Alle Wege führen nach Bagdad...

Im Folgenden dokumentieren wir ein Flugblatt der Autonomen Antifa [M] Göttingen

Während die USA noch darauf warten, dass der Irak gegen die neue Sicherheitsratsresolution verstößt, was dieser mit Sicherheit tun wird, bevor Bagdad bombardiert werden kann, ist auf der anderen Seite des Atlantik, in der - zugegebenermaßen weltpolitisch weniger bedeutsamen - deutschen Linken die Auseinandersetzung schon voll entbrannt.

Die Diskussion dreht sich insbesondere um die Frage, wie mit der weitgehenden Ablehnung des Kriegs durch die deutsche Regierung und Gesellschaft umzugehen sei. Auf keinen Fall ist dies mit einem in Deutschland seltenen Zeichen kollektiver Vernunft zu verwechseln, auf das mit uneingeschränkter Begeisterung von links reagiert werden müsste - dazu sind die Einstellungen dieser Gesellschaft und Regierung allzu gut bekannt. Ebenso wenig lässt sich jedoch der Umkehrschluss ziehen, es sei unmöglich, eine Antikriegspolitik zu vertreten, die sich nicht in den Dienst der deutschen Interessen stelle, da der bevorstehende Irak-Krieg schlecht für die Interessen Deutschlands sei und hinter einer künftigen Friedensbewegung nichts anderes stecke als antiamerikanisch artikulierter Nationalismus.
Eine linksradikale, anti-nationalistische Position gegen den Krieg liegt nicht etwa in der Mitte zwischen diesen Polen, sondern einen Denkschritt weiter: Die Analyse muss an der Ursache des Kriegs beziehungsweise der fehlenden Zustimmung Deutschlands ansetzen, und dort finden sich die Interessenwidersprüche im weltweiten Kapitalismus.

Aus dieser Perspektive stellt sich zuerst die Frage: Welche Motive stehen hinter den Kriegsplänen der USA und der davon eher unbegeisterten Haltung vieler europäischer Staaten, in erster Linie Deutschlands?
Als die USA 1991 verkündeten, eine „Neue Weltordnung“ schaffen zu wollen, waren gerade erst, auch im postkolonialen Teil der Welt, die klaren Fronten der Konfrontation von realexistierendem Sozialismus und kapitalistischem Westen weggebrochen. Dementsprechend galt es für die damals einzige verbliebene Weltmacht USA, zum einen diese politische Vormachtsstellung aufrechtzuerhalten und auszubauen sowie zum anderen, allgemein deutlich zu machen, dass die weltweiten Spielregeln die des Kapitalismus zu sein haben. Der Anfang dieses Neuordnungsprozesses wurde im Irak gemacht, nachdem dieser Anspruch auf die Ölquelle namens Kuwait erhoben hatte. Allerdings hatte man zu diesem Zeitpunkt wohl noch an den Aufbau einer „Neuen US-amerikanischen Weltordnung“ gedacht.
Inzwischen ist jedoch ein neuer weltpolitischer Faktor hinzugekommen, der selbst tüchtig mitordnen will: 1991 hatten die europäischen Staaten noch nicht viel zu melden, und die finanzielle und politische Unterstützung des Irak-Kriegs stellte für das frisch wiedervereinigte Großdeutschland sogar einen der ersten Schritte dar, selbst wieder zum international ernstzunehmenden Faktor zu werden. Das ist mittlerweile so gut gelungen, dass Deutschland zur zweiten europäischen Führungsmacht neben Frankreich wurde, während Großbritannien gerade in militärischen Fragen traditionell den USA näher steht. Die gewachsene Bedeutung Deutschlands stärkte zugleich die EU, die somit bei der ökonomischen und geostrategischen Aufteilung der Welt zu einer ernsthaften Konkurrenz der USA wurde.
Diese Konkurrenz zeigt sich auf verschiedensten Ebenen: Sie reicht von Handelskonflikten über die Streitigkeiten um das Kyoto-Protokoll und den Internationalen Strafgerichtshof bis in den UN-Sicherheitsrat, in dem der Machtkampf nun wiederum anhand des Punkts Irak ausgetragen wurde. Das Ringen um die Irak-Resolution beinhaltet zudem eine weitere Ebene: Für die USA handelte es sich um eine Machtprobe mit den übrigen weltpolitischen Kräften Russland, China und Europa. Sie lief darauf hinaus, diese durch Zugeständnisse auf anderen Gebieten von der den Krieg legitimierenden US-Resolution zu „überzeugen“ - und anschließend zu demonstrieren, dass man weiterhin bereit ist, den Irak gegebenenfalls auch ohne Zustimmung des Sicherheitsrats anzugreifen. Das wäre zwar nicht das erste Mal in der Geschichte des Sicherheitsrats (siehe etwa die regelmäßigen Bombardierungen des Irak durch die USA und Großbritannien sowie nicht zuletzt der Jugoslawienkrieg, die ohne Zustimmung der UNO stattfanden oder -finden) würde aber den Sicherheitsrat, also jene Instanz, die zur Verhinderung eines weiteren Weltkriegs zwischen den Supermächten gegründet wurde, weiter schwächen. Ein Präzedenzfall wäre es zudem in anderer Hinsicht: Ein US-Krieg gegen den Irak auf eigene Faust wäre die Umsetzung der sogenannten „Bush-Doktrin“, mit der sich die USA auch ohne UNO-Genehmigung „Präventiv“-kriege gegen Staaten vorbehalten, die sie für eine „Bedrohung“ halten. Dass sie in dieser Hinsicht noch eine längere Liste abarbeiten wollen, ist bekannt.
Warum nun gerade der Irak und nicht etwa Mali oder Burma? Da ist zum einen das Öl: Der Irak schwimmt praktisch auf einer Öllache und war bis zum zweiten Golfkrieg 1991 eine aufstrebende politische und Wirtschaftsmacht der Region. Als es in den achtziger Jahren darum ging, den Irak für den ersten Golfkrieg gegen den damaligen Schurkenstaat Iran aufzurüsten, war Saddam Hussein für die „westliche Staatengemeinschaft“ ein angesehener Staatsmann, mit dem man gerne „Öl für Waffen“-Geschäfte abschloss. Spätestens seit dem irakischen Einmarsch im nicht minder ölreichen Kuwait gilt Hussein jedoch für die USA nicht mehr als ausreichend verlässlicher Geschäftspartner. Wäre es tatsächlich zu einer reinen US-Weltneuordnung gekommen, hätte das Ergebnis des zweiten Golfkriegs vermutlich ausgereicht: Der Irak war auf den Zustand eines Entwicklungslands gebombt worden, der Staat stand selbst in der Arabischen Liga isoliert da, und in einer weltweit verständlichen Sprache war klargemacht worden, wer der Boss war.
Nun haben aber europäische Staaten, wieder mit Deutschland und Frankreich in vorderster Front, die Lockerung des Irak-Embargos in den neunziger Jahren dazu genutzt, sich mit weitreichenden Handelsabkommen weitere Pfründe in der Region zu sichern - inzwischen ist auch Russland groß ins Irak-Geschäft eingestiegen. Auch zu anderen, den USA eher suspekten Staaten im Nahen Osten wie etwa wiederum dem Iran sind die politischen und ökonomischen Beziehungen Europas besser, als es den USA lieb sein kann. Der Krieg mit dem Ziel, im Irak eine den USA genehme Regierung zu installieren, dient daher nicht zuletzt auch dazu, den europäischen Einfluss in der Region zurückzudrängen.
Darüber, wie diese neue Regierung von Washingtons Gnaden aussehen könnte, lässt sich derzeit nur spekulieren. Aus den vorangegangenen Kriegen der letzten Jahre lässt sich allerdings eine Tendenz erkennen, von der sogar beide Seiten im transatlantischen Konkurrenzverhältnis profitieren könnten: Nicht nur in bezug auf den Irak, sondern als Modell für weitere Staaten in der Umgebung wie auch weltweit, dürfte es nicht allein um die Einsetzung einer neuen Regierung gehen, sondern um eine neue Regierungsform. Die Unterstützung und aktive Einsetzung von Diktaturen ist im vergangenen Jahrzehnt aus der Mode gekommen, denn insbesondere nach dem Ende des Kalten Kriegs tendieren diese dazu, ein schwer kontrollierbares Eigenleben zu entwickeln. Der Irak ist ein typisches Beispiel für diese Entwicklung: So lange das Regime Saddam Husseins brav seine Rolle als Vasall des Westens erfüllte, konnte es ungestört die Opposition terrorisieren und Tausende Menschen im kurdischen Halabja (Nordirak) mit deutschem Giftgas massakrieren, ohne dass dies seine internationalen Beziehungen belastet hätte. Den Diktator in Bagdad entdeckte man erst, als zu befürchten war, dieser könnte im Rahmen der OPEC ein Ölpreis-Schreckensregime errichten.
Der Irak ist nicht die einzige aus der Mode gekommene Diktatur. Die neue, auch mit der humanitären Ideologie des Eurochauvinismus kompatible Parole lautet daher „Demokratisierung“. Ohne an dieser Stelle eine umfassende Kritik der Demokratie auszubreiten, sei hier noch einmal darauf hingewiesen, dass diese Herrschaftsform schon in den wohlhabenden, politisch unabhängigen Metropolenstaaten zu nichts anderem dient als der möglichst flexiblen und reibungslosen Abwicklung der Kapitalverwertung. Für den Rest der Welt kommt die politische und ökonomische Abhängigkeit von diesen Staaten der Metropole hinzu. Anders ausgedrückt: Für einen weltpolitisch gewichtigen Staat oder Staatenbund ist es einfacher und moralisch bequemer, gegen eine unbotmäßige Regierung das höchst demokratische Mittel des Aufbaus und der Förderung von Oppositionsparteien anzuwenden, anstatt einmal im Jahrzehnt einen Putsch oder Krieg anzuzetteln. Wo man sich seiner potentiellen Hilfstruppen nicht ganz sicher ist, wird der Demokratisierungsprozess halt unter Militäraufsicht gestellt, wie es derzeit in den Resten Jugoslawiens erprobt wird.
Den VertreterInnen eines ›Aber ginge es der irakischen Bevölkerung ohne Saddam nicht viel besser‹-Moralismus sei gesagt: Das mag sein - oder auch nicht. Allein aufgrund dieser Vermutung einen Krieg zu befürworten, der - und das ist keine Vermutung - Tausende von Toten und eine weitere Vertiefung der Not der Bevölkerung zur Folge haben wird, hieße bestenfalls, aus guten Motiven das Schlechte zu wollen. Schlimmstenfalls steht dahinter nichts anderes als das Akzeptieren genau der Logik, mit der die deutsche Regierung ihren ersten Angriffskrieg nach 1945 legitimierte. Bisher hat sich jedenfalls gezeigt, dass dieses vermeintlich Bessere nie etwas anderes bedeutet hat als das völkische Gegeneinander-Aufhetzen von Bevölkerungsgruppen und deren Instrumentalisierung als Spielfiguren auf einem großen Risiko-Brett. Die Resultate des Jugoslawien-Kriegs und die Rückkehr der afghanischen Warlords an die Macht machen deutlich, was von den kommenden Kriegen des Menschenrechtsimperialismus zu erwarten ist.
 

Exkurs: Reise nach Jerusalem

Wenn die umliegende Region in eine Betrachtung des Irak-Konflikts einbezogen wird, ist dabei aus der linken Perspektive ein Staat besonders wichtig, nämlich Israel.
Denn eines muss klar sein: Während auf der üblichen linken Agenda die Abschaffung jedweder Staatlichkeit stehen sollte, heißt die Ausnahme Israel. Die Existenz des Staates Israel als dem Ort, der Juden und Jüdinnen jederzeit als Zuflucht vor antisemitischer Bedrohung und Verfolgung offen steht, muss bis zu einem derzeit nur utopisch zu nennenden Zeitpunkt gewährleistet sein, an dem die Ideologie des Antisemitismus für alle Zeiten auf dem Müllhaufen der Geschichte gelandet ist. Dieser Grundsatz muss stets gelten, unabhängig von der Politik, die die jeweilige israelische Regierung gerade betreibt, und unabhängig davon, wie man sich im Detail zum konkreten Konflikt in Israel/Palästina positioniert. Der Staat Israel darf gerade in einer realen Kriegssituation nicht zur Projektionsfläche abstrahierter Ideologiedebatten gemacht werden.
Sicherlich stellt der Irak eine permanente potentielle Bedrohung Israels dar - wie übrigens auch andere Staaten der Region, gegen die momentan kein Krieg auf der Tagesordnung steht. Zudem ist fraglich, ob sich dies nach einem Krieg gegen den Irak ändern würde. Klar ist allerdings, dass der Angriff auf den Irak für Israel eine akute Verschärfung der Gefahr bedeutet. Bereits im Krieg von 1991 schlugen irakische Raketen im gar nicht aktiv am Krieg beteiligten Israel ein. Dahinter stand das Kalkül des Irak, den Konflikt auf eine neue Ebene zu heben und Sympathien in der arabischen Welt zu gewinnen, in der der konkrete Hass auf den Staat Israel und die antisemitische Weltverschwörungstheorie, in der Israel und die USA als Einheit wahrgenommen werden, weit verbreitet sind.
Obwohl der Irak zumindest der Türkei gegenüber beteuert hat, im erneuten Kriegsfall keine Angriffe auf Staaten der Region zu planen, ist die Gefahr einer Aggression gegen Israel damit nicht aus der Welt; in jedem Fall dürften sich die regionalen Konflikte weiter verschärfen, und das ist auch in Washington bekannt. Hier zeigt sich, dass das Verhältnis der USA zu Israel kein anderes ist als zu anderen von ihnen abhängigen Staaten auch: Je nach Opportunität gewähren sie ihnen mal Unterstützung, mal lassen sie sie fallen, wenn andere Dinge wichtiger sind. Sicherlich werden sie Israel auch weiterhin unterstützen - aber eben nur so lange, wie der Staat für sie von Interesse ist. Das wird zwar auf absehbare Zeit so bleiben, aber wer für die Sicherheit Israels eintritt, muss dieses funktionale Verhältnis sehen und kann nicht an dem gefährlichen Irrtum festhalten, sich für die USA als scheinbar unverbrüchlicher Schutzmacht Israels von links zu begeistern.
 

...auch der deutsche

Innerhalb der deutschen Linken wird ein weiteres Argument vorgebracht, zu glauben, einen neuen Irak-Krieg zumindest nicht kritisieren zu können: Sowohl die Regierung als auch in manchen Fällen ziemlich unappetitliche gesellschaftliche Kräfte bis ins faschistische Lager haben ihre eigenen Gründe, den Krieg abzulehnen. Hier muss jedoch genau unterschieden werden.
Selbst die deutsche Gesellschaft ist kein völlig homogener, postfaschistisch-völkischer Mob, obwohl einem kritisch denkenden Menschen immer wieder neue Anlässe für diese Ansicht geboten werden. Zudem reichen die globalen Ebenen, auf denen sich der kommende Krieg abspielt, über den trüben Horizont hinaus, der sich aus dem Mief der deutschen Sicht heraus bietet.
Ein deutscher Außenminister und humanitärer Bomberpilot Fischer hat andere Gründe, sich gegen den dritten Golfkrieg zu stellen als christliche PazifistInnen. Die Motive eines NPD-Mitglieds, die USA zu hassen, weil man den Amis die Niederlage von '45 nie verziehen hat, sind andere als die einer deutschen Kurdin, die die US-Unterstützung des türkischen Staats für den Krieg in Kurdistan am eigenen Leib erfahren durfte. Und ein Antisemit, der in Washington das „Ostküsten-Judentum“ am Werke sehen will, meint mit dem Satz „Stoppt den Krieg“ etwas völlig anderes als ein bürgerlicher Antifaschist, der eine deutsche Beihilfe zum Krieg aus dem Grundsatz heraus ablehnt, von deutschem Boden dürfe nie wieder ein Krieg ausgehen.
Ohne Frage hat die transatlantische Konfrontation gerade in Deutschland einen Antiamerikanismus wiedererweckt, der sich in vielen Fällen als Nationalismus und/ oder Antisemitismus übersetzen lässt. Wo dieser in möglichen Antikriegsmanifestationen zutage treten sollte, ist es unbedingt nötig, dagegen Position zu beziehen.
Eine solche Haltung allen zu unterstellen, die gegen den Irak-Krieg protestieren, macht die Sache jedoch zu einfach. Schließlich existieren auch Positionen wie etwa ein moralischer, prinzipieller Pazifismus oder eben die geschichtsbedingte Ablehnung insbesondere deutscher Kriege. Das kann nicht unbedingt als linksradikal bezeichnet werden. In einem solchen Umfeld bietet sich aber die Möglichkeit, auch und gerade eine Kritik an den Motivationen und Zielen der deutschen Regierung deutlich zu machen, ihr entgegen-, anstatt mit Forderungen nach Überflugverboten an sie heranzutreten.
Diese Regierung hat ihre eigenen antiamerikanischen Töne nach erfolgreich absolviertem Wahlkampf auf ein Minimum reduziert. Sie argumentiert nun wesentlich geschickter mit „Menschenrechten“, „friedlichen Lösungen“ und anderen moralisch einwandfreien Dingen, um wieder einmal das europäische Modell als den schöneren Imperialismus anzupreisen. Zwar ist denkbar, dass sie sich letztlich innerhalb der EU auf die Linie „Keine Alleingänge der USA“ verständigen könnte, um ihren Einfluss auf das weitere Schicksal des Irak nicht gänzlich zu verlieren. Dennoch ist deutlich, dass es sich im vorliegenden Fall nicht um einen Krieg handelt, der den deutschen Interessen förderlich ist. Um trotzdem das Beste aus den Resultaten des Kriegs herausholen zu können, hat sich Deutschland schon durchaus bereit erklärt, anschließend die Bundeswehr an einer Aufräum- und „Friedensordnungs-“mission teilnehmen zu lassen.
Kurz gesagt: Hier verhalten sich die SachwalterInnen eines kapitalistischen Staates so, wie es dessen Interessen entspricht - nicht anders, als es auch in den USA der Fall ist. Dass diese Interessen gegensätzlich geartet sind, liegt in der auf Konkurrenz basierenden Natur des Kapitalismus. Den deutschen Kapitalismus zu kritisieren, nur weil er deutsch, und nicht, weil er Kapitalismus ist, stellt eine eben solche Verkürzung dar wie die Ansicht mancher deutscher Linksliberaler, die eine besondere Aggressivität des US-Kapitalismus ausgemacht zu haben glauben und daher die vermeintliche Light-Variante made in Europe empfehlen. Die linke Kritik muss am weltweit herrschenden Prinzip des Kapitalismus selbst ansetzen, und das bedeutet eben auch, sich gegen jeden kapitalistischen Krieg - und darum handelt es sich im Fall Irak - zu stellen.
Es ist ein offenes Geheimnis, dass diese antikapitalistische Betrachtungsweise - und zwar auf beiden Seiten des großen Teichs - marginal ist. Während die GenossInnen in den USA sich mit einer patriotisch-kriegerisch gesinnten Stimmung konfrontiert sehen, äußert sich der hiesige Patriotismus momentan in einer ungewohnt ablehnenden Haltung gegen den Krieg. Das Problem besteht also vielmehr darin, als radikale Linke eine grundsätzliche, antikapitalistische und antinationale Kritik gegen den Krieg in einem gesellschaftlichen Umfeld wahrnehmbar zu machen, das aus gänzlich anderen Motiven plötzlich seine Liebe zum Frieden und Status Quo im Nahen Osten entdeckt hat.
Die bequemste, aber eben auch falscheste Lösung dieses Dilemmas läge darin, sich jeglicher Äußerung zu enthalten, Antikriegsdemos fernzubleiben und seine Meinung bestenfalls noch an der Apo-Theke zum Besten zu geben, um ja nicht mit der deutschen Regierung, AntiamerikanerInnen und AntisemitInnen oder auch Saddam Hussein himself in einen Topf geworfen zu werden. Falsch deshalb, weil es gerade darum gehen muss, sich gegen die vom kapitalistischen System vorgegebenen Konfrontationslinien zu positionieren. Auch eine vereinfachende Anti-Haltung, die darauf hinausliefe, den US-Kapitalismus seinem deutsch-europäischen Pendant vorzuziehen und die Friedensbewegung zum Feindbild hochzustilisieren, erfüllt diesen Anspruch nicht, sondern fügt sich nahtlos in die Logik der kapitalistischen und nationalen Konkurrenz ein, in der die nächsten Kriege schon vorprogrammiert sind - demnächst möglicherweise auch wieder einmal in deutscher Initiative.
Die Möglichkeit, einen radikal systemkritischen Widerstand zu äußern, liegt darin, selbst in die Offensive zu gehen und eigene Argumentationen, Parolen und Aktionsformen vorzugeben, die sich nicht vom patriotischen Pazifismus der Zivilgesellschaft vereinnahmen lassen. Das beinhaltet auch, nicht unkritisch jede Manifestation gegen den Krieg zu unterstützen, sondern zu differenzieren zwischen jenen staatstragenden KriegsgegnerInnen wie etwa den Regierungsparteien, gegen die konkrete Gegenwehr angesagt ist, und potentiellen BündnispartnerInnen. Der Schwerpunkt linksradikaler Antikriegspolitik muss jedoch auf der Entwicklung eines eigenen, antikapitalistischen Widerstands liegen, der sich nicht alleine gegen den bevorstehenden Angriff auf den Irak richtet, sondern gegen die generelle Logik aller kommenden Kriege der kapitalistischen Weltneuordnung - und folgerichtig auch gegen Deutschland.
 

Revolution statt Neue Weltordnung!
Kein Friede mit Deutschland!



Autonome Antifa [M]
Januar 2003