenster West-Berlin grenzte. 

Die Umweltbilanz der DDR wird illustriert durch Abraumhalden des Braunkohletagebaus, qualmende Chemiefabriken und entwaldete Hänge im Erzgebirge. Nach dem Ende der SED-Herrschaft, aber vor der Annexion durch die Bundesrepublik, erschien 1990 der Umweltbericht der DDR. Demnach erreichte das Land bei der Emission von Staub und Schwefeldioxid den höchsten Ausstoß in Europa. In den durch Luftverschmutzung besonders belasteten Gebieten erkrankten deutlich mehr Menschen. Mehr als 54 Prozent der Wälder waren geschädigt, von den wichtigsten Wasserläufen waren 45 Prozent für die Trinkwassergewinnung nicht mehr nutzbar. Die intensive Landwirtschaft hatte zur Bodenerosion, zum Eintrag von Pestiziden sowie einer Absenkung des Grundwassers geführt, die Massentierhaltung war ein weiterer Negativpunkt. Der Verbrauch an Primärenergie sowie der Stromverbrauch lagen deutlich höher als in der BRD, aufgrund der geringeren Produktivität und Effizienz.Vgl. Hermann Behrens, Rückblick auf den Umweltschutz in der DDR nach 1990, in: Ders./Jens Hoffmann (Hrsg.), Umweltschutz in der DDR. Analysen und Zeitzeugenberichte, Bd. 1: Rahmenbedingungen, München 2007, 1–41, hier 3ff.

Der Umweltbericht nannte allerdings auch positive Aspekte: Die DDR produziere weniger Müll, sei weniger zersiedelt, deutlich mehr Verkehr werde auf der Schiene abgewickelt, weniger mit dem Pkw gefahren als im Westen. Darum sei der Ausstoß von Kohlendioxid und Stickoxid geringer. Das Fernwärmenetz und das Recycling-System »Sero« wurden als weitere Pluspunkte genannt.  

Zentrales Problem war die Braunkohle, die zum Heizen und zur Stromgewinnung genutzt wurde. Sie zerstörte Wälder und Landschaften, kontaminierte Luft und Wasser und gefährdete damit direkt die Gesundheit der Bevölkerung. Die Beförderung von Braunkohle band etwa ein Drittel der Bahnkapazitäten für den Transport, der Abbau senkte den Grundwasserspiegel und verringert die landwirtschaftlichen Flächen. 

Es gab jedoch kaum Alternativen. Die DDR verfügte über so gut wie keine eigenen Rohstoffe und musste nach dem Zweiten Weltkrieg eine Grundstoff- und Maschinenbauindustrie aufbauen, um überleben zu können. Von 1950 bis 1960 stammte die Energie zu fast 100 Prozent aus Braunkohle. Dabei gab es in der DDR von Anfang an Wissenschaftler, die auf die Schäden hinwiesen und Maßnahmen vorschlugen, etwa Abgase zu filtern und Abwässer zu reinigen. Allerdings stießen solche Vorschläge stets auf Widerstand aus betroffenen Industriezweigen und wurden, wenn von der Regierung aufgegriffen, abgeschwächt. Das Bruttoproduktionsprinzip der Planwirtschaft machte Umweltschutz aus Sicht von Betriebsleitungen und Industrieministerien nicht attraktiv. Umweltschutzmaßnahmen drückten sich nicht positiv in der Wirtschaftsbilanz aus. Einschlägige Auflagen waren auch nicht mit Sanktionen bewährt.Christian Möller, Braunkohle und Umweltschutz in der DDR, in: Helmuth Albrecht/Michael Farrenkopf/Hellmut Maier u.a. (Hrsg.), Bergbau und Umwelt in DDR und BRD. Praktiken der Umweltpolitik und Rekultivierung, Oldenburg 2022, 43–70, hier 49f. 

Der Gartenbauinspektor Reinhold Lingner schlug 1950 eine »Landschaftsdiagnose« vor. Die DDR wurde das erste Land, das komplett einem Umweltmonitoring unterzogen wurde.Vgl. Martin Baumert, Eine »Synthese aus Natur und Technik«? Entwicklung und Anwendung von Bodenmeliorationsverfahren im Braunkohlebergbau der DDR 1949 bis 1974, in: Albrecht/Farrenkopf/Maier u.a., Bergbau und Umwelt, 71–104, hier 74. Die wissenschaftlichen Grundlagen zur Rekultivierung der vom Braunkohleabbau verwüsteten Flächen wurden zwischen 1950 und 1965 gelegt. Von 1965 bis 1980 wurden Flächen saniert, teilweise so anspruchsvoll, dass daraus Landschafts- oder Naturschutzgebiete hervorgingen. Allerdings wurden stets weniger Flächen rekultiviert als Neue angegriffen und in der Spätphase der DDR scheiterten Sanierungen schon daran, dass Treibstoff für Planierraupen fehlte.Vgl. ebd., 94ff.  

Entscheidend war, dass Umweltschutz den »wachstumsbasierten Zukunftsversprechen der SED diametral gegenüber«Tobias Huff, Natur und Industrie im Sozialismus. Eine Umweltgeschichte der DDR, Göttingen 2013, 422.stand. Die SED-Führung war sich bewusst, dass ihre einzige Legitimation materielle Sicherheit für die Bevölkerung war. Darauf zielten alle Anstrengungen und hinkten doch stets dem Westen hinterher, wie DDR-Bürger:innen dem Westfernsehen entnehmen konnten. Die große Mehrheit der Bevölkerung teilte eine »auf materialistische Güter fixierte Einstellung«Ebd., 412.

Das 1963 beschlossene Neue Ökonomische System der Planung und Leitung (NÖSPL) beinhaltete, Ressourcen intensiver zu nutzen und weniger Energie aus Kohle zu gewinnen. Allerdings brachte der Wechsel von Walter Ulbricht zu Erich Honecker im Amt des SED-Generalsekretärs 1971 den »größten Bruch für die Umweltpolitik der DDR«Ebd., 425.. Die »Wochen der sozialistischen Landeskultur«, die für Umweltschutz warben, wurden abgeschafft, der jährliche Umweltbericht verschwand ab 1973 in der Schublade. 

Einerseits hatte die Versorgung der Bevölkerung absolute Priorität, andererseits verschlechterte sich die ökonomische Lage des Landes, weshalb wieder verstärkt Braunkohle verwendet wurde. Die DDR versuchte die Differenz zwischen steigenden Weltmarktpreisen für Erdöl und den aus der Sowjetunion gelieferten günstigeren Öl zu nutzen, in dem daraus Produkte hergestellt und gegen Devisen in den Westen verkauft wurden. Die Politik der 1960er-Jahre, Erdöl statt Braunkohle zu verheizen, wurde revidiert. Deren Abbau erreichte 1985 mit 312 Millionen Tonnen den Höchstwert.Vgl. Horst Tammer, Zur Entwicklung der Rohstoffbasis, in: Behrens/Hoffmann, 70f. Das Entschwefelungsprogramm wurde aus dem Plan für die Jahre 1986-1990 gestrichen.Vgl. Huff, Natur und Industrie, 419. 

 

China und Kuba 

Die politische Führung der Volksrepublik China setzte seit 1978 auf eine rasche kapitalistische Industrialisierung. Für unser Thema ist daher nur die Periode von 1949 bis 1978 relevant und dafür sieht die Bilanz ähnlich aus wie in der Sowjetunion, weil die Kommunistische Partei dem russischen Beispiel folgte, allerdings setzte der große Sprung bei der Industrialisierung erst nach 1978 ein. Die Steigerung der landwirtschaftlichen Produktion durch neue Anbauflächen war notwendig, um den Hunger zu bekämpfen, führte aber zur Entwaldung und Bodenerosion. Seit den 1970er-Jahren gab es jedoch auch umfangreiche Aufforstungsprogramme.Vgl. Engel-Di Mauro, Socialist States, 144f.  

Kuba hingegen trug schwer am kolonialen Erbe. Die Insel war über Jahrhunderten auf Zuckerrohranbau für den Export zugerichtet worden. Das Land war entwaldet worden, die meisten Menschen waren 1959, zum Zeitpunkt der Revolution, landlos, unterernährt, hatten keinen Zugang zu medizinischer Versorgung, sie waren Analphabeten und lebten in Hütten. Die Revolution sorgte dafür, dass die Masse der Bevölkerung den Zustand der absoluten Armut hinter sich lassen konnte. Der Zucker wurde nun in die RGW-Staaten exportiert, dafür lieferte die Sowjetunion günstig Erdöl, wodurch der Ausstoß von Kohlendioxid anstieg. Die Landwirtschaft folgte konventionellen Methoden mit Kunstdünger und Pestiziden.Vgl. Ebd., 170 ff.; Rebecca Clausen/Brett Clark/Stefano B. Longo, Agricultural Crises and the Potential of Cuba’s Organic socialist Approach to Food Production, in: World Review of Political Economy 6 (2015), Nr. 1, 4–32, hier 17f.  

Dieses Austauschmodell endete mit der Auflösung der Sowjetunion 1991. Die kubanische Regierung reagierte darauf, in dem sie die Landwirtschaft auf agrarökologische Methoden umstellte und das urban gardening förderte. Favorisiert wurden dezentrale Versorgungsstrukturen, lokal angepasste Anbaumethoden sowie möglichst geschlossene Stoffkreisläufe. Die Forschung in Bereich der Agrarökologie setzte schon früher ein. Auf dem Erdgipfel von Rio 1992 verkündete Fidel Castro die Abkehr vom herkömmlichen Entwicklungsmodell. Die Regierung setzte auf Nachhaltigkeit, Selbstversorgung sowie Energie aus erneuerbaren Quellen. Die Erfolge in der Landwirtschaft basieren jedoch auch auf einer Abkehr von den Staatsgütern ab 1993. Die Regierung vergab Land zur kostenfreien Nutzung an Kooperativen und Kleinbauern, die ihre Produkte zu regulierten Preisen auf Märkten verkauften.Vgl. Engel-Di Mauro, Socialist States, 178ff.; Clausen/Clark/Longo, Agricultural Crises, 19ff.  

 

Ökonomische Rückständigkeit und falsche Vorstellungen 

Fasst man die Befunde zusammen, so gelangt man zu dem Ergebnis, dass die staatssozialistischen Länder abschreckende Beispiele für Umweltzerstörungen bieten. Dem steht gegenüber, dass der durchschnittliche ökologische Fußabdruck der Bevölkerung und etwa der Ausstoß an Kohlendioxid weit hinter den Zahlen aus westlichen kapitalistischen Staaten rangierte, was allerdings eher aus Mangel an Gelegenheit resultierte, also dem geringeren Grad an industrieller Entwicklung. Eine aussagekräftige Bilanz muss die Startbedingungen und die ökonomische Basis sowie die von den kommunistischen Parteien jeweils verfolgte Wirtschafts- und Umweltpolitik berücksichtigen, die durchaus einem Wandel unterlag. 

Marx und Engels waren davon ausgegangen, dass die sozialistische Revolution ein internationales Ereignis sein müsste, das in den am höchsten entwickelten kapitalistischen Staaten – zu ihrer Zeit waren das Großbritannien, Deutschland, Frankreich und die USA – nahezu gleichzeitig stattfinden müsste, um erfolgreich zu sein. Eine Revolution in agrarisch-vorindustriell geprägten Ländern hielten sie für illusorisch oder zum Scheitern verurteilt. Selbst wenn sich die Revolutionäre gegen die Aggression der kapitalistischen Staaten halten können, wäre eine Diktatur die Folge, um den Mangel zu verwalten, aber keine befreite Gesellschaft. 

Tatsächlich fanden sozialistische Revolutionen in Ländern statt, die bettelarm und vorindustriell-agrarisch geprägt waren (Russland, China, Kuba, Vietnam). Einige dieser Staaten waren jahrzehnte- bis jahrhunderIn Russland folgte auf den Ersten Weltkrieg der Bürgerkrieg von 1917 bis 1921, in dem die westlichen kapitalistischen Mächte eingriffen. Von 1941 bis 1944 verwüsteten die Deutschen weite Teile der europäischen Sowjetunion. In China herrschte Bürgerkrieg von 1927 bis 1949, viele Jahre lang parallel zu einem japanischen Eroberungskrieg von 1937 bis 1945. In Vietnam begann 1946 der Kampf gegen die französische Kolonialmacht, der bis 1954 dauerte, gefolgt vom Krieg um Südvietnam von 1957 bis 1975.Zurecht trachteten kommunistische Parteien danach, das Überleben der Bevölkerung zu sichern und die Armut zu beseitigen, womit sie sehr erfolgreich waren. 

Die osteuropäischen Staaten wurden sozialistisch ohne Revolution. Als die Staaten der Anti-Hitler-Koalition den Kontinent aufteilten, fiel der Osten der Sowjetunion zu, die dort stalinistisch geprägte Satellitenstaaten etablierte. Einige dieser Staaten waren von den Deutschen während des Zweiten Weltkriegs besetzt und ausgeplündert worden. Manche waren agrarisch geprägt (Rumänien, Bulgarien, ebenso Jugoslawien und Albanien), die wenigen, die stark industrialisiert waren (DDR, Tschechoslowakei), besaßen kaum eigene Rohstoffe. 

Ein wichtiger Aspekt ist, dass kommunistischen Parteien die westliche Industrialisierung als Vorbild nahmen, die unter sozialistischen Vorzeichen nachgeholt werden sollte. Lenin rühmte den Taylorismus und deutsche Effizienz, etwa der Reichspost. Im Regelfall versuchten sozialistische Staaten eine eigene Schwerindustrie als Basis aufzubauen, um am Ende der Entwicklung mehr Konsumgüter zu produzieren. 

Anders als kapitalistische Staaten konnten sie dabei nicht auf Rohstoffe, Nahrungs- und Futtermittel aus Kolonien und später unabhängigen Staaten des globalen Südens zurückgreifen. Der koloniale und neokoloniale kapitalistische Extraktivismus und die Externalisierung von Schäden waren sozialistischen Staaten versperrt. Berechnet man Umweltschäden ein, die dadurch im globalen Süden entstanden, fällt die Öko-Bilanz im Systemvergleich für den Westen noch schlechter aus. 

Dieser Systemvergleich ist wichtig, vor allem gegenüber bürgerlichen Propagandist:innen. Aber das kann einer radikalen Linken nicht genügen. Wir müssen uns fragen, warum sich sozialistische Revolutionen zu mörderischen Diktaturen entwickelten, welchen Anteil linke Theorie und Politik daran hatten und was wir daraus lernen müssen. Dazu gehört auch eine Auseinandersetzung mit der Umweltpolitik der sozialistischen Staaten. 

Der Fokussierung auf eine nachholende Industrialisierung lag eine Ideologie zugrunde, die bürgerliches Fortschrittsdenken unkritisch übernahm. Die Steigerung der Produktivkräfte wurde zum Fetisch. Die Wurzeln dieses Denkens finden sich im Traditionsmarxismus der Sozialdemokratie vor dem Ersten Weltkrieg. Karl Kautsky, Chefideologe der SPD und der Zweiten Internationalen, glaubte, die Entwicklung von Wissenschaft, Technik und Maschinerie würde von allein zum Sozialismus führen, indem sie die kapitalistischen Produktionsverhältnisse unterminierte. Anschließend würden Technik und Wirtschaft sich ohne die Beschränkungen, die sich aus der Profitlogik ergaben, schrankenlos zum Wohle der Menschheit entfalten.  

Die kommunistischen Parteien übernahmen diese Perspektive mit dem großen Unterschied, dass sie wie alle radikalen Linken wussten, dass eine Revolution nicht von selbst kommt, sondern als politisch bewusster Akt organisiert und durchgekämpft werden musste. Im Anschluss daran war die Industrialisierung jedoch das große Vorbild und Ziel. Jenseits des berechtigten Anliegens, die Armut zu überwinden, stellte das Konsummodell des kapitalistischen Westens stets das große und verlockende Vorbild dar, für Parteiführungen wie Bevölkerung gleichermaßen. 

Der Systemwettstreit wurde eben nicht über Umweltschutz gewonnen, sondern über das Sortiment im Kaufhaus. Die SED lernte diese Lektion bereits durch den Aufstand von 1953, alles andere musste dahinter zurückstehen. Die Menschen, die sich um Umweltfragen sorgten, »blieben stets eine kleine Minderheit«Huff, Natur und Industrie, 413, die Mehrheit war bereit, für bessere Versorgung mehr Umweltbelastung in Kauf zu nehmen, darüber bestand Übereinstimmung von Führung und Bevölkerung. 

 

Kritik der Dissidenten an der Wachstumslogik 

Kommunistischen Dissidenten war das Problem bewusst. Wolfgang Harich forderte einen Kommunismus ohne Wachstum und plädierte für eine globale sozialistische Ökodiktatur.Vgl. Wolfgang Harich, Kommunismus ohne Wachstum? Babeuf und der Club of Rome. Gespräche über Ökologie, Reinbek 1975. Wachstum werde in der DDR »angebetet«Robert Havemann, Morgen. Die Industriegesellschaft am Scheideweg. Kritik und reale Utopie, Frankfurt a.M. 1982, 52., rügte Robert Havemann. Rudolf Bahro forderte einen »Bruch mit der extensiven Wirtschaftsdynamik«, wofür eine »Kulturrevolution im Bewusstsein« notwendig sei.Rudolf Bahro, Die Alternative. Zur Kritik des real existierenden Sozialismus, Reinbek 1980, 220 u. 225. Kollektive Rücksichtnahme auf Naturzusammenhänge sei überlebensnotwendig. 

Eine Kritik des westlichen Konsumsystems wäre der Mehrheit der DDR-Bevölkerung schwer zu vermitteln gewesen. Dieses Urteil lässt sich auf die anderen staatssozialistischen Länder übertragen. Die Mahnungen des Club of Rome (1972) wurden im Osten wie im Westen ignoriert. Wachstum zur Steigerung des Lebensstandards, eng gefasst als Überfluss von Gütern und Dienstleistungen, war überall das Ziel.Vgl. Karl Hermann Tjaden, Matur, Mensch und Gesellschaft – Zur »Sozialistischen Reproduktionstheorie«, in: Behrens/Hoffmann, Umweltschutz in der DDR, 129–152, hier 143. 

Ein sowjetisches Lehrbuch zur Politischen Ökonomie, in deutscher Übersetzung 1955 in der DDR veröffentlicht, bezeichnete stetiges und schnelles Wachstum als Ziel, um günstig Massenbedarfsgüter herzustellen. Der Übergang zum Kommunismus wurde daran gemessen, dass die Produktion wächst und »ein Überfluss an Konsumgütern«Akademie der Wissenschaften der UdSSR. Institut für Ökonomie, Politische Ökonomie. Lehrbuch, Berlin 1955, 438, 527, 623 u. 641. entstünde. Eine moderne sozialistisch-ökologische Perspektive wird sich davon verabschieden müssen. Havemann forderte bereits 1982, die Industrie in den reichen Ländern zu schrumpfen und nur in den armen Ländern weiter auszubauen.Vgl. Havemann, Morgen, 26. Er nahm damit eine ökosozialistische Degrowth-Perspektive vorweg. 

 

Peter Bierl 

Der Autor arbeitet als freier Journalist, publiziert unter anderem in Jungle World, Konkret und Rechter Rand und ist aktiv bei der Gruppe Left Ecological Association (LEA).