Antifeminismus, eine Begriffsbestimmung

1902 veröffentlichte Hedwig Dohm die politische Kampfschrift Die Antifeministen. Ein Buch zur Verteidigung. Darin machte sie den Begriff des Antifeminismus als Bezeichnung für diejenigen publik, die die »Frauenemanzipation« ablehnten. Auch weit mehr als hundert Jahre später lässt sich so manches Motiv des Phänomens in seinen Grundzügen auffinden. Auch wenn es sich gewandelt hat, wird noch immer ein vermeintlich natürliches oder traditionelles Bild der Geschlechter gegen feministische Veränderungsbestrebungen gerichtet. Die Grenzen des Antifeminismus zu gesellschaftlich vorherrschenden Vorstellungen waren und sind indes fließend; wo er anfängt und wo er aufhört, ist gar nicht so einfach festzustellen. Obschon er im Namen tradierter Geschlechterbilder den Feminismus vereinheitlicht, hängt dessen Analyse eben auch an verschiedenen Begriffen des Feminismus. In dieser Unschärfe hat der Antifeminismus eine lange Geschichte, die trotz des steten Wandels des Geschlechterverhältnisses wie der zugehörigen Zuschreibungen fortwirkt. Mit Kontinuitäten zum Fin de Siècle und Neuerungen in den letzten drei Jahrzehnten setzt sich Rebekka Blum in Angst um die Vormachtstellung. Zum Begriff und zur Geschichte des deutschen Antifeminismus auseinander. 

Dem Buch liegt eine Masterarbeit zugrunde und ist diesem Format entsprechend aufgebaut. Zu Beginn wird erklärt, was mittels welcher Literatur gezeigt werden soll und das wird dann in einer zugänglichen Schreibweise gemacht. Blum arbeitet eine Definition des Begriffs Antifeminismus aus der Forschungsliteratur heraus (114f.), die wohl auch für die politische Praxis dienlich sein soll. Es wäre im Detail zu prüfen, wo diese passt und wo sie modifiziert werden könnte, aber es ist erfreulich, dass die Diskussion über die Begriffsbestimmung weitergeführt wird. Um diese Definition zu entwickeln, betrachtet Blum die Zeit des deutschen Kaiserreichs und die Zeit nach 1990. Zwar erwähnt sie Dohm zweimal, dennoch ist ihr Anspruch nicht historische Quellen über den Antifeminismus zu Wort kommen zu lassen, sondern aktuelle Forschungsliteratur aus verschiedenen Disziplinen zu synthetisieren. Dies hat zu den beiden zeitlichen Schwerpunkten geführt. Der Nationalsozialismus bleibt außen vor, weil er, wie Blum anführt, »einen ganz eigenen Forschungsbereich darstellt« (17). Die für das behandelte Thema im Negativbild wahrscheinlich wichtige Zeit der Zweiten Frauenbewegung wird hingegen in der aktuellen Forschung allem Anschein nach ausgeblendet. Gerade diese Zeit stellt jedoch eine wichtige Etappe im Feminismus dar und so wäre es spannend, zu sehen, was dabei mit dem Antifeminismus passierte. Dies sollte kein Desiderat sein. Zumal die Forschungsliteratur von Blum schon weit gefasst wird; auch linke, feministische Veröffentlichungen werden miteinbezogen. Der Feminismus spielt zwar nur als Hintergrundfolie eine Rolle und wird von Blum daher nicht eigens bestimmt, aber sie sieht sich, wie sie in der Danksagung darlegt, einem »feministische[n] Aktivismus« (7) verbunden. 

Während für den ersten Zeitraum, das Kaiserreich, breitere gesellschaftliche Tendenzen skizziert werden, wird für den zweiten, bis in die Gegenwart reichenden Zeitraum der Blick gerade auch auf Kontinuitäten und damit vor allem auf das politische Spektrum von (rechts-)konservativ über christlich fundamentalistisch bis hin zu völkisch gerichtet. Insgesamt werden Wechselwirkungen des Antifeminismus mit »anderen Ungleichheitsideologien« (110) in Verbindung mit allgemeinen gesellschaftlichen Veränderungen aufgezeigt. Insbesondere betont Blum mit Shulamit Volkov und Karin Stögner Parallelen zum und Zusammenhänge mit dem Antisemitismus. Der »antiintellektuellen Haltung« (95) im Antifeminismus hätte dabei zwar vielleicht etwas mehr Kontur gegeben werden können, aber dennoch ist die Betonung der Wechselwirkungen wichtig. In einer Facette der Bestimmung des aktuellen Antifeminismus gerät der Fokus auf das politische Spektrum indes aus dem Blick: bei dem Phänomen des »[n]eoliberalen (Anti-)Feminismus«. Dieses wird im Hauptteil in einer kurzen Synopse (62–65) beleuchtet und erneut in den die Arbeit abschließenden »Schlussfolgerungen für feministische Bewegungen« (118–121) darauf verwiesen. Mit Nancy Fraser und anderen wird mangelnde »Solidarität« (118) oder die fehlende Thematisierung »ökonomischer Missverhältnisse« (63) als Zeichen von Antifeminismus gedeutet. Das ist nicht selbsterklärend. Blum setzt einen spezifischen gesellschaftskritischen Begriff vom Feminismus voraus, den sie weiter hätte ausführen können. Immerhin zeigt sich nicht nur darin ihr dezidiert politischer Anspruch, sondern auch indem sie ihre Hoffnung in die »kritischen Wissenschaften« (49f.) setzt.

Mit ihrer Studie legt Blum eine Systematisierung des längst nicht ausgeschöpften Forschungsfelds »Antifeminismus« vor. So ist Angst um die Vormachtstellung ein guter Ansatz, um über ein trotz aller Veränderungen in verschiedenen Motiven sich notorisch haltendes Phänomen und dessen Konzeptualisierungen weiter nachzudenken.

 

Inka Sauter

 

Rebekka Blum, Angst um die Vormachtstellung. Zum Begriff und zur Geschichte des deutschen Antifeminismus, Marta Press, Hamburg 2019, 140 S., € 18,00.