Bis 2015, also in nur fünf Jahren, soll zufolge der »Millenium Development Goals« Die Mitgliedsstaaten der UN und 23 Internationale Organisationen haben 2001 vereinbart, die acht »Millenium Developement Goals« bis 2015 zu erreichen. Oberstes Ziel ist die Halbierung extremer Armut. http://www.un.org/millenniumgoals/. die Zahl der Menschen halbiert sein, die mit weniger als einem US Dollar am Tag leben und somit Hunger leiden. Und was, wenn nicht? Es glaubt kaum noch jemand daran, insbesondere nicht die Menschen, die sich die Erfüllung der Ziele zur Aufgabe gemacht haben. Der Glaube an die Entwicklungshilfe hingegen, inzwischen »Entwicklungszusammenarbeit« genannte, scheint ungebrochen. Allgemein ist es eine der Stärken dieses Feldes, Konzepte, die an der Umsetzung scheitern, mit anderen Vokabeln zu belegen und wie bisher, weiter zu betreiben. Dies geschieht, obwohl Kritik an den Erfolgsaussichten hinsichtlich der faktischen Verbesserung der Lebensumstände in den sogenannten »Less and least developed countries« von Entwicklungszusammenarbeit bereits umfassend formuliert wurde und spätestens seit dem Bestseller »Dead Aid« Dambisa Moyo, Dead Aid. Why Aid Is Not Working and How There Is Better Way for Africa, New York 2009. auch grundsätzliche Zweifel größere Popularität erreicht haben.
Dennoch wird die Notwendigkeit und die in der Gesamtbilanz positive Wirkung selten bestritten. Zu schön sind die beschriebenen Projekte und Ziele und dank Bono und Bob Geldorf wird auch medienwirksam daran erinnert. Der Schuldkomplex wirkt: Irgendetwas muss getan werden! Nicht zuletzt zeichnen schließlich die westlichen Länder mit verantwortlich für das Elend (am anderen Ende) der Welt – sei es durch koloniales Erbe oder weil es ihnen auf Kosten anderer so gut geht.
Die Frage ist nicht, ob die (ehemaligen) Kolonialmächte in der Verantwortung stehen. Es geht nicht darum, ob kleine entwicklungspolitische NGO-Initiativen und Projekte wieder einmal grandios in ihrem Bemühen, Gutes zu tun, scheitern oder auch einen Erfolg verbuchen können. Es geht auch nicht darum, dass sich ein großer Teil der Entwicklungshelfer einen neokolonialen Lebensstil vor Ort gönnt, oder dass Entwicklungshilfegelder ideale Voraussetzungen und Anreize für Korruption bieten, eines der Symptome schlechter Regierungsführung ohne Rechenschaftspflicht.
All dies könnte als Kollateralschaden verbucht werden, unter der Voraussetzung, dass zentrale Aufgabenstellungen mittelfristig erfüllt werden: die Verbesserung der Lebensumstände und der politische Mitbestimmung der Menschen, die von der Hilfe profitieren sollten. Dies ist nicht der Fall, aber dafür schreiben sich die Geber auf die Fahnen, dass sich die Situation, gemessen und indiziert in unzähligen Indexen und Rankings, trotz des hohen Bevölkerungswachstums nicht explizit verschlechtert hat.
Das grundlegende Konzept von »Hilfe« und Entwicklungszusammenarbeit, dazu gehört im Besonderen der General Budget Support inklusive Basket Funds,
Bei der »Allgemeinen Budgethilfe« handelt es sich um Gelder, die den Regierungen zur Verfügung gestellt werden, ohne dass eine Zweckgebundenheit für bestimmte Projekte oder andere Ausgaben vorliegt. »Basket Funds« werden auch an die Regierungen gezahlt, allerdings ist bei ihnen bereits ausgehandelt in welchen »Ausgabenkorb« sie gespeist werden.
Diese Form von Hilfe ist somit nicht einmal in dem Sinne neutral, dass zu hoffen wäre, sie richte zumindest keinen Schaden an. Insbesondere dadurch, dass sie falsche Anreize bietet, trägt sie eher zur Verschlechterung der Situation bei. Dies gilt nicht nur für die staatliche Entwicklungshilfe sondern auch für den Kreis der emanzipierten »Eine-Welt-Aktivisten« die zu den stärksten Kritikern eben dieser zählen. Denn abgesehen davon, dass ihnen weniger Geld zu Verfügung steht, das eingesetzt werden kann, bleibt die Frage, was genau den Unterschied ausmacht?
Das Prinzip Rente
Die Ausschüttung von Entwicklungshilfegeldern – es ist dabei bedeutungslos, ob es sich um Kredite oder nicht zu erstattende Mittel handelt – haben den gleichen Charakter wie Renten Renten sind im weiteren Sinne Gelder, die gezahlt werden, ohne dass dafür eine Arbeitsleistung erbracht wird. Im internationalen Kontext treten sie zumeist in Verbindung mit Bodenschätzen auf, die abgebaut und verkauft werden, ohne dass entsprechende Arbeit im Land geleistet wird. Politische Renten werden von außen für politisches Wohlverhalten geleistet und nicht für durch Arbeit geleistete Wertschöpfung und deren Export. aus Bodenschätzen, Arbeitsmigration oder politisch motivierte Zahlungen. Sie sind häufig nichts anderes, als politische Renten.
Ölrenten sind hierbei ein sehr anschauliches Beispiel. Die dadurch aquirierten Devisen gehen direkt an das herrschende Regime, da dieses in der Regel die Rechte an den Ressourcen hält. Sicherlich gibt es Ausnahmen, in denen subnationale Gewaltakteure und nicht die zentrale Staatsgewalt die Befehlshoheit über die entsprechenden Gebiete innehat. Dies ist jedoch nicht die Regel.
Fehlende Legitimation können Regierungen auf diese Weise ausgleichen: Ölrenten bringen das Einkommen, mit denen die Staatsausgaben gedeckt und die wesentliche Klientel finanziert und so an die Staatsklasse gebunden wird. Es handelt sich um eine Form der Herrschaftssicherung, ohne dass eine lästige Legitimation durch die Bevölkerung, deren Bedürfnisse dementsprechend auch auf der Agenda erscheinen müssten, erfolgt. Dies bedeutet, dass die Bevölkerung nicht zum Staatshaushalt beiträgt und daher bei den Ausgaben auch nicht berücksichtigt wird. In einigen arabischen Staaten funktioniert das hervorragend und bremst politische Entwicklung zu einer partizipativen Gesellschaft aus.
In Jemen, dem ärmsten Staat auf der arabischen Halbinsel, kann das Handeln des Diktators Ali Abdallah Saleh nur so gedeutet werden, als sei dem Regime nicht an der Verbesserung der Lebensumstände der Bevölkerung gelegen. Die Zahlungen der besorgten internationalen Gemeinschaft sind willkommen bis notwendig, um die Herrschaft zu sichern, denn Einnahmen aus Öl- und Gaseinkommen sind gering. Die internationalen Geber bekennen sich zur Armutsbekämpfung, Eindämmung des Terrorismus oder zur Bekämpfung der Piraten im Golf von Aden. Vor Ort tätig sein zu dürfen, lässt sich das Land von den Agenturen gut bezahlen und um so ärmer, instabiler und gefährlicher die Situation, desto sicherer fließt das Geld. Es besteht kein Anreiz für Erfolg und Scheitern wird belohnt.
Der Geldfluss von außen wirkt überdies negativ hinsichtlich einer Überbewertung lokaler Währungen. Das hat die Konsequenz, dass die lokale Wirtschaftsentwicklung ausgebremst wird. Dies entspricht dem Dutch Disease Effekt. Demnach kommt es zur Überbewertung nationaler Währungen, wenn ein Exportgut überproportionale Abnahme auf dem Weltmarkt findet oder wenn aus anderen Gründen ein hoher Zuflusses externer Währungen zu verzeichnen ist, wie zum Beispiel im Fall von Direktinvestitionen oder hohen Entwicklungshilfezahlungen. Die Währung wird aufgewertet und andere Wirtschaftssektoren verlieren an Wettbewerbsfähigkeit, da ihre Produkte auf dem gestiegenen Preisniveau keinen Absatz finden. Vgl. Hartmut Elsenhans, Das Internationale System zwischen Zivilgesellschaft und Rente, Münster 2001. Die Güter anderer Industrien verlieren dadurch an Wettbewerbsfähigkeit und die nachhaltige Schädigung der Wirtschaft anstelle von Wachstum ist die Folge.
Nicht einmal gut gemeint – das falsche Konzept
In diesem Sinne trägt Entwicklungshilfe die gleichen Merkmale wie die Einnahmen durch Öl. Sie werden von außen ins Land gespeist und einer Staatselite zur Verfügung gestellt. Allerdings sind sie angereichert mit guten Intentionen, an sie werden Bedingung geknüpft, wie mit diesen Geldern zu verfahren ist und welche Reformprojekte mit ihnen zu finanzieren sind. Dies sollte den wesentlichen Unterschied ausmachen und sicherstellen, dass die Gelder ihrer Bestimmung zukommen und entsprechend wirken. In Tansania, einem der deutschen Hauptförderländer, macht der Anteil von Zahlungen bi- und multinationaler Geber in den letzten Jahren durchschnittlich knapp 40 Prozent der Gesamteinnahmen des Staates aus. Das bedeutet unter anderem auch, dass nicht einmal die laufenden oder wiederkehrenden Kosten aus eigenen Mitteln gedeckt werden können, sondern dass auch sie neben Reform und Entwicklungsprojekten durch fremde Hilfe finanziert werden.
Auf dem Papier scheint es eine gute Idee zu sein: der Empfänger ist durch bi- und multilaterale Regierungsverträge gebunden, in Reform- und Entwicklungsprogramme zu investieren. Die Prüfung erfolgt über dezidierte Kontrollmechanismen. Die Konzepte zur Messung der Wirkung (Evaluierung) von Entwicklungsmaßnahmen wurden über die Jahrzehnte weiter entwickelt und ein großer Personalbereich des Entwicklungsapparates kümmert sich, mit entsprechend finanziellem Aufwand, ausschließlich darum, in diesem Feld neue Methoden zu entwickeln und die Entwicklungshelfer im Feld darin aus- und weiter zu bilden. Problematisch ist es, wenn Monitoring und Evaluierungen nicht die entsprechend Ergebnisse zeigen. Dann kann sich diese Abteilung auch noch um die Schöpfung »neuer« Begriffe und Konzepte bemühen, damit der Anschein von Erfolg gewahrt wird. Daher messen wir inzwischen nicht mehr »Output« sondern »Impact« und betreiben nicht mehr »Awarness Rising« sondern »Sensitization«. Bei Ersterem fragt man sich, warum in den 40 Jahren zuvor niemand darauf gekommen ist, nicht nur zu zählen, wie viele Workshops veranstaltet wurden, sondern auch zu messen, ob letztendlich jemand von ihren Inhalten profitiert hat – abgesehen von den gezahlten »per diems« und Aufwandsentschädigungen. Die Geberländer haben sich verpflichtet die gesetzlich geregelten Sitzungsgelder entsprechend der beruflichen Position auch für ihre Veranstaltungen zu zahlen. Für Tagungen im Ausland bedeutet das bis zu 420 US $ pro Tag. An der Klimakonferenz im Dezember 2009 nahmen ca. 95 Delegierte aus Tansania teil – gezahlt vom tansanischen Haushalt. Der Blog http://whyworkwhenyoucansit.blogspot.com/ hat sich ausschließlich dieser Allowance-Kultur gewidmet. Bei Letzterem ist der Unterschied unklar und wartet auch im Deutschen – »Sebsibilisierung« vs. »Bewußtseinsbildung« – auf Klärung.
Darüber hinaus sind die Möglichkeiten zur persönlichen Bereicherung durch Entwicklungshilfe enorm. Am besten eignen sich hierfür jedoch große Infrastrukturprogramme: Positionen, die Ausschreibung und Auftragsvergabe regeln, sind daher von besonderem Interesse. Instandhaltung ist aus diesem Grund eher uninteressant, da die Verdienstaussichten ungleich geringer sind.
Die Logik des Gebens und das Fehlen des Willens
Obwohl die Mitbestimmungsmechanismen der Bevölkerung als Zielgruppe durch die Entwicklungshilfe ausgehebelt wurden und die Maßnahmen nicht zu den gewünschten Ergebnissen führen, bleibt auf die entsprechenden Reaktion zu warten: Das Nichterreichen der Zielindikatoren führt nicht dazu, dass die Zahlung von Hilfsgeldern gestoppt wird. Dies ist nicht im Interesse der Geber. Zum einen gibt es häufig wirtschaftliche oder politische Interessen, die ein Verbleiben der Organisationen im Land wünschenswert erscheinen lassen. Diese sind entsprechend der unterschiedlichen Regionen so vielfältig wie Entwicklungsinitiativen selbst. Zum anderen gibt es noch die von »live aid« und anderen Pop-Aktivisten und Initiativen verwirrte Masse von Menschen, die es gut meinen – jedoch in einem überschaubaren Rahmen und besonders zu Weihnachten.
Dieser Umstand und vielschichtige Eigeninteressen von Geberländern – wie das Erschließen von Märkten, Sicherheit, Zugang zu Ressourcen, geographische Kontrolle – die oftmals nicht auf der offiziellen Agenda auftauchen, lassen es nicht opportun erscheinen, die Zahlung von Entwicklungsgeldern einzustellen. Trotzdem ist zurzeit zu beobachten, dass sich Geberstaaten von dem in der »Paris Declaration« Fünf Prinzipien sind der Kern der »Paris Deklaration« – verabschiedet 2005 zur Steigerung der Wirksamkeit der Entwicklungszusammenarbeit: Eigenverantwortung, Partnerausrichtung, Geberharmonisierung, ergebnisorientiertes Management, gegenseitige Rechenschaftspflicht. 2005 bekräftigten »General Budget Support« (GBS) wieder abwenden. Dabei sollte GBS das Wundermittel sein für »Ownership« der Empfänger und durch »Donor-Harmonisation« die Transaktionskosten für die Länder Afrikas gesenkt werden. Das zuvor niedrige Niveau der Koordination der Entwicklungshilfegelder und Projekte führte zu Klagen von Verwaltung und Regierungen der Empfängerländer. Sie kämen kaum noch dazu sich um ihre eigentlichen Aufgaben zu kümmern, da sie sich permanent um die Belange der Geber kümmern müssten, heißt es. Diese brachten beispielsweise ihre je eigenen Berichtsformate für die Verwendung der Gelder mit, wodurch der Verwaltungsaufwand unverhältnismäßig gesteigert wurde.
Die Budgethilfe trennt nicht viel von klassischen Ölrenten und so kann es nicht überraschen, dass inzwischen das Scheitern des Konzepts der allgemeinen Haushaltshilfe zu beobachten ist. Dies führt zu einer Wiederentdeckung der Zivilgesellschaft, die sich in der expliziten finanziellen Unterstützung und Förderung durch Beratungsleistungen von NGOs, Non State Actors, Community Based Organizations niederschlägt.
Same same but the same
In den siebziger Jahren hat der gleiche Denkvorgang schon einmal stattgefunden: weg von direkten Staatstransfers, hin zur Finanzierung von zivilgesellschaftlichen Akteuren. Diese Entwicklung hatte unterschiedliche Ursachen. Die häufig als Folge von Strukturanpassungsmaßnahmen (SAP) durchgeführten sozialen Einschnitte Die durch die Breton-Woods-Institutionen geforderten Reformen umfassen unter anderem häufig die Abwertung der Währung, Maßnahmen zur Förderung des Exports und Liberalisierung des Außenhandels, Sparmaßnahmen im Haushaltsbudget durch Kürzungen von Subvention für Landwirtschaft, Hauptnahrungsmittel, Gesundheitsführsorge und Bildung. und die daraus resultierende massive Verarmung der Bevölkerung in den betroffenen Ländern begünstigte die Entstehung von sozialen Bewegungen. Sonja Hegasy, Staat, Öffentlichkeit und Zivilgesellschaft in Marokko. Die Potentiale der soziokulturellen Opposition, Hamburg 1997, 225. Die Strategie zur Abdämpfung dieser »Nebeneffekte« der SAP sah vor, die Netzwerke der sozialen Bewegungen oder NGOs zu fördern um die soziale Misere der Bevölkerung zu lindern. Auch befürchteten Unruhen sollte damit entgegengewirkt werden. Dies bedeutete eine Entpolitisierung dieser Organisationen hin zu Serviceanbietern, die zentrale staatliche Aufgaben übernehmen, wie beispielsweise Wasser- oder Gesundheitsversorgung. Weiterhin bewirkte diese Strategie einen Boom der NGO-Neugründungen als Einkommensmöglichkeit durch Hilfsgelder.
Nun sollen wieder die NGOs einspringen und kontrollieren, was mit den von oben in den nationalen Haushalten eingespeisten Mitteln passiert – das sogenannte »budget tracken«. Projekte, die den Fluss der Staatsausgaben verfolgen, gehören zurzeit zu den beliebtesten Instrumenten der Geber. Besonders den Menschen in den ländlichen Gebieten soll gezeigt werden, dass sie Mitspracherechte haben und dass es an ihnen liegt, einzufordern, was ihnen zusteht. Auf dem Papier klingt dies zunächst gut und sicherlich wird es auch partielle Erfolge geben, die dann »Best Practice« genannt werden. Ob das aber zum durchschlagenden Erfolg hinsichtlich der politischen Teilhabe führt, ist zu bezweifeln. Denn es sind wieder einmal die Geber, die sich ein »neues« Konzept überlegt haben, das nicht durch interne Anreize stimuliert wird. Das nennt sich dann »donor driven« und auch für diese Problematik wurde umfassend sensibilisiert und für einen bewussten Umgang geworben. Trotzdem bleiben Reformvorhaben weitestgehend von den Gebern initiiert und unkoordiniert. Es mangelt an lokaler Selbstverantwortung, die aufgrund fehlender Anreize auch kaum zu erreichen ist.
Der Strategiewechsel beinhaltet die Renaissance der kleinen Initiativen, die sich in den Ländern tummeln. Häufig sind sie auch erst durch die Erkenntnis entstanden, dass es hohe Summen an Fördermitteln zu beziehen gibt, wenn die Vorlieben und Richtlinien der Geber richtig gedeutet und in Projektanträgen die eigenen Aktivitäten richtig beworben werden. »NGO-Mushrooming« heißt das im Geberjargon abfällig, das in der Regel vorwurfsvoll betont, dass es den Aktivisten nicht um die Sache, sondern um persönliche Bereicherung gehe. Allerdings sind Projektentwicklung und Mittelaquise ein hartes Stück Arbeit, die Inhalte haben aber oft wenig mit den realen Bedingungen und Bedürfnissen der Zielgruppe zu tun. Die Strategien werden in den Metropolen oder schlimmer noch in Übersee entwickelt. Aber »on the ground« soll die Arbeitsweise »auf Augenhöhe« und solidarisch sein, um partizipative Strukturen zu stärken.
Offen bleibt auch die Frage, wie eine Gesellschaft eigenverantwortlich für die gerechte Verteilung von Ressourcen eintreten soll, um die Deckung ihrer Grundbedürfnisse beispielsweise im Bereich Bildung, Wasserversorgung und Gesundheit einzufordern, wenn immer wieder Menschen als Feuerwehr einspringen. Hinsichtlich des Ergebnisses zählt es nicht, woher das Geld, die Sachspende oder die Freiwilligenarbeit junger Ärzte und Lehrer kommt und mit welcher Intention sie durchgeführt wird.
Die Wiederentdeckung der Zivilgesellschaft bewirkt auch, dass Arbeitssuchende nun nicht nur in die Verwaltung streben sondern auch das NGO-Business als relativ sichere und gut bezahlte Arbeitswelt für sich entdecken. Allemal ist es besser als in einem unsicheren Geschäftsumfeld selbständig zu arbeiten. Die durch EZ-Gelder gut genährte technokratische Regierung und Verwaltung bremst jene Initiativen durch Mehrfachbesteuerung, unvorteilhafte Wirtschaftspolitik und lange Behördenwege ohnehin aus. In Tansania beispielsweise dauert es zwei bis drei Jahre und fordert über 200 Formulare bis eine Geschäftsgründung offiziell erfolgen kann.
Weiterhin unterfüttert jegliche Hilfe oder Zusammenarbeit die Einschätzung der Menschen, mit denen partizipativ gearbeitet werden soll, dass alle Maßnahmen von außen initiiert werden müssen – Eigeninitiative und das Einfordern von verantwortlichem Handeln ihrer gewählten Vertreter ist keine Option. Fremdfinanzierte Projekte schaffen Parallelstrukturen, die den hinsichtlich seiner Leistungen schwachen »Staat« weiterhin schwächen und verwässern.
Allerdings soll nicht vergessen werden, dass die Menschen durchaus ihre eigenen Strategien haben. Diese und ihre Lebensrealitäten haben jedoch nur wenig mit den in den Hauptstädten entwickelten Policies zu tun. Oft entpuppt sich der »arme Baumwollfarmer« bei genauerem Hinsehen als findiger Geschäftsmann, der nebenbei noch Mofas vermietet, einen Kleinhandel für Reis und Bohnen betreibt und Tabak anbaut. Twaweza [Kiswahili: »we can make it happen«], »Key Observations from Nine Communities about Power, Change, Access to Information, Livelihoods and Basic Services«. http://twaweza.org. Dies zu erkennen und in die Planungen aufzunehmen, erfordert allerdings mehr, als eine Stippvisite des externen Beraters zum Kreuzchen-machen.
Diese ist eines der zentralen Argumente der Abgrenzung internationaler Gruppen gegenüber bürgerlicher Entwicklungszusammenarbeit: der direkte Kontakt und die Auseinandersetzung mit der Bewegung vor Ort. Die Probleme wurden schon lange erkannt und nach eigener Wahrnehmung wird mit einem wirklich partnerschaftlichen Ansatz und auf Augenhöhe die Zusammenarbeit zum Wohle aller Beteiligten vorangetrieben. Denn ein Teil der Motivation muss es sein, sich selbst vom Joch des Unterdrückens zu befreien. Nicht in der Hilfe, sondern im gemeinsamen Kampf liegen die Kraft und vor allem die Lösung.
Same same and very much the same
Es macht den Anschein, als habe sich auch eine emanzipatorische Bewegung auf den Weg gemacht, um Mittagessen an Schulen zu organisieren und Straßenkinderprojekte durchzuführen. Bildung ist wichtig und die Situation besonders der ländlichen Gesundheitsversorgung in weitestgehend untragbar. Aber was sollte der Schluss daraus sein? Wo liegt der Unterschied zu den Aktivitäten internationaler, finanziell pot
enter Träger, die im Zweifelsfall mehr Expertise, Erfahrung und Vernetzung mitbringen und trotzdem seit 40 Jahren mehr Schaden anrichten als Verbesserung bringen? Stehen diese Initiativen dann nicht viel mehr, zumindest in der praktischen Umsetzung, in Konkurrenz zur »Mission of Spouses« – die Ehefrauen (und sehr selten auch Männer) des Botschaftspersonals, die sich relativ ähnliche Aufgabenfelder gesucht haben?</p>Kern einer politischen Solidaritätsbewegung muss politische Arbeit sein und nicht darauf abzielen, Serviceangebote wie Gesundheitsversorgung zu liefern oder zu verbessern. Wenn der Gegenüber diese grundlegende Voraussetzung nicht mitbringt, dann liegt die konsequente Reaktion im Rückzug aus der angeblichen Partnerschaft, auch wenn es weh tut, das Land schön ist, die Menschen nett sind – ehrlicher Weise kann dann ja auch wie ein ganz normaler, häufig auch verachteter Tourist werden, der Ort oder gar Freunde besucht. Diese Ehrlichkeit lassen allerdings viele dieser politischen Initiativen genauso vermissen, wie die von ihnen kritisierten großen Agenturen. Ansonsten passiert das Gleiche: Konzepte und Denkweisen werden übergestülpt und am Ende ist die Verwunderung aller Beteiligten groß, warum der Partner es nicht so umsetzt, wie gemeinsam zuvor besprochen.
Menschen in Tansania – um wieder dieses Beispiel zu bemühen – haben sich selbstverständlich Strategien angeeignet, die auch auf Erfahrungswerten beruhen, die mit vermeintlich reichen Wazungu Kiswahili: Wird meistens übersetzt mit »Europäer« aber gilt letztendlich für alle Nichtafrikaner und Asiaten. gemacht werden. Wie sollen Unterschiede für sie durchschaubar sein. Im Zweifelsfall ist die Außenwirkung nur, dass mal wieder einer kam und den Notstand kurzzeitig und punktuell gelindert oder behoben hat. Dies entspricht genau den bisherigen Erfahrungswerten. Nachhaltige Servicestrukturen werden auf diese Weise nicht entstehen, egal aus welcher Intenti
on im Einzelfall agiert wurde.</p>Von Jule Pickenbrock. Die Autorin lebte und half bis August 2010 in Ostafrika.