Nicht nur christliche FundamentalistInnen und querfrontlerische Publizistengockel vertreten die Meinung, dass Feministinnen der Schrecken der Gesellschaft sind. In allen Feuilletons, Talkshows und in der Linken tritt regelmäßig dann, wenn Frauen auf Sexismus und Geschlechterhierarchien hinweisen, antifeministisches Ressentiment zutage. Die Äußerungen reichen von »wer heute noch diskriminiert wird, ist selber schuld« bis zu dem ältesten aller Vorwürfe, Feministinnen seien lustfeindliche Spaßbremsen.
Barbara Kirchner schreibt in ihrem Essay Dämmermännerung gegen derartige antifeministische Positionen an. Mit Vehemenz und zahlreichen Beispielen entlarvt sie auf knapp 90 Seiten Text antifeministische Rhetorik und argumentiert, warum ein gesellschaftliches Unrechtsverhältnis nicht individuell auflösbar ist.
Dabei bekommen viele ihr Fett weg. Zuvorderst »die kleinbürgerlichen und billigintellektuellen Männderdenker, die bourgeoisen Quotenheuchler, die Fit-For-Fun-Motivationsspinnerinnen« und andere, die sich am antifeministischen Rollback beteiligen. Insbesondere Antifeministen, die sich für aufgeklärte Zeitgenossen halten, werden von Kirchner auseinandergenommen und in ihren Argumentationsfiguren enttarnt.
Eine dieser rhetorischen Figuren imaginiert den Feind zwar als allmächtig, aber findet in ihm gleichzeitig ein leichtes Opfer. In Kirchners Worten: »real schwach und phantastisch übermächtig«. Am Beispiel der Homo-Ehe zeigt Kirchner, dass eine mit wenig Rechten ausgestattete Gruppe, für den »Zerfall der Familie« allgemein oder sogar individuell verantwortlich gemacht wird. Oder wie Frauen, die real nicht einmal gleiche Löhne für dieselbe Tätigkeit erhalten, als unfair bevorteilt halluziniert werden. Kirchner kommt zu dem Urteil, »Antifeminismus ist der Sexualentfremdungsprotest der dummen Kerls.«
Auch feministische Positionen werden von Kirchner kritisch untersucht. Die Frauenbewegung hätte die Lohn-für-Hausarbeit-Debatte mit den Gewerkschaften als Arbeitskampf führen sollen, um die Forderung nach geldwertem Lohn dorthin zu bringen, wo bereits Mehrwert produziert wird. »Queerfeministische Militante« würden Männern Privilegien lieber entziehen, statt sie zu »wünschenswerten Universalien zu erklären«. Auch das Abspaltungstheorem der Wertkritik und Judith-Butler-Lesekreise werden mit Seitenhieben bedacht. Trotz aller Kritik an bestimmten feministischen Spektren wiederholt Kirchner an verschiedenen Stellen, dass es für einen gemeinsamen Kampf nicht der Voraussetzung bedarf, jede Analyse zu teilen. »Man muß nicht an die ungebrochene Existenz des Patriarchats glauben, um festzustellen, daß sich der Kampf gegen Leute lohnt, die es verteidigen und retten wollen«, (ja, das Buch ist in konkret-Manier in alter Rechtschreibung gesetzt, was genauso unnötig ist, wie die häufigen Verweise auf falsche Sprachverwendung bei GegnerInnen).
Ein ganzes Kapitel widmet sich Bernhard Lassahn, Publizist und Käpt‘n Blaubär Autor. Seine »rechten Denkblasen« stehen exemplarisch für »die Irrenzone des rechten Demagogenpools«. Dieser argumentiert dumpf, dass alle Feministinnen gegen Penetration, Männer und Kinder seien. Er postuliert einen »Zeugungszwang«, wenn er Liebe mit Sex und Sex mit Fortpflanzung gleichsetzt. Nichts anderes verdient seiner Meinung nach einen rechtlichen Schutz. Schwule und Lesben sind Lassahn und den Seinen ein biologischer Unfall, der nicht als normal angesehen werden dürfe. Warum sie solch neurechten, querfrontlerischen Positionen Raum gibt, erklärt Kirchner damit, dass diese von der gesellschaftlichen Mehrheit als Referenzfolie genutzt werden – nach dem Motto, so schlimm wie die sind wir nicht, aber gebt acht, wenn wir nicht wären, würde es euch noch schlechter ergehen.
Im letzten Kapitel Es kommt aber darauf an, sie zu verändern präzisiert die Autorin, die hauptberuflich als Professorin für theoretische Chemie tätig ist, ihren antikapitalistischen Feminismus. Sie argumentiert gegen die olle Nebenwiderspruchsthese, weil »Unfreiheiten, die noch aus der Urhorde stammen, von keiner neuen Gesellschaftsformation je automatisch weggefegt wurden«. Sagt aber auch, dass »alle Erscheinungsformen des […] nicht kapitalismusspezifischen Unrechts […] kapitalistisch eingerichtet, vermittelt, organisiert« sind. Barbara Kirchner richtet sich gegen alle, die von Herrschaft und Besitzverhältnissen nicht reden wollen, und schließt damit den Kreis ihrer Argumentation. Denn der erste Satz dieses – nach eigener Bezeichnung – »Traktats« lautet: »Man kann Schlechtes verbessern, ohne das anzutasten, was am Schlechten schlecht ist.«
Leider versucht die Autorin zu viel in ein Essay zu packen, so dass manche Kritik in einem Nebensatz verschwindet, oder Anspielungen unverständlich bleiben. Insgesamt dennoch eine empfehlenswerte Lektüre, die deutliche Worte gegen Antifeminismus findet und mit interessanten Beispielen und Anekdoten unter anderem aus der Welt der Naturwissenschaft arbeitet.
Susanne Fischer
Barbara Kirchner: Dämmermännerung. Neuer Antifeminismus, alte Leier, konkret, Hamburg 2014, 96 S., € 12,.