Mehr als eine unabgeschlossene Phase unserer Jugend

Wie die Zeitschrift gegen die Realität zwischen Anspruch und Wirklichkeit vermittelt und warum sie sich dafür ändern muss

Im Sommer 2000 herrschte große Sorge in so mancher Antifa-Gruppe, denn die Nazis wurden zu gut bekämpft. Und zwar vom Staat, der die Zivilgesellschaft zum »Aufstand der Anständigen« aufrief. Der Staats-Antifa Sommer war nicht so sehr der Startschuss, sondern eher der bittere Moment der Wahrheit. Grundlegende Unzulänglichkeiten des von Gruppen wie der Antifaschistischen Aktion Berlin und der Autonomen Antifa [M] aus Göttingen vertretenen Konzepts des »revolutionären Antifaschismus« wurden offenkundig.Die etwas hilflose Reaktion auf Antifa.de kann man z.B. hier nachlesen: http://www.antifa.de/cms/content/view/65/32/. Bereits seit Mitte der neunziger Jahre war die Antifa in der Krise.Insbesondere galt das für die [M] aus Göttingen, gegen die die Staatsanwaltschaft einen großen Prozess angestrengt hatte, der 1995 gegen Auflagen eingestellt wurde. Damit fiel für diese Gruppe das inhaltliche Hauptbetätigungsfeld, nämlich die Thematisierung der eigenen Kriminalisierung, weg.

Die Gründung der Phase 2 war nicht zuletzt eine Reaktion auf diese Krise. Die beteiligten Gruppen waren auf der Suche nach neuen Wegen, ihre politischen Schwerpunkte selbst zu setzen, beziehungsweise überhaupt erst welche zu entwickeln. Manche sahen die Zeitschrift auch als »Überwinterungsprojekt« – eine Chance wenigstens einen losen Organisationsrahmen zu erhalten, der wieder ausgeweitet werden könnte, wenn bessere Zeiten kämen.

Von einer Überlebensstrategie für den »revolutionären Antifaschismus« hat sich die Phase 2 jedoch zur Dauereinrichtung gewandelt, die ihre Existenzberechtigung nicht mehr in erster Linie daraus zieht, Selbstverständigungsmedium einer Bewegung zu sein. Schnell hat sich die Redaktion von dem Ansatz gelöst, in erster Linie Debatten zwischen aktivistischen Gruppen anzustoßen und zu dokumentieren. Sie ist dazu übergegangen, ihre inhaltlichen Schwerpunkte losgelöst von politischen Mobilisierungen zu setzen – seien das nun Anti-Nazi-Demonstrationen, antirassistische Kampagnen oder Antiglobalisierungsproteste. Damit ist auch deutlich geworden, dass das Zielpublikum nicht mehr nur Gruppen sind, die über die Zeitung ihre politischen Positionen aushandeln, sondern ganz allgemein an linken Debatten interessierte Einzelpersonen. In gewisser Weise hat die Phase 2 sich damit dem »normalen« Pressebetrieb angenähert. Das ist nicht notwendigerweise schlecht, es entspricht aber auch nicht unbedingt dem Gründungsgedanken.

Dieser Artikel zeichnet den Werdegang des Projekts in groben Zügen nach und versucht, das Verhältnis zu charakterisieren, das die Phase 2 zu linksradikaler Bewegungspolitik hat und wie dieses Verhältnis die Arbeit der Redaktionsmitglieder und AutorInnen prägt.

Angriff der Staatsantifa

Im April 2001 fand in Göttingen der Kongress »2001 – Das Jahr, in dem wir Kontakt aufnehmen« statt, ausgerichtet von den innerhalb der Antifaschistischen Aktion/Bundesweite Organisation (AA/BO) dominanten Gruppen, nämlich der Autonomen Antifa [M] aus Göttingen und der Antifaschistischen Aktion Berlin (AAB), sowie dem Bündnis gegen Rechts (BgR) aus Leipzig, das in der AA/BO den sogenannten Beobachterstatus innehatte. Über diesen Kongress urteilte die Leipziger Redaktionsgruppe der (damals noch in Gründung befindlichen) Phase 2 später: »Sicherlich hat der Kongress keine wirklich neuen Erkenntnisse über den Zustand der linksradikalen Bewegung gebracht. Genauer gesagt, hat er im Prinzip genau das bestätigt, was auch schon vorher klar war: Die Antifabewegung der 90er Jahre befindet sich in einer inhaltlichen wie strukturellen Krise und ist in der jetzigen Form an ihren Endpunkt geraten. Dennoch war der Kongress kein kläglicher Abgesang auf die Politik der letzten Jahrzehnte, sondern wie vorgesehen eine Bestandsaufnahme der linksradikalen Antifabewegung und der Auftakt zu überfälligen Diskussionen.«Phase 2 Leipzig, Contact 2001 Göttingen, in: Phase 2.01 (2001).

Gezeigt hatte sich laut Phase 2 Leipzig, dass inhaltliche Gruppenpositionen praktisch nicht vertreten würden und dass man sich eigentlich nur einig darin sei, den Kapitalismus abschaffen zu wollen, nicht aber darin, wie das Abzuschaffende überhaupt zu charakterisieren sei. Ansonsten betrafen die Kontroversen eher taktische und strategische Fragen. Beispielsweise, ob man sich überhaupt noch sinnvoll in der Anti-Nazi-Politik betätigen könne, nachdem die rot-grüne Regierung sich den Kampf gegen Nazis nun selbst auf die Fahnen geschrieben hatte. Vertreter des Konzepts »revolutionärer Antifaschismus«, insbesondere die Autonome Antifa [M] aus Göttingen, hatten bislang immer erklärt, dass die Wurzeln des Faschismus im Kapitalismus lägen und dass Anti-Nazi-Politik der »Hebel« sei, an dem eine revolutionäre, auf die Überwindung des Kapitalismus abzielende Politik ansetzen könne. Die Existenz der Nazis galt als Symptom der bürgerlichen Gesellschaft, woran sich ihre Schlechtigkeit nachweisen ließe, und im militanten Kampf gegen die Nazis konnte man zugleich die eigene Radikalität glaubwürdig vermitteln. Mit dem Antifa-Sommer, in dem der Staat den Anti-Nazi-Kampf vorübergehend übernommen und die Antifa dabei locker an die Wand gespielt hatte, wurde aber deutlich, dass man über das Hebeln vergessen hatte, was man in welche Richtung bewegen wollte. Das führte zu der recht absurden Situation, dass die Antifa sich endlich in Ruhe dem wichtigen Projekt der Abschaffung des Kapitalismus widmen konnte, aber gar nicht recht wusste, was damit gemeint sein sollte – abgesehen davon, dass es eben über den Kampf gegen Nazis hinausgehen sollte. Da die Antifa-Gruppen der neunziger Jahre aus der Konfrontation mit einem enormen Nazi-Problem entstanden waren, waren sie ideologisch klare Fronten gewöhnt und die Diskussionen drehten sich mehr um das Wie des Kampfes als um das Warum und Wohin. Das genügte nun nicht mehr, um den eigenen Standpunkt als linksradikale AntifaschistInnen hinreichend klar zu bestimmen und schon gar nicht, um erklären zu können, inwiefern der Faschismus denn nun im Kapitalismus wurzele.

Flucht in die Druckerei 

Es lag also nahe, eine neue Kultur der inhaltlichen Debatte etablieren zu wollen, wie es sie in den tonangebenden, professionell auftretenden und pragmatischen Antifa-Gruppen nicht gab. Erste Hoffnungen auf derartige neue Impulse hatte bereits der vom Bündnis gegen Rechts (BgR) und anderen Leipziger Gruppen ausgerichtete Verstärkerkongress 1999 geweckt, auf dem offensiv antideutsche Positionen in die Antifa hereingetragen wurden. Die Gruppen der AA/BO erhofften sich vom BgR die benötigten neuen Anstöße. So ist auch der Titel des späteren Kongresses 2001 in Göttingen zu verstehen: Es ging darum, Kontakt aufzunehmen und einen Austausch über das eigene Spektrum hinaus zu wagen sowie die eigene Politik infrage stellen zu lassen. Zu verlieren hatte man ohnehin wenig, denn die AA/BO war zu jenem Zeitpunkt bereits sichtlich am Ende. Versuche in den neunziger Jahren mit Broschüren wie EinSatz! oder Das Konzept Antifa, die Grundlagen der eigenen Politik zu formulieren, waren gescheitert, da es sich um bloße Strategiepapiere handelte. Der daumendicke Reader vom Verstärkerkongress war dagegen aufregend anders und bot hinreichend Stoff für die Diskussion um das eigene problematische Verhältnis zur bürgerlichen Gesellschaft.

So kam es, dass auf dem Kongress 2001 in Göttingen nicht nur die AA/BO sich für aufgelöst erklärte, sondern zugleich die Gründung eines Zeitschriftenprojekts bekanntgegeben wurde, das sich Phase 2 – Zeitschrift gegen die Realität nannte. Phase 1 war die AA/BO gewesen, und man versprach, dass auf die inhaltliche Selbstverständigung der Gruppen, die die Phase 2 leisten sollte, auch wieder eine kämpferischere Phase 3 folgen würde. Die Phase 2 wurde als für die Fortentwicklung des revolutionären Antifaschismus logischer Schritt betrachtet. Wenn es schon keine bundesweite Nachfolgeorganisation der AA/BO geben sollte,Neben der AA/BO gab es als Organisationsansatz zwar auch noch das BAT (Bundesweite Antifatreffen), das jedoch eher den Charakter eines Anti-Nazi-Vernetzungstreffens hatte und dem Wunsch der BO-Mitgliedsgruppen nach einer Organisation, die selbst politische Schwerpunkte setzt, nicht entsprach. Gleichzeitig kritisierten zahlreiche Gruppen des BAT die AA/BO für ihre parteiähnlichen Strukturen und die starke Dominanz einzelner Gruppen. die ein gemeinsames Programm erarbeitete, so würden die relevanten Gruppen doch immerhin über die Zeitschrift in Kontakt bleiben, ihre inhaltlichen Positionen aneinander schärfen und vielleicht sogar gewisse Eckpunkte für die Bewegung herausarbeiten. Dabei wurde eine offene Einladung an Antifagruppen ausgesprochen, sich mit eigenen Texten und Positionen an der inhaltlichen Füllung der Zeitschrift zu beteiligen. Das durchaus ehrenwerte Ziel war es (und ist es bis heute), nicht einfach dominant eine politische Linie zu installieren. Die als notwendig erkannte inhaltliche Debatte sollte organisch aus dem diffusen Ansatz des revolutionären Antifaschismus und der Politik der Gruppen, die ihn vertraten, herausdestilliert werden. Wäre das erst einmal gelungen, so der Gedanke, stünde man Ereignissen wie dem Antifa-Sommer 2000 nicht mehr hilflos gegenüber, sondern könne sie im Gegenteil als Gelegenheiten begreifen, aus der Defensive herauszukommen. Noch wichtiger war vielleicht, dass sich spätestens auf dem Verstärkerkongress abgezeichnet hatte, dass die inhaltlichen Differenzen zwischen den antideutschen und antiimperialistischen Lagern auch für die Antifa relevant sein würden, sofern sie ihren gesellschaftsverändernden Anspruch aufrechterhalten wollte. Für die an der Phase 2 beteiligten Gruppen bedeutete das, sich selbst in dem entstehenden politischen Konfliktfeld zu verorten, um anschließend zu bestimmen, wer von der eigenen Warte aus ins Boot geholt werden sollte und wer nicht. Bei aller beschriebenen Diffusität fiel schon bei der Gründung die Entscheidung, dass antideutsche Positionen mindestens ein starkes Gewicht in der Zeitschrift haben würden, weshalb die antiimperialistisch orientierte Antifa Bonn Rhein-Sieg bereits in der Vorbereitungsphase ihren Hut nahm.

Es zeigte sich, dass das längst offenkundige Zerbröckeln der Ex-BO-Szene sich entgegen mancher Hoffnungen durch die Phase 2 nicht aufhalten ließ. Die neuen politischen Fronten liefen quer durch Gruppen wie die AAB und die [M] und führten in beiden Fällen zur Auflösung: Die AAB spaltete sich 2003 in die »Traditionsantifa« Antifaschistische Linke Berlin und die sich ironisch als KP bezeichnende Gruppe Kritik & Praxis, welche sich wenig später noch einmal in die Gruppe soziale Kämpfe und in Theorie.Organisation.Praxis (TOP B3rlin) aufteilte. 

Bereits Anfang 2003 erklärte die Redaktion der Phase 2 den Ansatz für gescheitert, Selbstverständigungsmedium für eine linksradikale Bewegung zu sein.Ironischerweise schaffte es zur selben Zeit erstmals die Unterzeile »Magazin für eine linksradikale Bewegung« auf den Umschlag der Ausgabe 6. In einem Dossier in der Jungle World beschrieb sie den Anspruch, eine Plattform für die Weiterentwicklung von Gruppenpositionen zu bieten: »Weder die Gruppen, die sich im Reflexionsprozess befanden, erwiesen sich als interessiert, ihre Diskussionen transparent zu machen, die nicht mit der Festigkeit alter Gewissheiten auftreten konnten, noch war der traditionalistische Flügel dazu bereit, sich umfassend auf die neuen Fragen einzulassen. Mit den wahrnehmbaren Aktivitäten ging auch das Finden von Standpunkten immer mehr zurück. An dieser Stelle [...] stand die weitere Existenz von Phase 2 in Frage. Das ursprüngliche Konzept war gescheitert und nie in die Praxis umgesetzt worden.«Redaktion der Phase 2, Pluralistisch, doch mit harter Hand, zit. n. http://jungle-world.com/artikel/2003/03/9870.html.

Inzwischen hatte sich in der Phase 2 nach kurzem Gerangel endgültig die antideutsche Fraktion durchgesetzt – insbesondere zeichnete sich das nach dem 11. September 2001 ab. In der zweiten Ausgabe des Magazins verurteilte die Leipziger Redaktion den Krieg gegen den Terror und den Kampf für Menschenrechte zwar deutlich als »weitere Durchsetzung der westlich-kapitalistischen Ordnung im globalen Maßstab«, verurteilte aber zugleich Antiamerikanismus und Islamismus.Phase 2 Leipzig, Globalisierung der Menschenrechte, zit. n. http://phase2.nadir.org/rechts.php?artikel=35&print=ja. In der fünften Ausgabe, die 2002 erschien, kam es schließlich zum offenen Bruch: Das Heft, in dem es schwerpunktmäßig um den Begriff der Solidarität gehen sollte, behandelte schließlich in fünf von sechs Artikeln das Thema Israelsolidarität. Nach dieser Ausgabe verließen Teile der Berliner und Göttinger Redaktionen das Projekt. Spätestens damit war die Phase 2 bei einem Teil der Antifa-Szene auf der Gegenseite gelandet (und wird dort auch bis heute verortet). Das Projekt blieb zwar inhaltlich »pluralistisch« (wie es auch im Titel des oben zitierten Artikels heißt), sortierte aber mit harter Hand die Positionen in tragbare und untragbare, die Themen in interessante und weniger interessante. Ein unkritischer Bezug auf Antiglobalisierungskampagnen oder nationale Befreiungsbewegungen, wie er in »Traditionsantifas« üblich war, kam nicht mehr in Frage, auch nicht, wenn er nur strategisch begründet wurde. Auch die schematische Rückführung des in Artikeln beschriebenen Übels auf den Kapitalismus im letzten Absatz – ein typisches Überbleibsel des revolutionären Antifaschismus, bei dem jedes behandelte politische Thema immer nur insofern eine Berechtigung hatte, als es einen unmittelbaren »Hebel« zur Kapitalismuskritik darstellte – wurde immer häufiger versäumt. Stattdessen setzte die Phase 2 eigene Schwerpunkte, bei denen sich eine solche Verbindung oftmals einfach nicht im bekannten Flugblattstil herstellen ließ.Insbesondere hervorzuheben ist, wie die Phase 2 Erinnerungspolitik in der radikalen Linken zum Thema machte. So z.B. in Ausgabe 9 (September 2003), die die Europäisierung deutscher Schuld behandelte. Kurz: In der Phase 2 setzten sich Inhalte und ein Stil durch, die nur sehr begrenzt mit dem traditionellen Antifaschismus der neunziger Jahre kompatibel waren.Für die Göttinger Redaktion der Phase 2, die lange Zeit eine Arbeitsgruppe der [M] war, bedeutete das unter anderem auch einen ständigen Rechtfertigungsdruck, denn dort galt die Devise: »Frag nicht, was die [M] für die Phase 2 tun kann, frag, was die Phase 2 für die [M] (also: für die Bewegung) tun kann!« Zur Selbstauflösung der Göttinger Redaktionsgruppe kam es allerdings trotzdem erst nach der Spaltung der [M]. Sie war nicht mehr geeignet Jugendlichen, die Nazis doof finden, zu vermitteln, dass der Kapitalismus »eigentlich an allem Schuld« sei. Die Antifa-Gruppen waren ihrerseits nicht geeignet, die Phase 2 zum Zwecke der beabsichtigten inhaltlichen Selbstverständigung zu nutzen.

Frag, was kann die Phase 2 für dich tun

 

Weiterhin präsentierte die Phase 2 Positionen, mit denen radikale Linke sich auseinandersetzen sollten. Und ähnlich wie beim revolutionären Antifaschismus blieb die Bestimmung des Links-Seins selbst bei aller inhaltlichen Ausdifferenzierung weitgehend leer. Bei der Phase 2 hingegen wird die entsprechende Leerstelle durch die LeserIn gefüllt: Diese gilt den MacherInnen der Phase 2 als mündig und fähig, sich auf Grundlage der verschiedenen dargestellten Positionen selbst eine vernünftige Meinung zu bilden. Mit ihrer 2003 formulierten neuen Zielsetzung, im Sinne einer radikalen Kritik der gesellschaftlichen Verhältnisse »interessante« Standpunkte vorzustellen, enthebt die Phase 2 sich ein Stück weit des Anspruchs, den Rahmen für Debatten zu stellen, aus denen ein politisches Programm hervorgehen soll. Die präsentierten Positionen müssen nicht auf einen konsistenten Gesamtentwurf zulaufen, sie dürfen heterogen sein und auch bleiben.

Diese Änderung der Zielsetzung war freilich weniger einer bewussten konzeptionellen Entscheidung geschuldet und mehr den oben beschriebenen Umständen. Positiver formuliert, ließe sich auch sagen, dass das ab 2003 veränderte Konzept der Phase 2 »organisch gewachsen« ist. Je nach Perspektive mag es dabei als historischer Glücks- oder Unglücksfall gelten, dass die Zeitschrift aufgrund ihrer Herkunft aus dem politisch diffusen Antifa-Umfeld bis heute vergleichsweise pluralistisch geblieben ist. In jedem Fall ist die Zeitschrift in ihrer derzeitigen Form nicht geeignet, inhaltliche Grundlagen für eine neue linksradikale Bewegungsorganisation zu erarbeiten. Die Phase 2 ist also gar keine Phase, kein Übergang zwischen zwei jeweils anders gearteten Zuständen, sondern ein Begleitmedium. Die Texte in der Phase 2 richten sich zwar auch an politisch aktive Gruppen und versuchen, diesen inhaltliche Anstöße zu geben, aber ganz offenkundig tut sie nicht das, was zu AA/BO-Zeiten »die Organisierung vorantreiben« genannt wurde. Das bedeutet, dass die Phase in ihrer jetzigen Form vom Konzept her eine Dauereinrichtung ist. Nicht nur, weil es sie seit zehn Jahren gibt, sondern auch, weil an die Stelle eines diffusen Ziels, nämlich der Phase 3, eine ziemlich konkrete inhaltliche Praxis getreten ist, nämlich die der regelmäßigen Gestaltung und Herausgabe einer Zeitschrift. Die Arbeitsweise der Phase 2 ist allerdings nach wie vor teilweise von der anlassbezogenen Antifa-Kampagnenpolitik geprägt. Bei der müssen Finanzierungen lediglich kostenneutral sein, die von den Gruppenmitgliedern geleistete Arbeit wird selbstverständlich als unentgeltliches »politisches Engagement« verstanden. Bei einem Dauerprojekt wie der Phase 2 mit relativ festen Kosten und konstantem Arbeitsaufkommen wird dagegen immer deutlicher, dass so ein Projekt, soll es Bestand haben, nicht nur in irgendeiner Weise sich selbst finanziell tragen, sondern auch die MitarbeiterInnen entweder so weit aus dem permanenten Engagement entlassen muss, dass sie anderweitig ihren Lebensunterhalt verdienen können, oder einen Teil von ihrem Lebensunterhalt mitfinanzieren. Andernfalls kann das Schicksal zahlreicher Antifa-Gruppen drohen: Nur interessant für Leute zu sein, die (noch) genug Zeit nebenher haben oder Burnout-Fabrik für politische Workaholics.

Phase 2 wählte den ersteren Weg: Es handelt sich um ein Projekt, das die MitarbeiterInnen in ihrer Freizeit gestalten, das aber zugleich den professionellen Standards zeitgenössischer Medienproduktion zumindest halbwegs genügen soll. Das Arbeitsaufkommen muss dabei so weit begrenzt werden, dass die MitarbeiterInnen es neben ihrem Arbeits-, Studien- oder Ämteralltag (auch in Kombination) bewältigen können.

Obwohl bzw. weil die Phase 2 komplett ehrenamtlich erstellt wird, bemühen AutorInnen und RedakteurInnen sich allerdings zuweilen durchaus, ihre Arbeit an dem Projekt produktiv in ihre jeweiligen beruflichen Laufbahnen zu integrieren: Für junge WissenschaftlerInnen und angehende JournalistInnen mag der Phase-2-Artikel eine erste Publikationschance sein. Andere suchen den Kompromiss zwischen Doktortitel und Phase-2-Mitarbeit, indem sie ihre Themen von vorneherein entsprechend wählen. Wurden solche Doppelstrategien innerhalb der Redaktion anfangs noch heiß diskutiert (z.B. galt es manchen zeitweilig als anstößig, einen Artikel mit dem eigenen Klarnamen zu zeichnen, weil man damit den individuellen Profilierungsdrang vor den politischen Kollektivcharakter des Projekts stellte), so sind sie inzwischen – soweit ich es beurteilen kann – selbstverständlicher Bestandteil der Mitarbeit an der Zeitung.

Den Kompromisscharakter merkt man dem Projekt natürlich zuweilen an, zum Beispiel an der oft bemängelten Akademisierung des Stils. Eine weitere Folge ist, dass die Phase 2-Mitarbeit vor allem für diejenigen interessant und dauerhaft tragbar ist, die in der einen oder anderen Weise Teil des akademischen Betriebs sind und für die sich die genannten Synergien ergeben.

All das sind Probleme, mit denen sich nicht allein die Phase 2 herumschlagen muss – weshalb es ihr aber trotzdem nicht schaden würde, sich offener mit ihnen zu konfrontieren. Die Strategien, den eigenen Berufs- oder Ausbildungsalltag und die Phase 2 möglichst gut unter einen Hut zu bringen, sind schließlich nicht als moralisches Versagen der betreffenden Individuen zu verurteilen, sondern eher als der Versuch zu begrüßen, auf persönlicher Ebene mit dem wohlbekannten Problem der Untrennbarkeit des Privaten und Politischen umzugehen. Diesen Strategien sollte ein höheres Maß an Legitimität zugesprochen werden, damit sie leichter bewusst und offen praktiziert werden können. Anstatt zu bemängeln, wenn AutorInnen umgearbeitete Hausarbeiten liefern, sollte von vorneherein deutlich gemacht werden, inwiefern sich ein Phase 2-Artikel von einer Hausarbeit unterscheiden muss und an welchen Punkten dennoch Synergien erzielt werden können. Allgemeiner ausgedrückt: Die Phase 2 hat auf Dauer gar keine andere Wahl, als ihren AutorInnen und RedakteurInnen die Arbeit weitest möglich zu erleichtern. Die Alternative wäre eine angemessene Honorierung der geleisteten Arbeiten zwecks partieller Freisetzung aus dem Zwang, anderweitig Geld zu verdienen, die leider angesichts der finanziellen Lage der Zeitschrift – ebenfalls auf Dauer – kaum möglich sein wird. Unter solchen Bedingungen sind Konzepte zur Einbindung der Mitarbeit an einem politischen Projekt in einen Lebensalltag unter kapitalistischen Bedingungen weit sinnvoller als moralische Appelle daran, dass man politisch doch »wenigstens noch was machen soll«, indem man der Phase 2 etwas beisteuert.

 Es bleibt erstaunlich, wie viele Schwerpunkte die Phase 2 jenseits aller »Sachzwänge« herkömmlicher Bewegungspolitik setzen konnte, und wie viele dieser Schwerpunkte ihren Weg in die politische Praxis linker Gruppen gefunden haben. Gerade deshalb sollte der Fortbestand dieses Projekts nicht vom Idealismus seiner MitarbeiterInnen abhängig sein.

JURI DADARIN

Der Autor ist Gründungsmitglied der Phase 2 und arbeitete neun Jahre lang in der Redaktion mit.