Happy Birthday Phase 2! Zehn Jahre und 40 Ausgaben sind seit der Gründung unserer Zeitschrift vergangen. Dermaßen ins Alter gekommen, soll nicht einfach gefeiert werden, ohne die Bedingungen unseres Weiterbestehens in Augenschein zu nehmen: Wieso eine Phase feiern, die ursprünglich doch lediglich eine Übergangsphase sein sollte zwischen einer gescheiterten Antifa-Bewegung mit revolutionärem Anspruch und der »wirklichen Bewegung« (Marx)?
Als 2003 die sechste Ausgabe der Phase 2 an der tschechischen Grenze beschlagnahmt wurde, stellte die Redaktion in der Jungle World die berechtigte Frage, ob und inwiefern – so der vermutete Hintergrund der Konfiskation – der Interpretation der Phase 2 als Zeitschrift für die linksradikale (und in den Augen der Zollbehörden damit staatsfeindlichen) Bewegung tatsächlich Geltung zukäme. Die zur Zeit der Gründung der Zeitschrift nahestehenden Gruppen haben mittlerweile an Bedeutung für eine linke Organisierung verloren, haben sich gespalten oder aufgelöst und zu weiteren Beschlagnahmungen ist es seitdem nicht gekommen; sollte die Phase 2 damit aufgehört haben, Medium der Selbstverständigung für linksradikale Gruppen zu sein? Schließlich behaupten böse Zungen, eine Zeitschriftengründungen besiegele das Ende jeder Bewegung.
Wir wollen nicht darüber hinwegtäuschen: In der aktuellen Konstellation der Redaktionen sowie den fortbestehenden gesellschaftlichen Bedingungen liegt der Eintritt in eine »Phase 3« offenkundig ferner als im Gründungsjahr 2001. Bereits 2003 wurde gefragt »Welche Phase haben wir gerade?«, war die Zeitschrift doch dem Anspruch, ein Transformationsmedium der auseinanderfallenden Antifaorganisierung zu sein, nicht gerecht geworden, so dass sich ein Scheitern des ursprünglichen Konzepts nicht verleugnen ließ. Was blieb, war das Anliegen, die richtigen Fragen im Bezug auf die falschen Verhältnisse zu stellen, sowie durch die Konfrontation unterschiedlicher Analysen richtige Antworten zu finden. Daran halten wir auch aktuell und mit Nachdruck fest – so viel bzw. so wenig ist sicher. So – zumindest wäre das zu hoffen – verfällt auch der proklamierte »Pluralismus mit harter Hand« in seiner Ablösung von Gruppendiskussionsprozessen nicht der theoretischen und politischen Beliebigkeit. Dennoch ist es notwendig, sich der schon damals formulierten Kritik – Flucht in die Eiswüste der Abstraktion, Akademisierung und Entfernung von politischer Praxis – weiterhin stellen zu müssen. Unsere Jubiläumsausgabe unter den Schwerpunkt linker Medienproduktion zu stellen, ist deswegen kein Ausweichmanöver. Vielmehr soll die Analyse der zugrundeliegenden gesellschaftlichen Bedingungen, das politischen Potential und auch die materiellen Bedingungen des Medienmachens in gesellschaftskritischer Absicht beleuchtet werden. Denn dies betrifft die Phase 2 so sehr wie andere linke Medien.
Von dem Konzept, eine Gegenöffentlichkeit darstellen zu wollen, wurde sich nicht nur in der Phase 2 weitestgehend verabschiedet. Auch explizit linke Medien sind wohl eher als eine Erweiterung der etablierten Medienlandschaft zu verstehen, die sich lediglich an die »eine« Öffentlichkeit mit ihren Subterrains wendet. Sind die von linken Medien gestellten Fragen und die versuchten Antworten andere als jene, die uns in der Mainstream-Medienlandschaft begegnen? Dazu äußern sich im Phase 2-Gespräch mit dem Freien Sender Kombinat, der Jungle World und dem Blog Lizas Welt drei VertreterInnen unterschiedlicher Medien. Bei der Diskussion über die Sinnhaftigkeit ihres und unseres Tuns zeigt sich, dass sich trotz der unterschiedlichen Medienformate – Online, Print und Radio – die Intentionen und Motivationen ähneln. Für die Phase 2 bedeutete das, die in ihrer 10jährigen Geschichte relevante Positionen und Theorien sowohl vorzustellen als auch zu kritisieren. Dabei sollen Widersprüche nicht geglättet werden, sondern einer polarisierten Diskussion notwendige Differenzierung angedeihen zu lassen. Das hieß vor allem Debatten aus einem sich weiter fragmentierenden linken und antideutschen Spektrum aufzugreifen, das vor allem Auseinanderdriften einer historisch-materialistischen und poststrukturalistischen Gesellschaftstheorie gezeichnet war. Juri Dadarin, seinerzeit Gründungsmitglied der Zeitschrift gegen die Realität beobachtet in »Keine abgeschlossene Phase unserer Jugend« mit kritischer Distanz die nicht ganz unturbulent verlaufenen letzten zehn Jahre der Phase 2. Er zeichnet den Anspruch, Zeitschrift für eine linksradikale Bewegung zu sein, nach, ein Anspruch, der schon kurz nach Gründung der Zeitschrift mit 9/11 und angesichts der Spaltungsprozesse der antifaschistischen Linken nicht mehr so einfach im Munde zu führen war und der auch zu Zerwürfnissen in den Gründungsredaktionen führte. Da die in geschichtsteleologischer Manier erwartete Phase 3 der politischen Praxis ausblieb, blieb es bei der Phase als Dauerzustand. Diese sei, so Dadarin, zwar weiterhin der Gründungsmaxime des Pluralismus mit harter Hand verpflichtet, bleibe aber von den materiellen Zwängen und Erwägungen ihrer Redaktionsmitglieder nicht ganz unberührt.
Nicht nur die Phase 2 sondern linke Medien von Print bis Online, haben es generell schwer, außerhalb der genuinen Zielgruppe wahrgenommen zu werden. Nicht zuletzt steht diese eingeschränkte Reichweite und die mangelnden Einflussmöglichkeiten oft in einem schlechten Verhältnis zum Arbeitsaufwand. Nur für sich selbst schreibt und publiziert jedoch niemand; es geht immer auch darum, verändernd in gesellschaftliche Verhältnisse einzugreifen. Dass diese jedoch durch linke Medienproduktion abgeschafft werden könnten, bezweifelt Doris Akrap. Dennoch bergen diese das Potential, eine größere Öffentlichkeit beeinflussen zu können. Sie plädiert im Sinne Antonio Gramscis dafür, soziale Konfliktstoffe dort aufzugreifen wo sie das Alltagsleben und die Interessen einer breiten Öffentlichkeit berühren und so agitatorisches Potential entfalten können anstatt im eigenen Saft zu schmoren. Dazu gehöre auch das Risiko, es sich mit der eigenen Szene-Leser_innenschaft zu verscherzen. Dem Mangel an finanziellen Ressourcen, »kreativen Geschäftsideen« und dem Missverhältnis von Aufwand und Ertrag sei die Leidenschaft linken Medienmachens entgegenzuhalten – ein kreativer Überschuss also, der über das Bestehende hinausweisen könnte?
Eine linke Diskussion über Medien sollte sich nicht nur den vermittelten Inhalten, sondern auch den gesellschaftliche Bedingungen ihrer Produktion und dem Aspekt der Vermittlung und Wirkmächtigkeit widmen. In diesem Ansinnen ist es lohnenswert, die Tradition der marxistischen Medientheorie zu rekapitulieren und sich Fragen des emanzipatorischen Potentials von Medien und Medientechnik zu widmen. Christoph Hesse führt in
»Besichtigung eines Baukastens« in die unglückliche Geschichte linker Medientheorie ein. Die Vorstellung Lenins, den Staat zu einem massenhaft verfügbaren Kommunikationsapparat umzubauen gilt ihm als Urszene linker Medientheorie. Von hieraus zeichnet er die Geschichte linker Medientheorie und ihrem Verständnis von Medien als Voraussetzung der Einrichtung vernünftiger Verhältnisse bis hin zur »Entrümpelung« der Medientheorie vom Marxismus nach. Neben dem Triumph der akademischen Medienwissenschaft, der die Gesellschaft keine weitere Beobachtung wert sei als im Effekt des Medialen, fiele die Linke durch eine anhaltende Ratlosigkeit auf. Selbst die z.T. marxistisch grundierten Debatten um neue Produktionsweisen im Bereich der Software und Peer Production blieben auf Fragen des technischen Vollzugs begrenzt. Angesichts der Eskalation der Medien in Form von IT wäre zu begreifen, wie sich die von Marx analysiere Wertform in den technischen Prozess eingeschrieben habe.
Eine Analyse kultureller Produktion im Lichte kapitalistischer Vergesellschaftung war auch ein Anliegen der Kritischen Theorie. Felix Riedel entfaltet Adornos Überlegungen zur Kulturindustrie, sein Ansinnen den Fetischcharakter der Kulturwaren dialektisch darzustellen anhand einer Betrachtung von Film und Musik. Es gelte, Adorno gegen den Vorwurf, miesepetrige und konservativen Kulturkritik zu betreiben, zu verteidigen. Seine Herangehensweise sperre sich gegen eine instrumentelle Haltung zu seiner Theorie, sehr wohl seien jedoch seine Überlegungen anhand zeitgenössischer Medienprodukte aktualisierbar.
Was hingegen eine linke Medienkritik meinen könnte, versucht Oliver Jelinski mit einem Unbehagen am Begriff zu beantworten. Medienkritik bedeute zunächst nichts anderes als den empörten Vorwurf, nicht Wesentliches mehr zu übertragen und die Fabrikation von Stupidität zu betreiben. Der Zweifel an der Angemessenheit eines Mediums setze jedoch einen äußeren Zweck voraus, dem sich das Medium anzupassen habe. Klassische linke Medientheorien wiesen zwar auf ein in verschiedenen Medien inhärentes emanzipatorisches Moment hin, das ihren Zweck transzendieren könne. Unklar bleibe jedoch, wie dieser in der ideologischen Verfasstheit der Gesellschaft samt der ihr anhängigen technischen Apparate zum Tragen kommen könne. Die Suche nach dem kritischen Potential eines Mediums in seiner Repräsentationsfunktion bedeute letztlich immer die Frage nach dem Verhältnis von Subjekt und Objekt, das sich nicht in einer Kritik medialer Vermittlung erschöpfen dürfe.
In ebenfalls erkenntnistheoretischer Absicht widmet sich Christoph Schneider der »Medialität des Weltverhältnisses.« Da anders als in medialen Verhältnissen Wirklichkeit nicht erfahrbar ist, sei Authentizität und Unmittelbarkeit der Repräsentation eine überkommene Forderung. Interessant für linke Zusammenhänge werden Medien schließlich als »historische Grammatik der Interpretationsverhältnisse«, ihr wohne die Möglichkeit der Bedeutungsproduktion und -verschiebung inne. Diese Position muss jedoch von der Simulationsthese abgegrenzt werden, mit der die Erkenntnis der Wirklichkeit als eine durch Medien verstellte begriffen wird. Der Begriff des Mediums erfordere eine materielle Referenz, deren Rettung jedoch auf eine mediale Struktur angewiesen ist.
Von dem amerikanischen Sozialisten Irving Howe stammt sinngemäß der Satz, wenn Linke nicht mehr wüssten, was zu tun sei, gründeten sie eine Zeitschrift. Es mag stimmen, dass linke Medien oft Reaktionen auf die ewige Frage nach der Bedeutungslosigkeit emanzipatorischer Praxis sind. Dennoch bleiben sie die einzige Möglichkeit, sich über den eigenen Dunstkreis hinaus um eine Analyse und Kritik der gesellschaftlichen Zustände zu bemühen. Solange die sich nicht zum Besseren wenden, braucht es eine Zeitschrift gegen Realität.
PHASE 2 LEIPZIG