Der antiamerikanische Traum vom euro-nationalen Kapitalismus

Warum Antiamerikanismus nicht dummer Antikapitalismus ist, sondern gar keiner

Der folgende Text diente als Grundlage des Phase 2-Referats auf der Auftaktveranstaltung des Kongresses »Spiel ohne Grenzen« am 23. Mai in München.

Die Frage, ob der Antiamerikanismus Antikapitalismus für Dumme sei, legt schon durch ihren Verweis auf die Behauptung, der Antisemitismus sei der Antikapitalismus der dummen Kerls, eine Antwort nahe. Diese Antwort, dass es sich beim Antiamerikanismus nicht um eine verkürzte oder verfehlte Form des Antikapitalismus handelt, sondern um gar keine, soll hier für die Friedensbewegung als den im Konflikt um den Irakkrieg sichtbaren Teil der Antiglobalisierungsbewegung belegt werden. Doch mit dieser Antwort stellen sich für linksradikale Gruppen die Fragen: Wie ist das Verhältnis zur Antiglobalisierungsbewegung zu bestimmen? Und welche eigene Praxis sollen sie entwickeln?

 

Die kapitalistische Alternative

Mit dem Angebot einer Freihandelszone an die arabischen Staaten hat George W. Bush die schlimmsten Befürchtungen der Friedensbewegung wahr werden lassen. Schon unmittelbar nach dem Fall Bagdads schlug die Empörung vom nicht legitimierten Krieg und den entsetzlichen Folgen für die Zivilbevölkerung in fassungslose Appelle an die US-Administration um, aus ihrem militärischen Sieg nicht die Schlussfolgerung zu ziehen, die gegen den Krieg eingestellten Nationen nun auch vom Wiederaufbaukuchen fern zu halten. Doch genau danach sieht es aus. Selbst mit ihren Rosinenbombern beißt die EU immer wieder auf Granit bei der amerikanischen Verwaltung des Iraks. Es scheint, als hätten die Bündnisse im Umfeld des letzten Krieges den Traum von Eurabia – einer Freihandelszone zwischen den arabischen Staaten und der EU – in weite Ferne gerückt.

Es ließe sich hier leicht ein Interessenkonflikt im atlantischen Bündnis der kapitalistischen Zentren konstatieren. Doch das wäre der deutschen Seele zu banal. Im Namen der Humanität, des Völkerrechts und schließlich des guten Namens der USA werden Debatten angestoßen, die vom Feuilleton der FAZ bis zur kleinsten Friedensdemo nur ein Ziel haben, die Position Europas gegen die USA zu stärken. Die Mobilisierung dafür ist umfassend, kaum jemand, der die Notwendigkeit nicht einsehen würde. Die Frage heißt nur: Wie das hochgesteckte Ziel erreichen? Die rot-grüne Regierung setzt auf die Entwicklung eigener Strukturen und Bündnisse, die CDU/CSU schätzt das als aussichtslos ein und sieht bei einer Schwächung des Bündnisses mit der weltweit einsatzfähigen Macht die deutschen Interessen – wie jetzt – den Bach runter gehen. Die Straße fühlt sich mal wieder ohnmächtig angesichts einer Weltmacht, die tut was sie will und hofft auf die Verbindlichkeit der UNO und ihrer Regelwerke, weil es einfach richtig wäre, wenn sich die Amis an die Spielregeln halten und andere ihnen sagen lassen, was sie tun sollen. Eine der umfassenden Mobilisierung angemessene Strategie ist in all dem nicht auszumachen.

Was bleibt ist das diffuse Unbehagen gegenüber den USA und der daraus resultierende Hunger nach mehr Macht, um die eigenen Vorstellungen von der Welt verwirklichen zu können. Dass dem von Seiten der Friedensbewegung keine Grenzen gesetzt sind, zeigt sich an ihrem ungewöhnlichen Verhältnis zum Antimilitarismus. Hieß es noch während des Krieges, »Demokratie lasse sich nicht herbeibomben«, werden die Forderungen nach einer europäischen Streitmacht, die das Gegengewicht zu den USA in der UNO verstärken könnte ebenso wenig kritisch kommentiert, wie die Diskussion über deutsche Soldaten am Golf, die die Nachkriegsordnung sichern. Anders als in Großbritannien oder Spanien ist die jüngste deutsche Friedensbewegung offensichtlich von den Einschätzungen des Außenamtes abhängig, ob die jeweiligen Gegner wegen »unserer« Geschichte angegriffen oder beschützt werden müssen.

Und auch vom der Antiglobalisierungsbewegung unterstellten Antikapitalismus bleibt bei der Betrachtung der Friedensbewegung nichts übrig. Zwar wird das ein oder andere negative Moment des Kapitalismus immer noch abgespalten und in die USA bzw. ihre Administration als Hort des Bösen projiziert, aber niemand muss sich Sorgen machen, dass die moralischen Bedenken der Friedensbewegung jemals mit dem nationalen-kapitalistischen Interesse kollidieren könnten. Wäre die EU in der Rolle der einzigen Weltmacht, der Patriotismus würde jede Maßnahme zur Erhaltung oder Verbesserung der kapitalistischen Grundordnung begrüßen. Das zustimmende Desinteresse am Krieg gegen Jugoslawien, dessen Ähnlichkeiten zum Irakkrieg oft genug bis ins Detail erörtert wurden, ist dafür augenscheinlicher Beleg.

 

Wer ist die Friedensbewegung?

Aber verwechseln wir hier nicht einiges? Gibt es nicht neben den Intellektuellen, den KünstlerInnen, VertreterInnen der Kirchen und der publizierenden Meute noch eine soziale Bewegung, die auf die Straße ging und nichts zum Ausdruck brachte als ihre Ablehnung des Krieges? In ihrer Meinung vielleicht diffus, aber doch anhand der konkreten Ereignisse offen und interessiert an einer Kritik der Verhältnisse? Und wurde diese kritische Masse nicht geleitet von Aktiven einer Friedensbewegung, die sich nicht mit einer nationalen oder europäischen Bewegung gegen Amerika identifizieren lässt?

Nichts spricht für diese Interpretation. Was demonstrierte, waren zwar Leute, die sich als staatstragend links einordneten, zudem vertraten sie aber die Mitte der Gesellschaft, die sich ja auch in Umfragen mit überwältigender Mehrheit hinter die Friedensbewegung stellte. Von einer Spaltung dieser mobilisierten Masse von ihren SprecherInnen war nichts zu spüren. Wer wie Günther Grass in den Tagesthemen seine Ressentiments formulierte, konnte sich sicher sein, für die Bewegung zu sprechen. Es waren die bekannten VertreterInnen des zivilgesellschaftlichen Projekts, die dem Protest eine Stimme und eine Meinung gaben. In der Friedensbewegung muss die anlassgebundene Mobilisierung der Zivilgesellschaft gesehen werden, die auch schon gegen die Nazis im »Aufstand der Anständigen« auf der Straße war.

Und noch etwas war nicht zu spüren: Die Existenz einer zweiten, kritischeren Friedensbewegung neben der medial repräsentierten. Wer immer sich wie auch immer innerlich abgegrenzt an den relevanten Friedensdemos beteiligte, war für die kapitalistische Alternative Europa auf der Straße. Wie die Jugend bei MTVs »War is not the answer«-Kampagne haben auch die an den Protesten beteiligten Linken für ihre Regierung gegen den Mann im Weißen Haus demonstriert. Der Antiamerikanismus – vulgo die Kritik am amerikanischen Vorgehen – hat dieses Eintreten der Friedensbewegung für die Ziele des europäischen Kapitalismus und die deutsche Nation im Besonderen kaum verschleiert. Wie die zivilgesellschaftliche Mobilisierung ist auch der Antiamerikanismus Ausdruck des aktuellen Nationalgefühls. Die Analogien, die zwischen dem Irakkrieg und dem auf deutschem Boden stattfindenden Ende des zweiten Weltkriegs gezogen wurden, sind nicht zu zählen. In der bekannten Täter-Opfer-Verkehrung leckte das kollektive Gedächtnis der Deutschen seine Wunden. Fürchterliche Bombennächte, vergewaltigende Eroberer, plündernde GIs – alles war präsent und konstituierte eine Lehre aus der Geschichte, die hieß »Hochmut kommt vor dem Fall«. So wurde das irakische Volk zum deutschen, nur sollte es erfolgreicher sein, etwa so wie der Vietkong.

Der Antiamerikanismus ist in diesem Zusammenhang eine Form der nationalen Selbstvergewisserung. Ihr Leitmotiv ist die Lehre, die die Deutschen aus der Geschichte gezogen haben. Die ehemaligen Besatzer sind dagegen keine Befreier, sondern waren nur die Exekutoren einer Geschichte, die sie selbst noch nicht verstanden haben. Deshalb können sie jetzt an die Stelle der Nazis treten, während die Lehrerin der Reeducation selbst Nachhilfe in ihrer Lehre braucht. Im gesellschaftlichen Mainstream passt das gut mit dem Mythos von der amerikanischen Geschichtslosigkeit (die in der europäischen Tradition schon immer auch mit Kulturlosigkeit verbunden ist) zusammen. Auf Seiten der Linken – und hierunter fällt der Osten samt seiner Regionalpartei aus historischen Gründen als Gesamtheit(1) – liefert der Antiimperialismus die Gleichsetzung »USA-SA-SS« seit dem Kalten Krieg. Wichtiger als das Versagen der USA beim Lernen aus der Geschichte ist für das Nationalgefühl jedoch die eigene moralische Überlegenheit, die aus den Taten der Shoa, zweier Weltkriege und der anschließenden Katharsis folgt. Auch wenn Millionen Demonstrierender nichts bewirkt haben, bleibt doch eine weltweite Mission, die nach einer Durchsetzungskraft schreit, wie sie im Jugoslawienkrieg schon einmal wieder vorhanden war.

 

Die Idee des Alten Europa

Nichts hat diese Gefühle der Identifikation mit der deutsch-europäischen Geschichte so gut zusammengefasst und die Transformation des Nationalsozialismus in den Selbstvergewisserungsdiskursen besser ausdrücken können, als Donald Rumsfelds Formel vom »Alten Europa«. Selbst die sonst um ihr Image als Motor der Modernisierung bemühte Grüne Partei ließ augenblicklich ihre Wahlkampfslogans um den Ausdruck erweitern. Plötzlich war unabhängig von den tatsächlichen Weltverhältnissen klar, wo oben und unten eigentlich sein müsste. Nicht »Apo Bush«(2) sollte der Vater der Weltfamilie sein, sondern die Neue Welt sollte sich ihrer Herkunft bewusst werden und ihrem europäischen Vater den gehörigen Respekt zollen. Im Rahmen solcher Erzählungen von Abstammungsverhältnissen werden dann selbst aus Fragen der innerkapitalistischen Konkurrenz Fragen der kulturellen Identität. Die Reeducation wird unter der Voraussetzung der kulturellen Überlegenheit von der Umerziehung, die abgewehrt werden muss, zu einem Akt der Selbstbesinnung des deutschen Volksgeistes, in dem der Kulturimport aus den USA nur eine untergeordnete Rolle spielt.

Gleichzeitig findet der Antiamerikanismus zu sich selbst. Es ist nicht einfach nur ein Interessengegensatz, der ausgetragen wird, angeblich sind es unterschiedliche Formen des Kapitalismus, um deren Durchsetzung es geht. Was den USA vorgeworfen wird, sind die Ideen des ökonomischen Liberalismus und die weltweite Durchsetzung von Interessen auch mit militärischer Gewalt. Der europäische Kapitalismus reklamiert dagegen für sich, jenseits der Sphäre des schnöden Mammons die soziale, ökologische und entwicklungspolitische Verantwortung zum integralen Bestandteil der bürgerlichen Gesellschaft gemacht zu haben. Die Antiglobalisierungsbewegung setzt genau an diesen Vorstellungen eines besseren, gebändigten Kapitalismus an. Ihr gilt die Globalisierung als Gefährdung des national verfassten Staates, der die Rahmenbedingungen für die politische Zähmung des Kapitalismus bereit stellt. Ihre Forderung nach steuernden Steuern und dem Schutz lokaler Errungenschaften gegen die Wirkungen der kapitalistischen Ökonomie passt deshalb so gut mit dem Antiamerikanismus und der Projektion einer europäischen Alternative zusammen.

Der Staat, den sie verteidigt bzw. fordert, hat in den USA seine Negativfolie. Zugleich gelten die Verteilung ökonomischer und militärischer Macht als Ursache der weltweiten Entwicklung. Dass aber die ökonomischen Zusammenhänge und Entwicklungen einer Logik folgen, die sich nicht nach kulturellen Differenzen teilt, bleibt undurchschaut. Der Antiamerikanismus – weit davon entfernt eine verkümmerte Form des Antikapitalismus zu sein -steht diesem viel mehr im Weg. Sowohl was seine falschen Analyseleistungen betrifft, als auch in der Projektion eines alternativen Kapitalismus.

Die enge Verknüpfung des Antiamerikanismus mit der Bewertung der eigenen auch staatsbürgerlichen Kultur macht in Deutschland zugleich seine Differenz zum Antisemitismus aus. Der Antiamerikanismus ist zunächst kein Hass auf amerikanische Menschen. Er enthält kein rassisches Moment. Deshalb konnte dieselbe Bevölkerung, die im Irakkrieg nach toten GIs lechzte, nach dem 11. September mehrheitlich Mitleid mit den Opfern der Anschläge haben. Das heißt nicht, dass der Antisemitismus im Antiamerikanismus keine Rolle spielt. In vielen konkreten Vorstellung von der »Macht der Wall Street«, dem »Einfluss Hollywoods« oder der »jüdischen Lobby im Weißen Haus« verbinden sich beide Ressentiments. Doch daraus folgt keine vollständige Identität. Selbst die Figur der Schuldumkehr, der zu Folge die USA die Anschläge durch ihre jahrzehntelange Politik provoziert hätten, erklärt sich eher aus der Struktur des kulturellen Ressentiments. In der Entgegensetzung der kapitalistischen Kulturen und der Analyse der eigenen Unterlegenheit in der kapitalistischen Weltordnung ist die allgemeine Verantwortlichkeit der USA für die Übel dieser Welt bereits angelegt.

 

Die Situation nach 89

Es ist im Zusammenhang mit den Interessen der einzelnen Staaten viel von Verlogenheit geredet worden. Die USA wären nicht die Hüterin der Menschenrechte, sondern der größte Ölsäufer der Welt, die EU sei noch viel weniger ein Hort der Menschlichkeit, sondern verfolge eigene Pläne im arabischen Raum. Die eigentliche Verlogenheit (oder sollten wir lieber von Diplomatie sprechen?) dreht sich jedoch um das Verhältnis zwischen den USA und der EU selbst. Dieses ist durch das Ende der Blockkonfrontation in Bewegung geraten. Sowohl der Sinn der Blockbindung als auch die Stabilität von Konfliktsituationen ist damit verloren gegangen. Die BRD und Europa definieren seit dem Ende des Kalten Krieges ihre Interessen neu. Die militärische Option ist auch jenseits von Abschreckung wieder zu einem wesentlichen Moment der Außenpolitik geworden.

Derweil wenden sich verschiedenste Konfliktparteien wegen der verloren gegangenen Bezugspunkte bevorzugt an die verbliebene Supermacht. Der Konflikt zwischen Israel und der palästinensischen Autonomiebehörde ist dafür nur das bekannteste Beispiel. Bis zu den Anschlägen des 11. September wurde die Regierung George W. Bushs allenthalben für ihr Desinteresse an der Region des Nahen Ostens gerügt. Eine fast unvorstellbare Situation, seit in den USA dessen Neuordnung, die nicht ganz im Interesse der europäischen Eliten ist, zum Ziel erklärt wurde. Doch auch die Haltung der USA zu einer europäischen Außen- und Sicherheitspolitik ist nicht ganz widerspruchsfrei. So werden von dort immer wieder Stimmen laut, Europa solle seine Interessen ernster nehmen und sich auch durch die Erhöhung der Militärausgaben mehr Gewicht verschaffen. Welche Grenzen solche Forderungen haben, hat die Reaktion auf die klare Interessenartikulation der Achse Paris-Berlin-Moskau gezeigt.

Da sich aber auch nach dem Irakkrieg nichts an der Konstellation geändert hat, in der ein europäisches Anspruchsdenken vom Mangel eigener Durchsetzungsmöglichkeiten und der engen ökonomischen wie militärischen Verknüpfung mit den USA bestimmt bleibt, ist auch ein Ende der sich daraus ergebenden Konflikte und Aussöhnungen nicht abzusehen. Der Antiamerikanismus als kulturelle Rationalisierung dieser Situation wird deshalb Teil der politischen Kultur in Deutschland und Europa bleiben.

 

Keine Linke für Deutschland!

Für uns als Linke in der BRD ergibt sich aus der gegenwärtigen Situation erneut dieselbe Alternative wie schon nach dem Mauerfall. Entweder wir betreiben unsere Eingliederung in das nationale Projekt Deutschland, diesmal vermittelt über den Antiamerikanismus und die Drohungen der Globalisierung, die den positiven Bezug auf Heimat und Staat erleichtern, oder wir beziehen eine klare Position dagegen. Dieses Dagegen orientiert sich in erster Linie an den gesellschaftlichen Entwicklungen hier. Wenn, wie mit der Friedensbewegung geschehen, das nationale Projekt in Deutschland den Rahmen für die gesellschaftliche Positionierung auf die nächsten Jahre hinaus festlegt, ist die Positionierung dagegen geboten. Hier aus Angst, den USA in die Hände zu spielen, nicht aufzutreten, heißt der gesellschaftlichen Situation gegenüber blind zu sein.

Im Vorfeld von SPOG wurde der Hoffnung Ausdruck verliehen, die zahlreichen SchülerInnen-Demos gegen den Irakkrieg seien ein positiver Ausdruck des Bedürfnisses nach Gesellschaftskritik. Da ist wahrscheinlich einiges dran, aber nicht weil junge Menschen für den deutschen Frieden demonstrieren, sondern trotzdem. Wir selbst haben einst an solchen Protesten teilgenommen. Weiter entwickelt haben wir uns allerdings nicht durch Leute, die uns gesagt haben, das sei im Prinzip richtig, sondern durch die Kritik an den damaligen Positionen, die das unmittelbar richtige Gegen-Krieg-Sein als Falsches aufzeigte.

Beides, die Notwendigkeit eindeutig gegen das nationale Projekt Stellung zu beziehen und die Möglichkeit einer Gesellschaftskritik aufzuzeigen, die jenseits davon liegt, verbietet die Beteiligung an der Antiglobalisierungsbewegung. Die Strategie des Hineinwirkens, die derzeit von der Mehrheit der Gruppen verfolgt wird, ist zum Scheitern verurteilt. Wir haben als Antifa selbst lange Zeit Erfahrungen mit den Möglichkeiten unserer BündnispartnerInnen gesammelt, in eine Bewegung hineinzuwirken. Die Erfolge waren stets marginal, weil sie immer unserer Politik hinterherliefen. Heute sehenden Auges durch unsere Beteiligung Projekte zu unterstützen, die wir kritisieren sollten, verhindert letztlich nur das Finden einer eigenen Position und muss zum Untergang im Pluralismus der Attac-Untergruppen führen.

Wer tatsächlich in Friedens- und Antiglobalisierungsbewegung ein Feld der Aufklärung sieht, muss dagegen mit Gegenpositionen in der gesellschaftlichen Auseinandersetzung sichtbar werden, die den deutschen Konsens in Frage stellen. Statt zu glauben, durch Bündnisse antikapitalistische Elemente stärken zu können, um am Ende mit dem eigenen Transparent oder Aufruf unterzugehen, muss sich die eigene Praxis an den gesellschaftlichen Entwicklungen orientieren, in denen Antiamerikanismus und alternativer Eurokapitalismus eine entscheidende Rolle spielen. Das heißt konkret, dass der formierten Zivilgesellschaft entgegenzutreten ist. Der Platz für eine Auseinandersetzung mit Erscheinungen wie der Friedensbewegung ist nicht der Kongress oder das politische Magazin, sondern die Straße.

Von einigen, die uns da sicher zustimmen und manchmal näher an einer entsprechenden Praxis sind, ist aber zu hören, angesichts der Realität ließe sich nicht länger in linker Zurückhaltung nur das Bestehende kritisieren. Es gälte Partei zu ergreifen: Für die USA, für einen Krieg. Das ist, als hätte in der Zeit der Wiedervereinigung die Alternative DDR oder BRD geheißen, statt auch den goldenen Westen als Scheiße zu benennen. Sinnvoll ist in der gegenwärtigen Situation, die eigene, weltpolitisch unbedeutende Stimme zu erheben, um zu kritisieren, nicht um zu wählen. Schwer wird eine solche Kritik allerdings in einem Umfeld, in dem die Affirmation der Friedensbewegung selbst als Kritik daher kommt. Hier gilt es den Schwerpunkt anhand der Situation vor Ort, der gesellschaftlichen Entwicklung in der BRD zu setzen. Lieber dem Bellizismus verfallen gelten – wir sagen ausdrücklich, verfallen zu gelten, nicht verfallen zu sein –, als dem nationalen Kollektiv in den Schoß zu fallen.

 

 

Fußnoten:

(1) Zwar waren während der Zeit der sowjetischen Besatzung für viele die USA das Reich der Freiheit und Verbündete im Antikommunismus. Die offiziellen Lehren über den imperialistischen Charakter der Supermacht, die auch das eigene Leben mit ihren Atomwaffen bedrohte, blieben trotzdem nicht ungehört. Heute entfalten sie ihre Wirkung, passen sie doch perfekt mit den Ressentiments des Antiamerikanismus zusammen. Für die PDS, deren Verhältnis zu den DDR-Überzeugungen im Vergleich zur Gesamtbevölkerung noch weniger Brüche aufweist, gilt die Fortsetzung antiimperialistischer Argumentationen in verschärfter Form.

(2) Von der kurdischen Bevölkerung im Irak wird berichtet, dass George W. Bush als Befreier nur noch »Apo« (Onkel) Bush genannt wird. Die Metapher der Familie hat aber inzwischen auch die Debatte über den Charakter der internationalen Beziehungen in der »Neuen Weltordnung« erreicht.

Phase 2 Leipzig