Aus dem Innenleben der Abstammungsgemeinschaft

Sowohl in der Debatte um das DAS »Zentrum gegen Vertreibung« als auch im Wirken der »Gesellschaft für bedrohte Völker« spiegelt sich deutsch-völkischer Nationalismus

Die aktuellen Debatte um das erinnerungspolitische Projekt »Zentrum gegen Vertreibung« (ZgV) steht wie erwartet im Zeichen deutscher Revisionsansprüche der sogenannten »Volksdeutschen« und »Vertriebenen« gegenüber den ehemalig besetzten osteuropäischen Ländern und wird einmal mehr zum Indikator der politischen Potenz und Aktualität deutsch-völkischer Bestrebungen. Die Idee eines solchen Zentrums in Berlin wurde vom »Bund der Vertriebenen« (BdV) 2000 ins Leben gerufen und fand im vergangenem Jahr parteiübergreifende Zustimmung im Bundestag.

Die ursprüngliche Intention ist es, mit Hilfe dieses Zentrums die im Potsdamer Abkommen geregelte Umsiedlung der Deutschen nachträglich als »Unrecht« zu brandmarken, um langfristig unter anderem die materiellen Ansprüche der zwangsweise aus den Ostgebieten umgesiedelten Deutschen durchzusetzen.(1) Das »Zentrum gegen Vertreibung« soll in einer Mischung aus Museum und Dokumentation im Stil des Holocaust-Memorial-Museums in Washington den »Leidensweg der deutschen Stämme« dokumentieren, sowie »Kultur, Schicksal und Geschichte der Deutchen Vertriebenen und ihre Heimat im Zusammenhang erfahrbar machen«. Das »nationale Schicksal der Deutschen« soll dabei gleichzeitig exemplarisch für Vertreibungsschicksale anderer »Völker« als europäische Erfahrung formuliert werden. Um dadurch, im Dialog mit den selbigen, »Friedenspotential« für die Zukunft zu schaffen. Abgesehen davon, dass es in der Geschichte keine Anhaltspunkte dafür gibt, dass völkischer Separatismus zur Friedenssicherung beigetragen hätte, wird schon im Vorfeld die Tatsache ausgeklammert, dass gerade deutsche Volkstumspolitik im Dritten Reich ideologische Vorlage zur planmäßigen Vernichtung von Juden war. (Ein solches Zentrum bleibt also, egal an welchem Ort es nun unter deutscher Federführung errichtet wird, Ausdruck der revanchistischen Politik der Vertriebenen und würde weiterhin zur Relativierung der Nazi-Verbrechen beitragen.) So weit also nichts neues von der deutschen Heimatfront.

Im Unterschied zu früheren Phasen der Debatte um »Flucht und Vertreibung«, oder auch im Kontext der Diskussion um den »Bombenkrieg«, die u.a. durch Jörg Friedrichs Buch »Der Brand« angeheizt wurde, zeigt sich, dass diese Themen nicht nur von Idiosynkraten und Interessengruppen bearbeitet werden, sondern mittlerweile Elemente des öffentlichen Diskurses sind. Ihr Zweck liegt einerseits darin, über eine moralische Aufrechnung von angeblich gegenseitiger Schuld verlorenes Terrain für das beschädigte deutsche Image und Nationalgefühl zurückzugewinnen. Andererseits soll damit der Weg für Entschädigungsansprüche »deutscher Opfer« bereitet werden. Darüber sollte auch die, aus Regierungskreisen und von Einzelakteuren geforderte »Europäisierung« des »Deutschen Schicksals« nicht hinweg täuschen können, da weiterhin die grundsätzlich Konzeption des BdV für das ZgV unterstützt wird. Die, auch wenn darin versucht wird, weltmännische Weitsicht und humanitäre Motive hervor zu kehren, weiterhin jedem Anspruch an historische Kausalität entbehrt, solange nicht die Verbrechen des Nationalsozialistischen Deutschlands zum Ausgangspunkt der Debatte gemacht werden. Die fiktive »Europäisierung« deutscher Revisionsansprüche kann vor dem aktuellen Hintergrund nur als taktisches Manöver zugunsten einer Uminterpretation deutscher Geschichte verstanden werden. Zu den namentlichen Führsprechern eines »Europäischen Zentrums« gehören insbesondere Innenminister Otto Schily, ein verlässlicher Verteidiger deutscher Revisionsinteressen und Sympathisant des Bundesverbandes der Vertriebenen, der das Zentrum so schnell wie möglich verwirklicht wissen möchte, »um Europa zukünftig vor nationalistischen Verirrungen zu bewahren«, womit er selbstredend sein Kind beim Namen genannt hat.(2) Was zukünftig unter »Europäisierung« zu verstehen ist, erklärte auch Bundestagsfizepräsidentin Antje Vollmer (Bündinis90/Die Grünen), die eine Abrechnung mit der »Wahnidee von ethnisch-homogenen Nationalstaaten« ankündigt und weiter behauptet »Das waren Menschen wie Präsident Wilson, Chamberlain, Churchill, später Stalin, die diese Idee vertreten haben«.(3) Dabei ist in jedem deutschen Geschichtsbuch nachlesbar, dass diese Wahnidee ihren Höhepunkt im nationalsozialistischen Deutschland fand.

Dem SPD-Bundestagsabgeordneten Markus Meckel ist es sogar gelungen, einen internationalen Aufruf für die Errichtung eines solchen Zentrums auf polnischem Boden in Wroclaw/Breslau zu initiieren.(4) Dieser wurde, abgesehen von den üblichen Verdächtigen wie Günter Grass oder Wolfgang Thierse, auch von Teilen der politischen Elite osteuropäischer Länder unterzeichnet, darunter der polnische Ex-Außenminister Bartzoszewski und der stellvertretende tschechische Ministerpräsident Petr Mares.(5) Was auch immer die Unterzeichner der Länder, die am meisten von deutschen Revisionsansprüchen betroffenen sind, dazu bewegt hat, sich zu Handlangern deutscher Hegemonialpläne zu machen. Meckel ist es mit diesem Aufruf wohl gelungen den osteuropäischen Widerstand gegen das geplante Zentrum wenigstens zu schwächen. Es wird durch die Unterstützung des Standorts Polen der Anschein erweckt, auf die Gestaltung des Zentrums könne Einfluss genommen werden, so dass nicht nur das »Leid der Deutschen« im Mittelpunkt des Museums stehen würde. Bestenfalls könnte in diesem Sinne eine Gleichsetzung verschiedener »Vertreibungen« erwirkt werden. Womit aber der Unterschied zwischen verschiedenen Formen und Ursachen der »Vertreibungen« im Vorfeld eingeebnet werden würde. Nämlich, dass Deutschland nach dem Angriff auf Polen 1939 und infolge der Besatzung Millionen polnische Staatsbürger ermordete, industriell betriebene Vernichtungslager auf polnischen Gebiet errichtete, Überlebende zu Zwangsarbeit verpflichtet und im Rahmen des »Generalplan Ost« umsiedelte.(6) Wo hingegen die Umsiedlung und Flucht der »Volksdeutschen« aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten eine Konsequenz aus der Niederlage nationalsozialistischer Volkstumspolitik und völkischem Zersetzungskampf der sogenannten deutschen Minderheiten in Osteuropa war.(7) Ähnlich wie in der damaligen Tschechoslowakei, gab es schon zu Zeiten der Weimarer Republik Bestrebungen, die in Polen ansässigen, deutschen Minderheiten gegen den polnischen Staat zu mobilisieren um Territorialgebiete des Nachbarlandes dem Deutschen Reich anzugliedern. Entsprechend wurde die »Rücksiedlung der Volksdeutschen« durch die Nationalsozialisten von der Mehrheit der Volksdeutschen begrüßt.(8)

 

Heimatliche Subventionierung volkstümlicher Außenpolitik

Warum die aktuelle Debatte um Vertreibung, hier am Beispiel des »Zentrums gegen Vertreibung« umrissen, kein ausschließliches Problem von Historikern und Moralisten ist, zeigt sich daran, dass die Neudefinitionen deutscher Geschichte argumentativer Bestandteil heutiger Revisionsansprüche deutscher Außenpolitik sind.

Die Transformation osteuropäischer Länder 1989/

1990, als Folge des Zusammenbruchs des Ostblocks, hat der deutschen Außenpolitik neue Perspektiven eröffnet. Nachdem sie mehr als vier Jahrzehnte nicht in der Lage war; nationalistische Ziele in Osteuropa direkt zu realisieren, kann sie seither wieder auf die deutschsprachigen Minderheiten in Osteuropa zugreifen. Dabei dient das »Recht auf Selbstbestimmung« als Katalysator für Separatismus und territoriale Desintegration.(9) Was als Einsatz für Menschenrechte verkauft wird, nämlich die Forderung nach einem europäisch garantierten »Minderheiten- und Volksgruppenrechts« soll letztlich deutsche Interessen völkerrechtlich legitimieren.

Gleichzeitig wird außenpolitisch verstärkt der Erhalt und die Konstruktion »deutscher Minderheiten« durch finanzielle Unterstützung von grenzüberschreitender Kulturarbeit und direkter Unterstützung durch die offizielle Auslandsvertretung der Bundesrepublik forciert. Als Angehörige »deutscher Minderheit« gelten dabei die Personen, die sich zur deutschen Sprache, Kultur oder Tradition bekennen und in irgendeiner Form die »deutsche Abstammung« nachweisen können. Auf dieser Grundlage wird von deutscher Seite verlangt, dass ihnen das Recht zugesprochen wird, ihre ethnisch-kulturelle Identität frei zum Ausdruck zu bringen und nicht gegen ihren Willen assimiliert werden dürfen. Diese Bemühungen haben dazu geführt, dass im Jahr 2002 mehr als 70.000 neue deutsche Staatsbürgerschaften im Ausland verliehen wurden. Dabei dürfte klar sein, dass es der deutschen Regierung bei dem Export des deutsch-völkischen Prinzips um die Erweiterung des ökonomisch politischen und kulturellen Einfluss in den osteuropäischen Staaten geht.(10)

Von besonderer Bedeutung ist hierbei das traditionelle Zusammenspiel verschiedener staatlicher Institutionen und formal unabhängiger Mittelsorganisationen, deren Gemeinsamkeit darin besteht, dass sie rassistische »Volkstums«- und Minderheiten-Ansprüche auf ganz Europa ausdehnen.(11) Wie bereits nach dem Ersten Weltkrieg begann die Sammlung der überlebenden »Volkstumsaktivisten«, um sich im Rahmen völkischer Interessenverbände und regierungsoffizieller Stellen gemeinsam gegen das »Unrecht von Potsdam« zu verbünden, bereits in den Gründungsjahren der BRD. So wurde vor dem moralischen Hintergrund des »Rechtes auf Heimat« mit Unterstützung des Auswärtigen Amtes beispielsweise der »Verein für das Deutschtum im Ausland« (VDA) und unter ähnlichen Vorzeichen die »Föderalistische Union Europäischer Volksgruppen« (FUEV) in den 50er Jahren neu gegründet, Mitte der 70er folgten weitere, wie die »Paneuropa-Union« (PEU).(12) Durch den Einbau des Europa-Gedankens in ihre Revisionspolitik versuchten diese Organisationen, von ihren nationalistischen Zielen abzulenken und eine Läuterung ihrer völkischen Grundlagen vorzutäuschen.

Die deutschen Vertriebenenverbände zeigten sich hingegen bisher weniger bemüht, ihren Revanchismus zu verbergen. Die politische und finanzielle Unterstützung der Vertriebenenverbände erfuhr einen neuen Schub durch die konservativ–liberale Bundesregierung und wurde von der rot-grünen Regierung fortgeführt, nachdem es den Vertriebenverbänden in den neunziger gelang ihre Arbeit an der völkischen Parzellierung der osteuropäischen Staaten zu intensivieren.(13) Gemäß den erklärten Zielen der Konstruktion und dem Erhalt der »deutschen Minderheiten« setzen sich die Vertriebenenverbände derzeit mit gewollter Ignoranz des historischen Kontexts des 2. Weltkriegs für die »Heimat-« und »Volksgruppenrechte« der Deutschen in den ehemalig besetzten Ostgebieten ein.

Auch wenn die Forderung nach Rücknahme der Benes-Dekrete als Bedingung für den EU-Beitritt Tschechiens vorerst auf europäischer Ebene scheiterte, kann man sich darauf verlassen, dass durch die Sudetendeutsche Landsmannschaft und deren UnterstützerInnen eine neue Verhandlungsrunde ansteht. Infolge der Schwächung der staatlichen Souveränität der neuen Beitrittsländer werden sich die politischen und juristischen Möglichkeiten der verschiedenen Landsmannschaften/ Verbände in Deutschland und Österreich noch erweitern.(14) Der aktuelle heimatpolitische Forderungskatalog signalisiert jedenfalls weiterhin die Kampfbereitschaft für deutsche »Rückkehr-« und »Eigentumsrechte« in Osteuropa.

 

Wer von Völkern spricht soll von Menschen schweigen!

Eine der zivilgesellschaftlichen VorreiterInnen im Interesse des »Bundes der Vertriebenen« und deren revisionistischen und revanchistischen Forderungen in der Debatte um das »Zentrum gegen Vertreibung« ist die zweitgrößte Menschenrechtsorganisation »Gesellschaft für bedrohte Völker« (GfbV). Die Organisation mit Hauptsitz in Göttingen agiert durch ihre Außenstellen in Italien, Schweiz, Luxemburg und Bosnien und zahlreichen Kontakten zu völkischen Gruppierungen auf internationaler Ebene. Die politische Relevanz drückt sich nicht zuletzt dadurch aus, dass sie 1993 von der UNO als »NGO mit Beraterstatus« anerkannt wurde. Die GfbV hat sich in der Vergangenheit vor allem durch ihren Einsatz gegen den »Völkermord« in Bosnien einen Namen gemacht, indem sie ähnlich wie die oben erwähnten »Volkstumsorganisationen«, als Platzhalter deutsch-völkischer Außenpolitik fungierte. Tillmann Zülch, Gründer (1970) und amtierender Präsident der GfbV, wurde vom »Bund der Vertriebenen« in deren Beratungsgremium zum Aufbau des Zentrums in Berlin berufen. Besonders geeignet scheint Zülch einerseits, weil er als Vorsitzender einer Menschenrechtsorganisation, also hauptamtlicher Gutmensch, offiziell keine politischen Interessen vertritt, und sich andererseits im Engagement beider Organisationen für die Interessen des »deutschen Volkes« eine größtmögliche Schnittstelle bietet, denn in den Augen der GfbV werden die Deutschen zu einem der meist bedrohten Völker der Welt hochstilisiert. Wenig überraschend ist diese Laison auch nachdem der BdV Zülch schon 2001 die Plakette »für den Einsatz um die Menscherechte der deutschen Vertriebenen« verliehen hatte, weil Zülch sich 2001 bezüglich der EU-Beitrittsländer für die Rücknahme der Verordnungen und Gesetze, die die »Vertreibung« der Deutschen nach dem 2.Weltkrieg anordneten bzw. legalisierten, eingesetzt hatte. Mit dem »Zentrum gegen Vertreibung« will Zülch der angeblichen Verdrängung der »Massenvertreibung der Deutschen« innerhalb der Bundesrepublik entgegen treten, um gleichzeitig einen wesentlichen Beitrag zur weltweiten Ächtung von Vertreibung zu leisten und den gegenwärtigen Opfern von Vertreibung Tribut zu zollen.(15)

Was die volksdeutschen Landesverbände für ihre behauptete Volksgemeinschaft senieren, übernimmt die »Gesellschaft für bedrohte Völker« global für so ziemlich jede Volksgruppe. Vorrausgesetzt sie taugt aufgrund ihrer ethnischen und/oder religiösen Zuschreibung als verfolgte Minderheit.(16) Tatsächlich liest sich eine Stellungnahme der GfbV zur innerdeutschen Zuwanderungsdebatte wie der Masterplan zur gewünschten geografischen Anordnung verschiedener Volksgruppen allgemein, und speziell zur Reglementierung von Zuwanderung, die für Deutschland sowohl rentabel, als auch zumutbar für die deutsche Kultur- und Wertegemeinschaft gestaltet werden soll. (Die GfbV schlägt hierfür die Errichtung von Zuwanderungskontingenten nur für spezielle Gruppen, vorzugsweise christliche Minderheiten vor, die von Deutschland gezielt angeworben werden sollen, da sie besonders geeignet sind, sich an gesetzlich verankerten Grundwerten und der demokratischen Grundordnung zu orientieren, und deshalb besonders geeignet sind, sich »wie einst die Hugenotten« in Deutschland schnell zu integrieren.(17)) Insbesondere fordert die GfbV die Förderung der Zuwanderung deutscher Volksangehöriger, sprich Spätaussiedler bzw. Russlanddeutschen und Rumäniendeutschen, da sie nach wie vor als »Volksgruppe kollektiv Opfer der Politik der Gewaltregime Hitlers und Stalin geworden« seien.(18) Die Absurdität, Deutsche als Opfer der Politik Hitlers zu begreifen, bedarf an dieser Stelle keiner weiteren Erklärungen, und auch dass die GfbV infolge dieser schlichtweg falschen Behauptung sich in Bezug auf sogenannte »Volksdeutsche« für gleiche Maßstäbe, wie sie bei Opfern von Naziverbrechen gelten, einsetzt, kann nur als die bewusste und weitgehende Relativierung des Vernichtungskriegs der Deutschen verstanden werden. Tillmann Zülch erklärte hierzu in aller Deutlichkeit: »In der Weltgeschichte ist die Vertreibung der Deutschen aus Osteuropa 1945 bis 1948 der schwerste Fall.« Dem Holocaust jedoch, werde ein zu großer Stellenwert eingeräumt.(19) Und obwohl die GfbV jedes »Volk« irgendeiner Bedrohung ausgesetzt sieht, bleibt das »jüdische Volk« weitgehend unerwähnt, es handelt sich hierbei also nicht um ein »Volk«, das es zu schützen gilt. Man ahnt, wohin die Reise geht, und kann sich in einer Stellungnahme der GfbV zum Friedensprozess im Nahen Osten überzeugen: »... durch Ariel Sharon samt seiner rechtsnationalistischen Freunde dreht sich die Spirale der Gewalt«, »die Menschenrechtsverletzungen seitens Israel gehen unvermindert weiter« in »einem brutalen Krieg gegen das palästinensische Volk« und die »antikolonialistische Revolte« der Al-Aqsa-Initfada.(20)

Spätestens hier wird deutlich, dass die GfbV nicht nur »Völker« anstatt Menschen in den Mittelpunkt ihrer politischen Arbeit stellt, sondern diese ebenso sehr von der deutsch-völkischen Ideologie bestimmt ist. Geschichte ist für die GfbV in erster Linie die Geschichte der Völker; dem geht die Annahme voraus, die Kategorie »Volk« sei die wesentliche Organisationsform des Menschen, die das Menschsein erst ausmacht.(21) Da der Mensch seine »Identität« erst über die quasi-natürliche Volksgemeinschaft erhält, gilt es diese anstatt des Menschen/Individuums zu schützen. Die GfbV richtet sich damit in ihren Grundzügen gegen das Gleichheitsprinzip und individuelle Freiheitsrechte zugunsten einer «nationale(n) Identität in kleinen ethnisch homogenen Einheiten«.(22) Die Parallelen zu dem sich im 18./19. Jahrhundert entwickelten völkischen Vorstellung des deutschen Nationalismus, die »Volk« nicht als politische Willensgemeinschaft im Sinne eines Staatsvolkes verstehen, sondern als Abstammungs- oder Blutgemeinschaft, die das Fundament nationaler Einheit bildet, spiegeln Ausgangspunkte einer völkischen Ordnung im Sinne der »Gesellschaft für bedrohte Völker«.(23) Selbst wenn sie auf ein Ranking der verschiedenen »Völker« verzichtet und sie erst einmal gleichberechtigt wissen möchte, wird ebenso immer wieder die »Andersartigkeit« jedes einzelnen »Volkes« betont, die primär über Sprache, Kultur und Religion definiert wird. Verbunden jedoch mit der Vorstellung von »Ursprungsvölkern«, sind die sogenannte »Volksgemeinschaften« nicht das Resultat menschlicher Organisationsformen, die irdisch erklärbar und temporär zusammengesetzt sind, sondern die volkhafte Zusammengehörigkeit wird als pseudomystische Aura eines angeblich Organischen voraus gesetzt. Die GfbV bedient sich zumindest ansatzweise auch einer biologisch/rassischen Variante, die Existenz bestimmter Völker zu begründen. In der vorgestellten Pluralität von »Völkern«, in der jedem einzelnen eine »Natur« gegebene Besonderheit zugesprochen wird, lag in der Vergangenheit der Schlüssel für die ideologische Überhöhung des »deutschen Volkes«, die zum Motor deutscher Bestrebungen auf dem Weg zum Nationalstaat wurde.(24) Der deutsch-völkische Nationalismus sah, ebenso wie es die GfbV nahe legt, die Bildung völkisch homogener Staaten vor, woraus sich im Laufe der Zeit der »Auserwähltheitsanspruch« des »deutschen Volkes« bzw. der »deutschen Nation« gegenüber anderen Staaten entwickelte. Dieser wurde gleichzeitig Grundlage des aggressiver Antisemitismus, der die jüdische Bevölkerung als fremde und feindliche »Rasse« bekämpfte. Die Begründungen lieferten je nach dem die gemeinsame Abstammung, gemeinsame Kultur oder der göttliche Wille und später die Rassenideologie, die andere Völker im Sinne zoologischer Gattungen zu auserwählten Opfern machte.(25)

Damals wie heute wird unter dem Vorwand der »Durchsetzung von Menschenrechten« deutsche Expansionspolitik vor allem in den osteuropäischen Ländern betrieben. Der Einsatz von Mittelsorganisation zugunsten deutscher Interessen ist seit dem Ersten Weltkrieg gängige Praxis.(26) In diesem Sinne tritt die GfbV in ähnlicher Weise wie die oben erwähnten deutsch-völkischen Mitstreiter derzeit für sogenannte »Volksgruppen«-Rechte und das »Recht auf Heimat« ein.

Die GfbV trägt außerdem, durch ihre »Volkstumspolitik« innerhalb der BRD Anteil daran, dass nach der deutschen Widervereinigung und im Rahmen historisierender und geschichtsfälschender Debatten das »deutsche Volk« als Identitätsstiftende Einheit wieder in das Bewusstsein der Deutschen zu rücken.

 

 

Fußnoten:

(1) www.z-g-v.de, Zentrum gegen Vertreibung. Das Zentrum gegen Vertreibung wurde 2000 durch den BdV als gemeinnützige Stiftung der deutschen Heimatvertriebenen errichtet.

(2) www.tagesschau.de Bund der Vertriebenen. Schily für Europäisches Zentrum gegen Vertreibung. Quelle: Mitteldeutscher Rundfunk.

(3) www.gruenebt.de Antje Vollmer. Zentrum gegen Vertreibung.

(4) www.markusmeckel.de Gemeinsame Erinnerung als Schritt in die Zukunft. Für ein Europäisches Zentrum gegen Vertreibung Zwangsaussiedlung und Deportation – Geschicht in Europa gemeinsam ausarbeiten.

(5) www.markusmeckel.de Unterzeichner.

(6) siehe hierzu: Walter v. Goldenbach/Hans-Rüdiger Minow, Von Krieg zu Krieg. Die deutsche Außenpolitik und die ethnische Parzellierung Europas, München 1999.

(7) siehe hierzu: Wolfgang Benz, Die Vertreibung der Deutschen aus dem Osten. Ursache, Ergebnisse Folgen, Frankfurt 1995.

(8) siehe hierzu: Norbert Krekeler, Revisionsanspruch und geheime Ostpolitik der Weimarer Republik. Die Subventionierung der deutschen Minderheiten in Polen 1919-1933, Stuttgart 1973.

(9) siehe hierzu: Walter v. Goldenbach/Hans-Rüdiger Minow: »Deutschtum erwache!« Aus dem Innenleben des staatlichen Pangermanismus. Berlin, 1994.

(10) Erich Später, Tschechien bleibt unser! In: Konkret 3/03.

(11) siehe hierzu: Walter v. Goldendach/Hans-Rüdiger Minow, Von Krieg zu Krieg. Die deutsche Außenpolitik und die ethnische Parzellierung Europas, Berlin. 1996.

(12) ebd.

(13) siehe hierzu: Samuel Salzborn, Grenzenlose Heimat. Geschichte, Gegenwart und Zukunft der Vertriebenenverbände, Berlin 2000.

(14) Erich Später, Tschechien bleibt unser!, In: Konkret 3/03.

(15) www.archiv.hamburger-illustrierte.de Gegen Vertreibung: Vermächtnis deutscher Opfer von gestern ist der Einsatz für die Opfer von heute.

(16) www.gfbV.de Stellungnahme der GfbV Anlässlich der Anhörung der unabhängigen Kommission »Zuwanderung« 2001.

(17) ebd.

(18) ebd.

(19) siehe hierzu: www.german-foreign-policy.com Deutsche Staatsanwaltschaft ermittelt wegen »Verbrechen gegen die Menschlichkeit« in der tschechischen Republik.

(20) Ludwig Watzal, Der »Friedensprozess« in Israel und Palästina als Kolonisierungsprojekt, In: Pogrom 211, 1/2002 (Die Zeitschrift Pogrom ist das Organ der GfbV).

(21) www.german-foreign-policy.com Hintergrundbericht: Gesellschaft

für bedrohte Völker.

(22) Andreas Selmeci, Chefredakteur der GfbV-Zeitung Pogrom, publizierte u.a. zum Thema Minderheitenschutz in der Jungen Freiheit.

(23) siehe hierzu: Lutz Hoffman, Das deutsche Volk und seine Feinde. Die völkische Droge – Aktualität und Entstehungsgeschichte, Köln 1994.

(24) siehe hierzu: Hannah Arendt, Der völkische Nationalismus. In: Elemente totalitärer Herrschaft.

(25) ebd.

(26) siehe hierzu: Lutz Hoffmann.

Phase 2 Göttingen