Editorial

Liebe Leser*innen, »I‘m still alive«, das ist wohl das Beste, was man am Ende von 2020 erwarten kann. Also Pearl Jam ausmotten und sich ein wenig auf die Schulter klopfen. Durchgekommen! So geht es auch der Phase 2. Immerhin durchgekommen. Die ohnehin angezählte Kommunikationsstruktur zwischen den Redaktionen hat die Pandemie nicht überstanden. Die Redaktionen aus Hamburg und Berlin haben entschieden, nicht weiterzumachen. Vielleicht war es an der Zeit, vielleicht war es die Zeit. Jedenfalls wird die Phase ab dem kommenden Heft zum ersten Mal überhaupt nur von einem Redaktionsteam herausgegeben. Leipzig is still standing! Glücklicherweise hat unsere Redaktion in den letzten Monaten Zuwachs bekommen – auch deshalb blicken wir zuversichtlich in die Phase-Zukunft.  Evakuiert alle Lager!  Phase 2 Leipzig 

Abwesenheitsnotiz I

Die Berliner Redaktion scheidet aus der Phase 2 aus. Ursache dafür sind unterschiedliche Vorstellungen der verschiedenen Redaktionen Leipzig, Hamburg und Berlin in Bezug auf die inhaltlichen Ziele und die organisatorische Gestaltung der Zeitschrift, die nicht harmonisiert werden konnten. Für eine hochtrabende Abschiedsschrift ist hier nicht der Ort. Stattdessen wollen wir eine kleine Abwesenheitsnotiz mit den zentralen Gedanken formulieren: 1) Immer wieder taucht in politischen Strukturen ein Konflikt über Organisationsfragen auf – zwischen denen, die zu einem Projekt dazu stoßen und denen, die schon länger involviert sind. Auch wenn es sich uns erschließt, dass die langjährig Organisierten ihre Verfahren nicht von einen auf den anderen Tag für Neuzugänge verändern wollen, die vielleicht nur kurz vorbeischauen, war es doch ermüdend immer wieder die eigenen organisatorischen Wünsche hintenanzustellen. 2) Für uns blieb die Ausrichtung der Zeitschrift zu vage: So konnten wir letztlich keine gemeinsame Antwort auf die für uns drängenden Fragen finden: Welche politischen Debatten sollen auf welche Art und Weise geprägt werden und wo verortet sich die Redaktion? 3) Sowohl die inhaltlichen Debatten als auch unser eigener Lernprozess in der redaktionellen Arbeit wurden durch die geograsche Entfernung der Redaktionen erschwert – nicht zuletzt, weil die Kommunikation fast ausschließlich schriftlich verlief. Inzwischen sind wir uns sicher, dass wir eine redaktionelle Arbeit in dieser Form nicht sinnvoll finden. Schon länger werden wir das Gefühl nicht los, dieses Projekt nicht mehr bereichern zu können. Ein solcher Zustand ist lähmend für alle Beteiligten. Im Projekt wurde diese Entwicklung als »politisches Scheitern« diskutiert, gleichzeitig erschien uns diese Sichtweise als zu pathetisch. Für uns bleibt die Frage, in welchem Umfang Organisationsfragen politische Fragen sind. Gegenwärtig sind wir enttäuscht, aber auch nicht untröstlich. In Zukunft werden wir mit dem, was wir inhaltlich aus dem Projekt mitgenommen haben, in einer uns noch nicht bekannten anderen Form weitermachen. 

Der Phase 2 wünschen wir alles Gute. 

Phase 2 Berlin 

 

Abwesenheitsnotiz II

Zwanzig Jahre und achtundfünfzig Ausgaben lang gibt es bereits die Phase 2, die letzten fünf Jahre und acht Ausgaben davon (wieder) unter Beteiligung einer Hamburger Redaktion. Die Phase 2 hat sich in den zwanzig Jahren ihres Bestehens verändert: Aus einer vierteljährlich erscheinenden »Zeitschrift für die linksradikale Bewegung« mit dem Ziel, »die bundesweite Organisierung der radikalen Linken voranzutreiben«, wurde eine nur noch ungefähr jährlich erscheinende Theoriezeitschrift »für radikale Gesellschaftskritik«, die sich, wie wohl auch ihre Autor*innen und Leser*innen, zunehmend akademisierte und Distanz zum politischen Handgemenge einnahm. Die antideutsche und antinationale Linke, der die Phase 2 nach der Implosion der bundesweiten Antifaorganisierung als Medium der Selbstverständigung dienen wollte, bildet heute keine (und sei es auch randständige) Bewegung mehr, sondern ist in eine Vielzahl von Szenen und Subkulturen zerfallen – womit der Phase 2 auch der Kompass ihrer inhaltlichen Ausrichtung abhandenkam. Auseinandersetzungen um linksradikale Theorie und Praxis finden kaum mehr in langsamen Printmedien wie der Phase 2 statt, sondern überwiegend in Online-Formaten und in den sozialen Medien – dort meist als bloße Schrumpfformen tatsächlicher Debatte. War früher also einfach mehr Lametta? – Nein, die Beschwörung vermeintlich guter alter Zeiten geht fehl. Die Realität, gegen die dieses Heft seinem Selbstverständnis nach anschreibt, hat sich gewandelt, wie könnte es selbst da unverändert bleiben? Über den Umfang und die Form der Veränderung allerdings konnten sich die drei auf Leipzig, Berlin und Hamburg verteilten Redaktionen nicht einig werden. Die Bedingungen der Coronapandemie machten den ohnehin schwierigen Austausch darüber nahezu unmöglich. Wir in Hamburg haben uns daher schließlich entschieden, unsere Mitarbeit mit dieser Ausgabe zu beenden. Unser Bemühen um eine radikale Gesellschaftskritik werden wir in Zukunft in anderer Form fortsetzen. 

Good Bye, Phase 2.

Phase 2 Hamburg