Editorial

Es ist nicht direkt ein neuer Trend, eher ein Dauerbrenner. Um auszudrücken, dass jemand oder etwas besonders verwerflich oder gefährlich ist, liegt nichts näher, als ein Vergleich mit dem Nationalsozialismus. Protestierende in aller Welt verzieren für Demonstrationen das Portrait ihres Lieblingsfeindes mit Hitlerbärtchen – unabhängig von deren Geschlecht wie man bei Anti-Merkel-Kundgebungen beobachten kann. In Deutschland war es eine Zeit lang beliebt George W. Bush als Hitler zu verunglimpfen, Bilder sind eben stärker als Argumente.

Der Bezug auf den Nationalsozialismus dient dabei in Deutschland nicht nur der absoluten Herabwürdigung. Relativierung als Schuldabwehr ist ein alter Hut, den viele deutsche PolitikerInnen zu ziehen wissen.

Regelmäßig wird der Nationalsozialismus bemüht, um die Opposition besonders hart anzugreifen. Berühmt wurde Willy Brandts Äußerung, Heiner Geißlers sei der »seit Goebbels schlimmste Hetzer«. Die Aufregung war groß. Ironischerweise zitierte Geißler als Schlichter in Stuttgart ausgerechnet Goebbels und fragte die Streit-Parteien, ob sie den totalen Krieg wollten. Goebbels steht im Gegensatz zu Hitler nicht nur für »das Böse« schlechthin, sondern auch für Erfolg durch populistische Tricks. Darauf spielte z. B. Helmut Kohl an, als er über seinen späteren »engen Freund« Michail Gorbatschow noch 1986 sagte: »Er [...] versteht was von PR – der Goebbels verstand auch was von PR.«

Helmut Schmidt und Oskar Lafontaine haben sich zu unterschiedlichen Gelegenheiten charakterliche Nähe zu Nazis attestiert. Schmidt verglich 2008 das Charisma von Lafontaine mit dem Hitlers. Dieser hatte wiederum schon vier Jahre zuvor Schmidts vermeintliche Eigenschaften »Pflichtgefühl, Berechenbarkeit und Standhaftigkeit« als Tugenden, die man auch zum Betreiben von KZs benötige, eingeordnet.

Ein wenig origineller, weil seltener, sind Nazibezüge im Kulturbetrieb. Vielleicht weil es unter berühmten Nazis wenig Kulturschaffende gibt. Aktuell bezeichnet Ijoma Mangold in der Zeit nicht den Autor Akif Pirinçci als Nazi, sondern vergleicht etwas subtiler dessen Buch Deutschland von Sinnen mit Hitlers Mein Kampf. Die »Mischung aus Brutalität und Heulerei« sei die Parallele, zudem wähnt sich Mangold auf der guten Seite, wenn er im selben Satz einschiebt: »ich schwöre, ich habe noch nie einen Hitler-Vergleich gezogen in meinem Berufsleben«.

Dass das alles gar nicht so gemeint gewesen sei, beteuern auch PolitikerInnen schnell, wenn sie für ihre Vergleiche kritisiert werden. Wie vor kurzem bei Wolfgang Schäuble sind gerne »die Medien« Schuld, da sie Zitate vermeintlich aus dem Kontext gerissen hätten. Welchen Kontext er meint, wenn er mit Blick auf Wladimir Putins Vorgehen auf der Krim sagt »Das kennen wir alles aus der Geschichte. Mit solchen Methoden hat schon der Hitler das Sudetenland übernommen – und vieles andere mehr.«, kann er auch im späteren Interview nicht klären.

Wir brauchen eine Mauer im Kopf

Phase 2