Publikationen zum richtigen Umgang mit Nazis scheinen in diesem Jahr hoch im Kurs zu stehen. Im Mai erschien eine Neuauflage der Broschüre Tipps und Tricks für Antifas, die mittlerweile schon auf eine zwanzigjährige Geschichte blicken kann und nicht wenige linksradikale AntifaschistInnen in ihren Anfangszeiten begleitet haben wird.
Ausführlicher und eher an ein zivilgesellschaftliches Zielpublikum gerichtet ist Das Buch gegen Nazis von Holger Kulick und Toralf Staud, mit dem Untertitel »Rechtsextremismus – Was man wissen muss und wie man sich wehren kann«. Es stellt Good-Practice-Beispiele vor und soll »kompaktes Wi Schule ssen und praktische Tipps« für erfolgreiches Engagement gegen Neonazis, »sei es als Nachbar, im Sportverein, in der oder am Arbeitsplatz« vermitteln.
Weniger als ein Nachschlagewerk, sondern als einen Appell ans Aktivwerden, möchte Kerstin Köditz Und morgen? Extreme Rechte in Sachsen verstanden wissen. Neben einer ausführlichen Situationsbeschreibung der sächsischen Verhältnisse zeigt sie auf, wie es unter anderem durch halbherzige Symptombekämpfung Neonazis in Sachsen immer wieder ermöglicht wird, ungestört zu agieren.
»Aus der Erfahrung des antifaschistischen Widerstands der letzten 20 Jahre heraus,« heißt es im Ankündigungstext des Unrast Verlags »gibt Tipps & Tricks für Antifas, jetzt in der aktuell überarbeiteten Auflage, grundlegende Informationen und Unterstützung für die alltäglichen Fragen in der Antifa-Arbeit.« Die 75-seitige Broschüre richtet sich dabei an Menschen, die zum ersten Mal mit klassischer linksradikaler Antifa-Arbeit in Berührung kommen und vermittelt umfangreiches Basiswissen. Dass eine geplante Aktion vor- und nachbereitet werden muss, eine Soliparty zur Finanzierung der eigenen politischen Arbeit auch beworben gehört und die Recherche kein Selbstzweck ist, sind nur ein paar Beispiele der behandelten Themen.
Zu einer der wesentlichsten Ergänzungen in der Neuauflage gehört der Komplex Datensicherheit, in dem sich Anleitungen für die Verschlüsselung von Festplatte und E-Mails finden und Kriterien für ein sicheres Passwort aufgelistet werden. Sicherlich eines der wesentlichsten Argumente für eine Aktualisierung der alten Broschüre. Ausführlich wird auch auf staatliche Repression hingewiesen und Möglichkeiten zum Schutz aufzeigt, die in Zeiten von zunehmender Kriminalisierung antifaschistischer Aktivitäten durchaus berechtigt sind, allerdings auf gänzlich Unerfahrene auch abschreckend wirken können.
Im Vorwort des Redaktionskollektivs heißt es, »gerade im Hinblick auf Sexismus gibt es innerhalb der Linken große Defizite«, um dann leider lediglich darauf zu verweisen, dass aus Platzmangel nur eine Linkliste am Ende der Broschüre auf das Thema verweist. Bei dieser treffenden Erkenntnis wäre es wünschenswert gewesen, statt einer weiteren Werbeanzeige, dem Thema eine eigene Seite zu widmen. Allerdings ändert dieser Makel nichts an der Tatsache, dass die neue Auflage eine gelungene Broschüre darstellt, die solide Grundkenntnisse praktischer politischer Arbeit vermittelt.
In einer bunten Mischung aus Interviews und Artikeln präsentieren die beiden Journalisten Holger Kulick und Toralf Staud in 70 Kapiteln zwar keine Patentrezepte, aber viele nützliche Hinweise und Antworten im Engagement gegen Rechts in ihrem Buch gegen Nazis. Gegliedert ist es in zwei etwa gleichgroße Teile »Wissen« und »Handeln« sowie einen kleinen Abschnitt »Erkennen«.
Das Kapitel »Wissen« dreht sich hauptsächlich um Fragen wie: Was will die NPD eigentlich?, Ist Thor Steinar eine Nazimarke? Oder: Wie lügen die Leugner des Holocaust? Dabei werden Themen und Inhalte, Strukturen und neonazistische Erlebniswelten der heutigen Rechten, aber auch historische Fakten kurz und prägnant behandelt. Weniger theoretisch, aber dafür umso praxisbezogener wird im Abschnitt »Handeln« der Fokus auf konkrete Gegenstrategien und Handlungsmöglichkeiten gelegt. Wie reagieren auf einen rechten Angriff, auf die »Schulhof-CD« der NPD oder den Nazi im Sportverein?
Anhand der Unterschiedlichkeit der Fragen wird aber auch die Breite und Vielfältigkeit des zivilgesellschaftlichen Engagements deutlich, an deren Akteure sich dieses Buch richtet. Die Schülerin erhält Tipps gegen die Nazis in ihrer Klasse, Kirchenmitgliedern werden Handlungsoptionen in der Gemeinde aufgezeigt oder dem Sozialarbeiter adäquate Reaktionen auf Nazimusik im Jugendclub nahe gelegt.
Die unhinterfragte Grundlage des Buches, ein Projekt der Zeitung Zeit und der Bundeszentrale für politische Bildung, bildet das altbekannte Schema der »demokratischen Mitte«, die bedroht wird von »Extremisten« des linken und rechten Randes. So erklärt sich das Interview mit dem ehemaligen CDU-Fraktionsvorsitzenden aus dem mecklenburgischen Landtag, Armin Jäger, der über linke und rechte Extremisten schwadroniert oder Fragen wie: »Soll man mit der Antifa zusammenarbeiten?« Auf Letztere folgt ein Interview mit dem Generalstaatsanwalt von Brandenburg, Erardo Rautenberg, der überraschenderweise für ein breites Bündnis gegen »Rechtsextremismus« »vom stramm konservativen bis hin zum autonomen Spektrum« plädiert.
Das Buch schließt mit einer Zusammenstellung der wichtigsten neofaschistischen Symbole und der passenden Erläuterung, wie diese einzuordnen sind. Dort finden sich Embleme und Logos rechter Organisationen genauso wie heidnische Symbole, subkulturelle Codes und Lifestylemarken, die den LeserInnen ermöglichen sollen, das neonazistische Gegenüber auch als solches zu erkennen.
Wegen der Kombination von inhaltlichem Grundgerüst zum Thema Neonazismus und praktischen Handlungsempfehlungen ist Das Buch gegen Nazis durchaus empfehlenswert, als Nachschlagewerk oder Ideengeber, auch für Menschen, die mit dem permanenten Verweis auf die »Extremisten« contra »demokratische Mitte« nichts anfangen können.
Als sich Ende September in Dresden der sächsische Landtag konstituierte, war nicht nur Kerstin Köditz von der Linken wieder gewählt worden. Zum ersten Mal in ihrer Parteigeschichte gelang auch der NPD der Wiedereinzug in ein Landesparlament. Köditz sitzt mit ihrer Links-Fraktion somit in dieser Legislaturperiode erneut den NPD-Abgeordneten direkt gegenüber. Von ihren Erfahrungen in den letzten vier Jahren mit der extremen Rechten und den sächsischen Verhältnissen, in denen eine Fraktion voller Neonazis nur die Spitze des Eisberges darstellt, handelt ihr Buch Und morgen? Extreme Rechte in Sachsen.
Dabei ist Köditz keineswegs zurückhaltend und beschönigt nichts: »Will ich ein realistisches Szenario entwerfen, um auch zukünftige Gefahren besser einschätzen zu können, darf ich die NPD nicht für dümmer halten als die mit ihr konkurrierenden Parteien«. Sie stellt dar, wie die NPD geschulte Kader in Parlamente schickt, dort provoziert und so gewünschte Medienberichterstattung erhält. Dass es die Partei überhaupt erst in die Kreisräte schaffte, verdankt sie einer erfolgreichen Graswurzelpolitik in der sächsischen Provinz, gegen die auch Appelle und eine höhere Wahlbeteiligung wirkungslos blieben. Scheinbar nahezu ungestört konnte die NPD dabei Strukturen ausbauen und ihren Deutsche Stimme-Versand in Riesa zum größten seiner Art machen.
Neben der NPD existieren in Sachsen aber auch mehrere rechte Splitterparteien, wie z.B. die DSU, ein Sammelbecken ehemaliger NPD-Mitglieder oder die Partei »Bündnis Arbeit, Familie, Vaterland« des ehemaligen CDU-Rechtsaußens Henry Nietzsche. Bei beiden tut sich der örtliche Verfassungsschutz jedoch schwer, diese als »rechtsextrem« zu bezeichnen, weiß Köditz zu berichten, solange diese sich »nicht ausdrücklich positiv auf die NS-Zeit« beziehen. Die Kaschierung der Grauzonen zwischen CDU und NPD, die so geschieht, scheint der Landesregierung durchaus genehm zu sein.
Ein Kapitel widmet die Autorin der ge-schichtsrevisionistischen »Gedächtnisstätte« in Borna, die, weitaus erfolgreicher als die Dresdener Schule der NPD, faschistische Theorie entwickelt und verbreitet. Der gleichnamige Verein hat es sich zur Aufgabe gemacht, an »die Opfer des zweiten Weltkrieges durch Bomben, Verschleppung, Vertreibung und in Gefangenenlager« zu erinnern. Die ProtagonistInnen sind dabei einschlägig bekannte Holocaustleugner, die sich nicht nur zum Ziel gesetzt haben, ein »Nazizentrum« mit überregionaler Bedeutung zu schaffen, sondern bereits träumen, »die Revolution in Deutschland wird von Borna ausgehen«.
Das Buch ist ein erfrischender Mix aus Köditz’ eigenen Beobachtungen, Ergebnissen parlamentarischer Arbeit und Kommentierungen medialer Berichterstattung. Sie schreibt selbst, dass sie »weder aus der Sicht einer außenstehenden Wissenschaftlerin, noch aus der einer beobachtenden Journalistin« berichten will, sondern ein Panorama der Zustände, unter denen sie selbst leidet, zeichnen will, um Menschen zum Handeln zu motivieren. »Dass Sachsen zur Hochburg der extremen Rechten geworden ist, dass sich die Entwicklung auf diese Weise vollzogen hat, ist keineswegs ein Zufall«. Noch gebe es aber die Möglichkeit, aus begangenen Fehlern zu lernen.
~Von Theo Schneider.
Holger Kulick/ Toralf Staud: Das Buch gegen Nazis: Rechtsextremismus – was man wissen muss und wie man sich wehren kann, Kiepenheuer & Witsch, Köln 2009, 256 S., € 12,95.
Kerstin Köditz: Und morgen? Extreme Rechte in Sachsen, Verbrecher Verlag, Berlin 2009, 224 S., € 14,-.
Redaktionskollektiv (Hrsg.): Tipps und Tricks für Antifas. Reloaded, Unrast, Münster 2009, 80 S., € 4,-.