Ausgrenzung und Pseudointegration – Zur Doppelstrategie deutscher Islampolitik

Ein Plädoyer gegen die gängige Abschiebepraxis und für ein Umdenken der Integrationspolitik

Mit den Anschlägen vom 11. September 2001 in den USA rückte der Djihadismus als reale nicht mehr zu leugnende Bedrohung ins Bewusstsein der Bevölkerungen der »westlichen« Staaten und ihrer Politiker_innen. Weitere Anschläge folgten, in Westeuropa am verheerendsten 2004 auf Nahverkehrszüge in Madrid mit 191 Toten und 2005 auf die Londoner U-Bahn mit 52 Toten.

Deutschland blieb bisher von Vergleichbarem verschont. Doch ungeachtet der Frage, wie ernst aktuelle Terrorwarnungen zu nehmen sind: Die gescheiterten Anschlagsversuche auf zwei Regionalzüge am 31. Juli 2006 und die 2007 vereitelten Pläne der sogenannten Sauerlandgruppe zeigen, dass Gefahr auch hierzulande besteht und keine Erfindung staatlicher Stellen ist.

Staatliche Maßnahmen der Gefahrenabwehr sind daher nicht nur zu begrüßen, sondern da, wo sie nicht oder inkonsequent durchgeführt werden, einzufordern. Zurückzuweisen sind allerdings alle Versuche, unter dem Vorwand von Terrorgefahr Bürgerrechte einzuschränken und den Überwachungsstaat auszubauen.

Terrorgefahr als Abschiebungsvorwand

Insbesondere muss eine unter dem Deckmantel der Terrorismusprävention praktizierte restriktive Flüchtlings- und Migrationspolitik bekämpft werden, wie sie sich in der deutschen Ausländergesetzgebung und entsprechenden Verordnungen der Bundesländer niederschlägt.

Für Schlagzeilen sorgte in diesem Zusammenhang der Fall des Münsteraner Studenten Mourad Qortas.www.spiegel.de/unispiegel/studium/0,1518,654027,00.html und www.dradio.de/dlf/sendungen/campus/826505/ Als der seit über zehn Jahren in Deutschland lebende Marokkaner 2008 seine Aufenthaltsgenehmigung verlängern wollte, wurde er bei der Ausländerbehörde mit einem Fragebogen konfrontiert. Unter anderem sollte er angeben, ob er schon einmal in einem Ausbildungscamp für bewaffnete Kämpfer war, ob er islamistische Terrorgruppen unterstützt, sich an religiös motivierten Gewalttaten beteiligt oder gefälschte Papiere benutzt habe.

Qortas klagte erfolgreich vor dem Verwaltungsgericht Münster, das in seinem Urteil vom 8. Oktober 2009 die Vernichtung des von ihm ausgefüllten Bogens anordnete, allerdings nur aufgrund eines Formfehlers.

Der Fragebogen ist Teil einer Verordnung des Innenministeriums von Nordrhein-Westfalen vom 11. Juli 2007, die geheim gehalten, aber vom Allgemeinen Studierendenausschuss der Uni Münster auf dessen Homepage zugänglich gemacht wurde.Online unter: http://astamuenster.files.wordpress.com/2009/10/erlass_ueberprufung-von-sicherhetsbedenken-bei-aufenthalten-nach-dem-aufenthaltsgesetz.pdf Die Anweisung enthält eine Liste von Staaten, deren Bürger aus »Sicherheitserwägungen« vor Erteilung oder Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis routinemäßig entsprechend befragt werden sollen. Aufgezählt sind überwiegend arabische und andere islamisch geprägte Länder. Auf der Liste gefährlicher Organisationen, zu denen mittels des Fragebogens potentielle Verbindungen ausgelotet werden sollen, befinden sich neben islamistischen und djihadistischen Gruppen allerdings auch einige traditionslinke Organisationen, einschließlich der Kurdischen Arbeiterpartei (PKK).

Analoge Erlasse gibt es in einer Reihe anderer Bundesländer, etwa in Hamburg. Im Jahre 2008 mussten den NRW-Fragebogen insgesamt 13 000 Antragsteller_innen ausfüllen, die damit kollektiver Verdächtigung ausgesetzt und in Sippenhaftung genommen wurden für die Taten in ihren Herkunftsländern aktiver oder diesen entstammender Terrorist_innen. Dass auf diese Weise tatsächlich potentielle djihadistische Gewalttäter_innen herausgefiltert werden könnten, ist eine absurde Annahme. Oder glaubt jemand ernsthaft, wer einen Anschlag plant, beantwortet eine Frage wie: »Haben Sie sich jemals an politisch, ideologisch oder religiös motivierten Gewalttätigkeiten beteiligt und wenn ja, wann, wo und in welcher Weise« wahrheitsgemäß? Es geht also um etwas anderes.

Doch auch die Ausweisung und Abschiebung tatsächlicher Islamist_innen wäre bestenfalls Terrorbekämpfung nach dem St. Florians-Prinzip, sofern diese dann woanders ihr Unwesen treiben können, nur nicht in Deutschland. Bei eingebürgerten Djihadist_innen oder zum Islam konvertierten, oft besonders fanatisierten Deutschen, wie dem Terroristen Daniel Schneider von der Sauerlandgruppe, sind ausländerrechtliche Maßnahmen ohnehin nicht anwendbar.

Als diskriminierendes Behördenquiz berüchtigt wurde der »Gesprächsleitfaden für die Einbürgerungsbehörden« des Landes Baden-Württemberg, dessen Fragen sich hauptsächlich an Muslim_innen oder vermeintliche Muslim_innen richten, weswegen er oft als »Muslimtest« bezeichnet wird. Hierbei geht es nicht um Aufenthaltserlaubnis, sondern den Erwerb der deutschen Staatsbürgerschaft. Auch in diesem Fall ist es obendrein irrsinnig, anzunehmen, jemand werde eine Frage der Art »Was halten Sie davon, dass Eltern ihre Kinder zwangsweise verheiraten?« ehrlich beantworten, wenn daraus die Ablehnung der Einbürgerung folgt.

Fluchtursache Islam

Sofern es Flüchtlinge betrifft, sind diese seit der nicht zuletzt von Oskar Lafontaine, damals SPD, vorangetriebenen faktischen Abschaffung des Asylrechts durch den »Asylkompromiss« von 1992 ohnehin zu Bittsteller_innen degradiert, was in der gebräuchlichen Bezeichnung »Asylbewerber« direkt zum Ausdruck kommt.In einer allerdings sehr zahmen Kritik an Lafontaine weist sogar die LINKE-Politikerin Ulla Jelpke auf diesen Zusammenhang hin: http://www.sopos.org/aufsaetze/42d14027e952c/1.phtml Folgerichtig sind sie massiven Schikanen ausgesetzt, von der Residenzpflicht und der Unterbringung in mit drastischen Einschränkungen der Lebensqualität verbundenen Flüchtlingslagern oder sogenannten »Ausreisezentren« bis zur Abschiebehaft.

Mit Abschiebung muss nicht zuletzt rechnen, wer aus arabischen Despotien, islamischen Gottesstaaten oder vor der Verfolgung durch islamische Fundamentalist_innen geflohen ist. Die Praktiken der sich mit dem Islam legitimierenden Regime und Rackets gehören zu den wichtigsten Fluchtursachen. Ob die aktuellen Aufstände in den arabischen Staaten Fluchtursachen beseitigen oder, im Falle etwa einer Dominanz der Muslimbrüder und verwandter Banden, neue Fluchtgründe setzen, halte ich derzeit noch für offen.

Der orthodoxe Islam sieht ein Verlassen der Religion nicht vor, weshalb Abtrünnige mit Sanktionen und zum Teil drastischen Strafen rechnen müssen, was in einigen Ländern Hinrichtung und Mord einschließen kann. Zu diesen Ländern gehört der Iran. Dennoch hat das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF)Zuvor »Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge« mehrfach Asylanträge vom Islam zum Christentum konvertierter iranischer Flüchtlinge abgelehnt, mit der Begründung, wenn sich diese auf die private, nichtöffentliche Religionsausübung, im Juristendeutsch das »religiöse Existenzminimum«, beschränken würden, seien sie nicht gefährdet. Von Verwaltungsgerichten wurden diese Ablehnungen wiederholt kassiert, unter Bezugnahme auf die EU-Richtlinie 2004/83/EG vom 29. April 2004,http://www.aufenthaltstitel.de/rl_2004_83_eg.html welche die Mitgliedsstaaten ausdrücklich verpflichtet, Verfolgung wegen öffentlicher Religionsausübung als Asylgrund zu berücksichtigen.

Im Falle eines 2001 nach Deutschland eingereisten Iraners, dessen Asylantrag noch im selben Jahr abgelehnt worden war, schrieb beispielsweise der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in seinem Urteil vom 23. Oktober 2007 dem BAMF ins Stammbuch, dieser habe als Christ »Verfolgungshandlungen« im Sinne der erwähnten EU-Richtlinie zu befürchten. Ein Schutzanspruch bestehe selbst dann schon, wenn entsprechende nichtstaatliche Handlungen geduldet würden: »Solche Maßnahmen stellen eine relevante Verfolgung auch dann dar, wenn sie nicht vom Staat, sondern von Dritten ausgehen, sofern der Staat oder diesen beherrschende Organisationen nicht in der Lage oder willens sind, Schutz vor Verfolgung zu gewähren (…).«www.nds-fluerat.org/wp-content/uploads/2007/12/bayvgh-14-b-0630315.pdf

Mit besonders drastischen Strafen haben im Iran atheistische Ex-Muslim_innen zu rechnen. Das Gesetz über die islamischen Strafen vom 30. Juli 1991 sieht für sie »Tötung, Kreuzigung, Abschneiden der rechten Hand und des linken Fußes oder Verbannung vor, – wobei es im freien Ermessen des Richters liegt, welche der vier Strafen er als angemessen erachtet.«http://kritische-islamkonferenz.de/asyl.htm Ein Betroffener ist Siamak Zare, der in Deutschland den Zentralrat der Ex-Muslime mitgegründet hat. Nachdem er im Iran als Regimegegner zweimal inhaftiert und gefoltert worden war, floh er im Jahre 2000 mit seiner Familie nach Deutschland. Auch sein Asylantrag wurde abgelehnt. Das Verwaltungsgericht Kassel urteilte 2007, ob Zare »Eingriffe in das sogenannte religiöse Existenzminimum befürchtet oder er gar im Iran missionarisch tätig sein will« stelle sich für ihn als Religionslosen gar nicht erst.http://www.kritische-islamkonferenz.de/urteil_zare.pdf Im Klartext: Wer nicht religiös ist, kann auch nicht aus religiösen Gründen verfolgt werden. Das Gericht sah folglich keinen Hinderungsgrund für eine Abschiebung, ungeachtet der betreffenden EU-Richtlinie, laut der der »Begriff der Religion« auch »nichttheistische und atheistische Glaubensüberzeugungen« umfasst. Dies und ähnliche Ereignisse veranlassten die Kritische Islamkonferenz zur Kampagne »Asyl für Ex-Muslime«http://kritische-islamkonferenz.de/asyl.htm, die im Fall Zare Erfolg hatte: Das BAMF hob die Abschiebungsandrohung gegen ihn auf und gestand ihm die »Flüchtlingseigenschaft« zu.http://hpd.de/node/9344 Als die selbsternannten Islamkritiker_innen des Blogs Politically Incorrect über die Kampagne informierten, quollen ihre Kommentarspalten über von xenophober Hetze gegen Menschen, die vor der Verfolgung durch Islamist_innen geflohen sind.Nach wie vor nachzulesen unter www.pi-news.net/2009/11/petition-asyl-fuer-ex-muslime/

Trotz drohender Hinrichtung wurden in Deutschland mehrfach auch Asylanträge von iranischen Schwulen und Lesben abgelehnt, deren Abschiebungen nur auf gerichtlichem Wege verhindert werden konnten.

Durch die deutsche Abschiebepolitik drohende Gefahren für Leib und Leben von Flüchtlingen können also zum Teil nach hartem Kampf abgewehrt werden, was einen langen Atem und vor allem eine Skandalisierung derartiger Fälle, verbunden mit tätiger Solidarität, nicht nur auf juristischer Ebene, erfordert.

Restriktionen und Schikanen werden Flüchtlinge und Einwander_innen aus islamisch geprägten Ländern somit einerseits ausgesetzt, indem sie vorsorglich unter Generalverdacht als mutmaßliche islamische Terrorist_innen gestellt werden, andererseits können auch diejenigen, die vor Islamist_innen mit und ohne Staatsmacht fliehen, nicht auf Schutz in Deutschland bauen.

Diese sicherheitspolitisch gerechtfertigte Abschottungspolitik steht nicht im Widerspruch zur quer durch alle im Bundestag vertretenen politischen Parteien geforderten und von Bundespräsident Wulff staatsmännisch auf den Punkt gebrachten Anerkennung und Aufwertung des Islam als zu Deutschland gehörender Religion, wie sie sich auf Bundesebene vor allem in der Einrichtung der Deutschen Islamkonferenz niedergeschlagen hat. Die Einbindung der islamischen Verbände dient nicht zuletzt als Mittel der Eindämmung terroristischer Gewaltpotentiale in islamischen Communities, gleichzeitig wird der Islam als Ordnungsmacht analog den christlichen Kirchen hofiert. Unter dem Label der »Integration« wird dabei eine Aufweichung der ohnehin prekären und unvollständigen Trennung von Staat und Religion betrieben und patriarchalen Strukturen und reaktionären, längst überwunden geglaubten Moral- und Ordnungsvorstellungen der Weg bereitet.

Islamischer Religionsunterricht: Segregation und Indoktrination

Eine Schlüsselrolle spielt dabei die Einführung islamischen Religionsunterrichts als reguläres Fach an staatlichen Schulen. Für dessen baldige Etablierung plädierte jüngst noch einmal der damalige Bundesinnenminister Thomas de Maizière auf einer Tagung der Deutschen Islamkonferenz in Nürnberg zum Thema.Seine Rede ist nachzulesen unter http://www.deutsche-islam-konferenz.de/cln_117/SharedDocs/Anlagen/DE/DIK/Downloas/Sonstiges/20110214-ministerrede-iru,templateId=raw,property=publicationFile.pdf/20110214-ministerrede-iru.pdf Damit wird unter dem Etikett der »Integration« die Segregation von Schüler_innen unterschiedlicher religiöser und nichtreligiöser Herkunft betrieben, die in einem Kernfragen des Lebens betreffenden Bereich getrennt unterrichtet werden sollen. Gleichzeitig wird verhindert, die in Deutschland nur sehr begrenzt vorhandene Trennung von Staat und Religion ein Stück weiter voranzutreiben. Dies würde nämlich bedeuten, für die Abschaffung konfessionellen Pflichtunterrichts an staatlichen Schulen zu sorgen, diesen durch ein neutrales religions- und weltanschauungskundliches Fach zu ersetzen und so alle Schüler_innen gemeinsam zu unterrichten. Damit wäre der Islam den christlichen Konfessionen gleichgestellt, nicht durch dessen Privilegierung, sondern durch deren Entprivilegierung.

Ersetzung des staatlichen Religionsunterrichts würde zwar eine Grundgesetzänderung erfordern und ist in absehbarer Zeit wohl kaum durchführbar. Allerdings wird eine richtige Forderung nicht dadurch falsch, dass sie auf erhebliche Hürden stößt. Sofern sie nicht umgesetzt wird, zeigt dies, dass die Mehrheit der im Bundestag vertretenen Parteien kein Interesse an einer wirklich laizistischen Politik hat. Besonders vehement setzen sich Vertreter_innen der beiden großen Kirchen für den islamischen Religionsunterricht ein, und da sind es nicht zuletzt deren konservative Vertreter_innen, die auf diesem Weg ihre Pfründe sichern wollen. Auf einer Podiumsdiskussion zum Thema im Oktober 2007 in Dillingen/Saar betonte der Leiter der Abteilung Schule und Hochschule des Bischöflichen Generalvikariats Trier, Herbert Hoffmann, er habe bereits 1991 den islamischen Religionsunterricht gefordert und wies darauf hin, dass es ein Votum der Katholischen Bischofskonferenz für dessen Einführung gebe. Konkurrenz belebt das Geschäft, und so fühlte sich bei derselben Veranstaltung der Schulreferent der Evangelischen Kirche im Rheinland, Gottfried Schimanowski, zur Antwort veranlasst, ein entsprechendes Statement der Evangelischen Kirche gebe es schon viel länger.Mein Bericht über die Veranstaltung: www.a3wsaar.de/islamismus/islamunterricht/

Welche Art von Partner_innen auf islamischer Seite in Frage kommt, ließ de Maizière in der erwähnten Rede anklingen, wo er die Flexibilität der »islamischen Organisationen, mit denen Niedersachsen im Gespräch ist, DITIB-Nord und Schura-Niedersachsen«, ausdrücklich lobte und damit nicht etwa auf säkular orientierte, liberale Verbände Bezug nahm, sondern auf besonders konservative und reaktionäre Vertreter: DITIB (Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion) repräsentiert den türkischen Staatsislam, Schura Niedersachsen ist der Landesverband der Muslime in Niedersachsen e.V., der unter dem Einfluss von Gruppierungen wie den türkischen Islamisten von Milli Görüs und der 1987 von den faschistischen Grauen Wölfen abgespaltenen nationalislamistischen ATIB (Union der Türkisch-Islamischen Kulturvereine) steht.

In welche Richtung es gehen soll, zeigt auch der Fall Muhammad Sven Kalisch. Dieser hatte als islamischer Theologe an der Uni Münster die erste Professur zur Ausbildung islamischer Religionslehrer inne. Da Kalisch Koran und Geschichte des Islam historisch-kritisch betrachtet, also das tut, was in der christlichen Universitätstheologie längst etabliert und von wissenschaftlichem Vorgehen ohnehin zu verlangen ist, protestierten die im Koordinierungsrat der Muslime (KRM) zusammengeschlossenen vier konservativen Verbände, die keine kritische Hinterfragung, sondern die Vermittlung von unhinterfragbaren Glaubensinhalten erwarteten. Sie waren erfolgreich: Der damalige NRW-Wissenschaftsminister Andreas Pinkwart (FDP) entzog Kalisch die Ausbildungsbefugnis und übertrug sie einem linientreuen Moslem, dem Wiener Islamwissenschaftler und Soziologen Mouhanad Khorchide. Der wurde dann zum Professor für Islamische Religionspädagogik ernannt, nachdem vorher die schriftliche Erlaubnis des KRM eingeholt worden war. Wohlgemerkt: an einer staatlichen Hochschule.

Angriff auf Kinderrechte

Wie im Namen von Integrationspolitik die Verletzung von Kinderrechten toleriert wird, zeigt auch die immer wieder erhobenen Forderungen nach Zulassung geschlechtergetrennten Sport-, Schwimm- oder Sexualkundeunterrichts oder nach anderen schulischen Rücksichtnahmen auf religiös-konservative Gepflogenheiten insbesondere moslemischer Elternhäuser. Eine besondere, in diese Richtung treibende Blüte ist das im Dezember 2010 vom Kultusministerium des SPD-regierten Rheinland-Pfalz publizierte Faltblatt »Muslimische Kinder und Jugendliche in der Schule«http://integration.rlp.de/fileadmin/integration/Downloads/Arbeitsgruppen/Faltblat_Muslimische_Kinder_und_Jugendliche_in_der_Schule.pdf, das als Empfehlung an die Schulen verteilt wurde. Dort wird »im Rahmen der Umsetzung des Integrationskonzeptes des Landes Rheinland-Pfalz« neben Geschlechtersegregation dann auch empfohlen, bei der Festlegung der Termine etwa von Klassenarbeiten und Schulfesten oder den »Belastungen im Sportunterricht« auf den Fastenmonat Ramadan Rücksicht zu nehmen. Denn: »Das Fasten während des ganzen Tages kann zu einer Einschränkung der Leistungs- und Konzentrationsfähigkeit der Schülerinnen und Schüler führen.« Die Quälerei von Kindern und Jugendlichen durch bestimmte religiöse Vorschriften grundsätzlich in Frage zu stellen, scheint den Horizont der Verfasser_innen des Faltblatts zu übersteigen. Erschreckend ist, dass das Faltblatt seitens migrations- und flüchtlingspolitischer Organisationen nicht etwa verurteilt wurde, sondern aus deren Reihen wie auch vom DGB vielmehr Lob erfuhr. Zu den wenigen Ausnahmen aus diesem Spektrum gehörte neben der Aktion 3.Welt Saar der in Hessen ansässige Verein für Menschenrechte und Integration (peri e.V.), die die Empfehlungen beide scharf kritisierten.www.a3wsaar.de/aktuelles/details/d/2011/01/26/erlaubnis-von-geschlechtergtrenntem-sportunterricht-und-von-verzicht-auf-essen-von-muslimischen-sch/ und www.cileli.de/peri/pressemitteilung_unterricht.htm Es entbehrt nicht der Ironie, dass es ansonsten der CDU vorbehalten blieb, das Papier für den Wahlkampf auszuschlachten. Deren Landesvorsitzende Julia Klöckner wies es als »anti-aufklärerisch« zurück.

Ein deutliches Zeichen regierungsamtlichen Hofierens konservativer islamischer Projekte setzte der hessische CDU-Ministerpräsident und rechte Hardliner Volker Bouffier, der am 27. Januar 2011 zu der Eröffnungsfeier des neuen Fernsehsenders EBRU als Ehrengast geladen war. Der Sender wird laut Einladungsschreiben »von der Peyk Media GmbH produziert, einer Tochtergesellschaft der World Media AG«. Die gehört zum Netzwerk des sich medial erfolgreich als Reformer verkaufenden türkischen Islamisten Fethullah GülenIm Juni 2010 hielt das Gülen-Netzwerk an der Uni Bochum eine Konferenz ab. Dazu und zum Hintergrund des Namensgebers siehe hpd.de/node/9661?page=0,0, hpd.de/node/9661?page=0,1. EBRU wendet sich in deutscher und englischer Sprache »an alle neugierigen und weltoffenen Zuschauer in Europa«, wie es in der Eigenwerbung heißt. In Vertretung Bouffiers hielt der hessische Regierungssprecher Michael Bußer eine Rede zur Eröffnung und trug ebenso zur Aufwertung des Senders bei wie ein anderer Ehrengast, der Direktor der Hessischen Landesmedienanstalt, Wolfgang Thaenert, der dort gleichfalls sprach. Lob gab es seitens der integrationspolitischen Sprecherin der Grünen im Hessischen Landtag, Mürvet Öztürk und der Hamburger GAL-Abgeordneten Nebahat Cüclü. In Interviews mit dem Sender ließen die beiden Grünen-Politikerinnen mit Phrasen über die Vielfalt der Kulturen und den interkulturellen Dialog, dem der Sender sich verschrieben habe, ihrer Begeisterung freien Lauf.Einen Selbstbeweihräucherungsfilm von EBRU zur Eröffnung gibt es hier: http://www.youtube.com/watch?v=qgEINsj41Pc

Die Guten ins Töpfchen, die Schlechten ins Kröpfchen

Unter sicherheitspolitischen Gesichtspunkten verfolgt die Bundesrepublik Deutschland einen scharfen Kurs gegen djihadistische Muslim_innen. Da gibt es dann auch Aufklärungskampagnen, etwa durch Publikationen und Ausstellungen seitens des Bundesamtes für Verfassungsschutz, die sogar mal etwas Richtiges beinhalten, wenngleich in einem repressiven Kontext: Denn wo Terrorgefahr zum Anlass für die weitere Einschränkung von Grundrechten und eine verschärfte Ausländer- und Asylpolitik wird, gilt es zu widerstehen. Nichtterroristische Muslim_innen sollen - auch das ist Staatsräson - zugleich millionenfach integriert werden, der Islam soll eine Heimat in Deutschland finden. Dies ist ernstgemeint, von Moslemfeindschaft kann bei der politischen Klasse der Bundesrepublik keine Rede sein, die bleibt Stammtischparteien wie »pro Köln« vorbehalten. Gerade das ist das Problem: Der Islam wird als Ordnungsmacht willkommen geheißen, um den Preis der Kollaboration mit seinen reaktionärsten Vertreter_innen, so lange diese nicht den Sprengstoffgürtel tragen. Unterdrückungsstrukturen des orthodoxen Alltagsislam, von denen insbesondere Frauen, Kinder oder Schwule betroffen sind, werden dabei weitgehend in Kauf genommen, vom Antisemitismus ganz zu schweigen. Eine emanzipatorische Antwort auf die staatliche Islampolitik müsste beides beinhalten: Kampf gegen Abschiebepolitik, auch da, wo sie sich gegen Muslim_innen richtet und Kampf gegen eine Form von Integration, die patriarchale Machtverhältnisse mit integriert.

Klaus Blees

Der Autor ist Mitarbeiter im Kompetenzzentrum Islamismus der Aktion 3.Welt Saar. Weitere Informationen auf www.a3wsaar.de.