Das Versprechen der Kunst. Aktuelle Zugänge zu Adornos Ästhetischer Theorie, herausgegeben von Marcus Quent und Eckardt Lindner, ist ein Sammelband zu Inhalt und Bedeutung der betreffenden Publikation von Theodor W. Adorno. Die 14 Texte sind 2012 und 2013 im Zusammenhang universitärer Veranstaltungen in Leipzig entstanden. Thematisch divers schwankt die Mischung vielleicht mehr als bei derartigen Veröffentlichungen üblich zwischen interessanten und weniger interessanten, besser und schlechter geschriebenen Texten.
Der Gegenstand aller AutorInnen ist Adornos Ästhetische Theorie, ein unabgeschlossener Text, ein Entwurf, der durch den Tod Adornos nicht nur fragmentarisch blieb, der das Fragment nicht nur zum Thema hat, sondern an sich selbst auch noch einen hohen Anspruch in Bezug auf praktische Anwendbarkeit stellt. Das Gravitationszentrum der Ästhetischen Theorie bildet eine materialistische Gesellschaftskritik, die an Möglichkeiten der Durchbrechung eines warenförmig beschränkten Bewusstseins orientiert ist. Dass allein Sprache und Begriffe daran nicht heranreichen, hat Adorno mit der Negativen Dialektik gezeigt. Schwer zu sagen, ausgehend von Inhaltsverzeichnis und holprigem Vorwort, inwiefern dieses gesellschaftskritische Moment selbst Gegenstand des Buches ist oder die AutorInnen sich nicht eher darum bemühen, die eigene Tätigkeit mit Adorno ins rechte Licht zu rücken.
Das Versprechen der Kunst dreht sich eher um Aktualität innerhalb eines deutschen akademischen Zusammenhangs als um gesellschaftlich drängende Fragen. Bis auf Kerstin Stakemeiers Beitrag Verfransung und Digitalität. Medienspezifik in der Krise behandelt kaum ein Text gänzlich neue Fragen. Das Versprechen der Kunst für Adorno liegt im Zusammenhang von warenförmiger Gesellschaft und Befreiung. Darum geht es im vorliegenden Band höchstens indirekt und vor allem in den Texten, die sich ausdrücklicher mit Idee und Möglichkeit von Widerstand und Autonomie auseinandersetzen. Zum Beispiel fragt Jan Völker: Inwiefern kann Kunst bzw. künstlerische Praxis sich nicht in gesellschaftlich falschem Bewusstsein verstricken lassen, wie verhalten sich Philosophie bzw. Politik zu sinnlicher Erfahrung und Ausdruck? In der Frage der Kunst könne es nicht darum gehen, »dass in ihr das Andere erscheint: was erscheint, ist vielmehr Schein, als Unverfügbarkeit des Sinnlichen, und so etwas, das sich als Veränderung ansprechen liesse.«
Es ist schwierig eine allgemeine Aussage über den Gehalt einer Publika-tion zu treffen, die sich fragmentarisch auf einen wiederum Fragment gebliebenen Textentwurf bezieht. Versuchen wir die Vielfalt von Inhalt und Duktus der 14 Texte und des Vorwortes zur Darstellung zu bringen durch eine Zusammenstellung des einiger erster Sätze (ohne weitere Berücksichtigung des typischerweise einleitenden Adorno-Zitats): »Adorno, als feiner Seismograph der historischen Umstände, antwortet mit seiner Philosophie auf die Probleme seiner Zeit.« (Vorwort der Herausgeber) »Sofern die Ästhetische Theorie Adornos heute Aktualität aufweist, dann durch das luzide Denken des Ineinander von Kunst, Philosophie und Gesellschaft, das sich in dem unvollendet gebliebenen Werk am eindrücklichsten niederschlägt.« (Marcus Quent) »Der Zusammenhang zwischen der Gesellschaftstheorie und der Ästhetik Adornos kann in der Antwort auf ein Problem gesehen werden, das Philosophie, Soziologie und Ästhetik gleichermaßen betrifft: Wie kann etwas gedacht werden, das dem gesellschaftlichen Subjekt durch seine Begriffe nicht zugänglich ist?« (Anna Danilina) »Die bestehende Welt ist nicht alles.« (Michael Hirsch) »Warum Adorno?« (Jan Völker) »Hamm kannte einst einen Wahnsinnigen, der Bilder malte.« (Eckardt Lindner) »Es sind die 1960er Jahre, in denen Theodor W. Adorno diese Sätze schreibt.« (Kerstin Stakemeier) »Adornos letztes philosophisches Werk, die Ästhetische Theorie, ist unvollendet geblieben.« (Burckhardt Lindner) »Die Frage, was es für Musik und für Adornos Verhältnis zur Musik bedeutete, wäre er so alt wie Gadamer geworden, ist verführerisch.« (Claus-Steffen Mahnkopf) »Ein Zufall des deutschen Alphabets macht die Namen Adorno, Brecht, Celan zu einem ABC des Nachdenkens über den Stand von Kunst heute.« (Hans-Thies Lehmann) »Theater ist gewiss nicht die Kunstform, die Adorno in seinen Schriften beispielgebend anführt oder expliziert.« (Marianne Seidler) »Wenn sie beharrt, finde ich das nicht schlimm.« (Christoph Türcke in seiner Antwort auf eine Frage von Marcus Quent zur Beharrlichkeit Kritischer Theorie) »Ästhetisches Denken, eine sinnliche Affektion, die den Geist trifft, ist ein Denken des Bildes.« (Alexander Garcia Düttmann) »Es gibt Leidenschaften, die ihre Schlüssigkeit aus ihrer Grundlosigkeit beziehen.« (Marcus Steinweg)
In Hinsicht auf das Buch und seine Konfiguration ist eine solche parametrische Zusammenstellung vielleicht nicht weniger aussagekräftig als einzelne Bemerkungen über einzelne Texte. Verständlicherweise haben die meisten der 14 AutorInnen mit der Schwierigkeit zu kämpfen, sich auf einen Text zu beziehen, der sein eigenes Stolpern, seine eigene Verfassung, seine eigene sprachliche Befangenheit derart reflektiert wie die Ästhetische Theorie.
Paul Fada
Marcus Quent?/?Eckardt Lindner (Hrsg.): Das Versprechen der Kunst. Aktuelle Zugänge zu Adornos ästhetischer Theorie, Turia + Kant, Wien 2014, 271 S., € 29.