Volks-Nation-Building

Deutsche Wiederaufbaupolitik am Beispiel Afghanistan

Nach Ende der Kampfhandlungen in Afghanistan war klar, dass auch Deutschland einen wichtigen Beitrag zum Wiederaufbau leisten will. So übernahmen Deutschland und die Niederlande am 10. Februar 2003 für ein halbes Jahr das Kommando über die sogenannte Internationale Sicherheitstruppe für Afghanistan (ISAF). Der Einsatz endete am 10. August 2003. Aber auch nach Übergabe des Oberbefehls an die NATO bleibt das Bundeswehrkontingent weiterhin in Kabul stationiert, zudem hat der deutsche General Gliemeroth das Kommando über die NATO-ISAF-Mission übernommen. Am 24. Oktober stimmte der Bundestag dafür, den Einsatz der Bundeswehr in der ISAF zu verlängern und Kräfte der Bundeswehr in den Nordosten des Landes nach Kunduz zu schicken.

Dass Deutschland in Afghanistan ausschließlich ökonomische Interessen verfolgt ist fraglich, ist Afghanistan doch ein Staat, in dem es nicht viel zu holen gibt. Stabilität zu gewährleisten, scheint hier eines der zentraleren Anliegen zu sein. Hierfür greift die deutsche Außenpolitik auf Konzepte zurück, die es auch schon nach der Zerschlagung des jugoslawischen Zentralstaates nutzte. Und wenn Deutschland »Nation-Building« betreibt, geschieht dies schon fast zwangsläufig auf Grundlage völkischer Konzeption. So soll der afghanische »Feindstaat« in einen stabilen prowestlich ausgerichteten Staat umgebaut werden, während in Jugoslawien »Nation-Building« sozusagen unter umgekehrten Vorzeichen durchgeführt wurde, nämlich als Zerschlagung des Staates in viele Kleinststaaten. Die Grundlage aber ist in beiden Fällen dieselbe, nämlich die Annahme, dass es Völker und Ethnien gäbe, die es einfach neu zu ordnen gelte. Im folgenden soll ein Blick darauf geworfen werden, wie die deutsche Außenpolitik über die EU eigene Konzepte des »Nation-Building« in Afghanistan erprobt.

 

Back in Black, Yellow, Red

Schon im Vorfeld der Übernahme des Kommandos über die Sicherheitstruppe machten Deutsche Regierung und Think Tanks klar, wie sie sich eine Nachkriegsordnung in Afghanistan vorstellten. In einer Regierungserklärung am 11. Oktober 2001 zum »neuen Selbstverständnis deutscher Außenpolitik« stellte Bundeskanzler Schröder klar, dass der »Streit der Volksgruppen« im »ethnischen Flekkenteppich Afghanistan« der entscheidende Faktor sei, weshalb die Neuordnung nach ethnischen Gesichtspunkten zu erfolgen habe.(1)

Dass die deutsche Außenpolitik sich auf Grundlage völkischer Konstrukte konstituiert, ist spätestens seit dem Jugoslawienkrieg hinreichend bekannt. Aufgrund des »politischen Gewichts Deutschlands«, der Erfahrung aus der Vergangenheit und der »traditionell großen Sympathie in der afghanischen Bevölkerung« sei Deutschland bestens geeignet und verpflichtet den Wideraufbau nach eigenem Gusto mitzugestalten. Die Analyse der Situation in Afghanistan ist, so wie man es von deutschen »Think Tanks« erwartet, geprägt von völkischen Kriterien.

Zunächst erfolgt die Feststellung, verantwortlich für die Konfliktsituation seien die Mentalitäten der verschiedenen Volksgruppen. »Dieses Verhalten [...] Einigung in Zeiten der Gefahr, ansonsten Streit – ist typisch für die Völker und Stämme Afghanistans.«(2) Es ist also das Blut, welches in bester deutscher Denktradition die Stämme Afghanistans dazu veranlasst, sich gegenseitig an den Hals zu springen, sobald die gemeinsame Bedrohung von Außen fehlt; sie können halt nicht anders.

Die Lösung des Konfliktes ist dann so einfach wie banal. Ziel sei es, die »drei Faktoren Stamm, Nation und Religion in ein dynamisches und stabiles Gleichgewicht zu bringen«.(3) Eine nicht ganz einfache Aufgabe angesichts dessen, dass die Südostasienreferentin der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), Citha Maaß, nicht weniger als vier relevante »Volksgruppen« und ungefähr 55 Ethnien in Afghanistan ausmachen will.(4) Durchgesetzt werden soll die Herstellung dieses dynamischen Gleichgewichts durch die Auflösung der zentralstaatlichen Ordnung zugunsten einer föderalistischen. Dem Land soll eine föderale Struktur mit relativ autonomen Gebieten für die jeweils dominierende Bevölkerungsgruppe und eine »symbolische« Zentralmacht gegeben werden. Genau genommen ist dies die völkische Konzeption von föderaler Struktur, in der eine staatliche Einheit faktisch nicht mehr existiert und nur noch »Volksgruppen« nebeneinander leben – die faktische Tribalisierung des Landes. Auch der Sprecher für Menschenrechte und humanitäre Hilfe der SPD-Bundestagsfraktion, Rudolf Binding, sprach sich gegen die weitere staatliche Einheit aus. Der damals von den Amerikanern als Regierungschef vorgeschlagene Ex-König Sahir Shah sei lediglich »eine Kreatur der Amerikaner«. Vorzuziehen sei dagegen, aus seiner Kenntnis der »afghanischen Mentalität«, ein »loses Staatsgebilde [...] vielleicht mit verschiedenen Kantonen mit regionalen Machthabern und einer sehr lockeren zentralen Einheit darüber«.(5)

Garanten für eine Umsetzung dieses Konzeptes sind also sogenannte regionale Machthaber, mit anderen Worten Stammesfürsten und Warlords, wie beispielsweise der Clanchef und Gouverneur Ismail Khan aus der Provinz Herat. Dort herrschen auch Recht und Ordnung, wie Die Zeit beeindruckt feststellte.(6) Nur nach anderer Fasson halt. So wurden im Oktober 2002 Musik- und Videokassetten öffentlich verbrannt, auch ist es Frauen ohne männliche Begleitung verboten in der Öffentlichkeit aufzutreten. Tugendwächter durchstreifen die Stadt, um diese Erlasse durchzusetzen. Journalisten werden bei der Äußerung von Kritik verhaftet und öffentlich ausgepeitscht. Nun ist aber gerade die Provinz Herat wegen ihrer »Stabilität« eine der Provinzen, die das Bundesverteidigungsministerium dazu auserkoren hat, beim Aufbau rechtstaatlicher Strukturen zu unterstützen.

In die vermeintlich sichere Provinz sollen Wiederaufbauteams (Provincial Reconstruction Teams (PRT)) entsendet werden, die aus 30 bis 40 ZivilistInnen mit militärischem Schutz bestehen. Bisher befinden sich noch keine PRT in Herat, wohl aber in Kunduz, Gardez und Bamyan.

 

Know your friends

Dass nun die Auswahl der stabilsten Regionen nicht zufällig erfolgt und natürlich bekannt ist, dass diese Stabilität den Warlords und ihren bis zu 30.000 Mann starken Milizen zu verdanken ist, offenbart das aktuellste Strategiepapier des Centrums für angewandte Politikforschung (CAP), einer der gefragtesten Think Tanks des Außenministeriums. Dieses schlägt eine Entwicklungsstrategie vor, die die Warlords trotz ihrer nicht demokratisch begründeten Legitimität am Wiederaufbau beteiligt und ihnen die Möglichkeit eröffnet, ihre Macht zu legitimieren. »Sie werden illegale und zerstörerische Aktivitäten wie Drogenhandel, Schmuggel oder Zollerhebung nur aufgeben, wenn sie dafür andere Einnahmen erhalten bzw. ihre illegalen Profite legalisieren können.«(7) Den kooperationsbereiten Warlords müsse es ermöglicht werden, ihre gewaltsam errungenen Machtpositionen in staatlich legitimierte umzuwandeln. Die Warlords könnten dann, nach Vorstellungen des CAP, Positionen in der paritätisch nach Ethnien besetzten, locker über dem föderalistischen Staat stehenden Zentralregierung, der Armee oder der Polizei übernehmen.

Zudem müsse die Tradition eines moderaten Islams wiederbelebt werden, in der »die Warlords ihr Handeln gegenüber lokalen Ältesten und Clanführern zu verantworten hätten«.

Diese Vorstellung, Stabilität in Afghanistan zu erreichen, offenbart einmal mehr die Grundannahme, man habe es mit historisch und natürlich gewachsenen Ethnien und Völkern zu tun, die – ihren lokalen Führern folgend – nebeneinander existieren müssten. Fraglich ist, ob eine Vielzahl von Afghanen ihrer ethnischen Zugehörigkeit überhaupt eine Bedeutung zugestehen, oder ob nicht einzig die Warlords und ihr engeres Umfeld von der Ethnisierung profitieren. Und manchmal erweckt es den Anschein, als sei die Politikberatung der deutschen »Think Tanks« vom spezifisch deutschem Erklären von staatsbürgerlicher Identität mit dem ius sanguinis, dem Abstammungsrecht nach Blutzugehörigkeit und natürlich gewachsener Kulturzugehörigkeit beeinflußt. Übertragen auf den Konflikt in Afghanistan endet dies dann fast zwangsläufig in der Erklärung, dass ethnische Zugehörigkeit einer Konstante entspreche, die das Denken und Handeln von Menschen unausweichlich bestimmt. So verwundert es nicht, dass das Konzeptpapier des CAP den Titel »Wege zu einem Staat der Gemeinschaften« trägt.

 

Germany goes Europe

Die gewünschte wichtige Rolle im Neuordnungsprozess in Afghanistan vermag Deutschland natürlich nicht alleine wahrzunehmen. Deshalb ist auch in jedem Strategiepapier die Rede von einer wichtigen Rolle Deutschlands innerhalb des EU-Konzeptes. Citha Maaß geht davon aus, dass gerade aufgrund des politischen Gewichts Deutschlands innerhalb der EU international erwartet wird, dass die deutsche Regierung erhebliche Verantwortung übernimmt. Schließlich seien die Interessen Europas dieselben wie die Deutschlands: Verhinderung von Massenflucht und die damit verbundene Einwanderung in die EU. Immerhin umfasst die afghanische Exilgemeinschaft in Deutschland schon 90.000 Flüchtlinge. Hinzu kommt die Angst vor dem internationalen Terrorismus, der nach den USA auch Europa treffen könne. »Ernüchtert stellt man fest, dass im ›globalen Dorf‹ der Zwist im Nachbarhaus auch die Ruhe in der eigenen Wohnung gefährdet.«(8) Für eine gesamteuropäische Strategie spielt auch die Abgrenzung zu Amerika eine wichtige Rolle. So wird, wie bereits erwähnt, ins Spiel gebracht, dass »die Deutschen« traditionell in Afghanistan und im Nahen Osten sehr beliebt seien. Im Gegensatz zur USA, denen die taz am 17. Oktober 2001 das Fehlen einer »eindeutigen politischen Strategie und eine klare Vorstellung von der Zukunft des Landes nach einem Sturz des Taliban-Regimes«(9) vorwirft. Den Vereinigten Staaten wird hierbei eine simple Arbeitsteilung unterstellt, sie machten alles kaputt und die Europäer müssten es hinterher wieder aufbauen. Nicht ganz treffend angesichts der Tatsache, dass Schröder den USA einen deutschen Beitrag zum Krieg nahezu aufgedrängt hat.

Auch wird hierbei verdrängt, dass es diese Arbeitsteilung so gar nicht gibt, auch die USA betreiben Aufbauhilfe. Ihnen wird jedoch vorgeworfen, dass ihre PRT lediglich mit dem Aufbau von Schulen und ziviler Infrastruktur beschäftigt seien, anstatt sich um das Erstarken der afghanischen Ökonomie zu bemühen. Darüber hinaus würden sie so gute Löhne zahlen, dass für die ISAF- und NGO-PRT nur mangelhaft kompetentes Personal übrig bliebe. Kritisiert wird außerdem, dass die USA kein Interesse daran hätten, das Risiko einzugehen, die Milizen zu entwaffnen. Aber Struck und die Bundesregierung haben es offensichtlich auch nicht. »Dies [die Entwaffnung und der Kampf gegen den Drogenanbau] ist Sache der afghanischen Kräfte und der Führungsnation Großbritannien«, lässt sich auf der Internetseite des Bundeskanzlers nachlesen.

Ganz aus der europäischen Strategie für Neuordnungsprozesse nach Kriegen ausgeschlossen werden sollen die USA aber nun auch nicht. Vielmehr schlägt die Bertelsmannstiftung in einem Papier zur Nachkriegsordnung im Irak vor, die USA und andere internationale Akteure davon zu überzeugen, auf Basis der im Papier herausgearbeiteten Grundlagen zusammenzuarbeiten. Unter anderem sieht dieses Papier vor, neben dem Irak auch Afghanistan in ein gemeinsames Sicherheitssystem zu integrieren und zusätzlich »eine Freihandelszone mit den arabischen Nachbarn Syrien, Jordanien, Libanon und dem künftigen palästinensischen Staat« einzurichten.(10)

 

Germany goes reality

Die Realität hingegen sieht anders aus, die Warlords scheinen bisher wenig interessiert daran zu sein, ihre illegitime in staatlich legitimierte Macht umzuwandeln. Exemplarisch sei hier der Verteidigungsminister und Vizepräsident der Regierung Karzai Mohammad Qua-sem Fahim genannt. Dieser sei aufgrund seiner gefürchteten Milizen aus dem Pandschiri-Tal eine der bedeutesten Stützen der Herrschaft Karzais, zugleich aber weigere er sich seine Milizen zu entwaffnen, da er eine Zunahme des Einflusses der »paschtunischen Mehrheitsbevölkerung« befürchte. Andere Warlords spielen dieses Spiel gar nicht erst mit. So erklärte der ehemals die Taliban bekämpfende Warlord Hektmatyar seinen Wechsel zu den Taliban angesichts des Eintreffens der Bundeswehrtruppen am 25. Oktober in Kunduz mit den Worten: »Wir verstehen nicht, was die EU dabei gewinnen will, indem sie sich an Seite der US-Aggression in Afghanistan stellt. So Gott will, werden die Amerikaner Afghanistan verlassen müssen.«(11)

Die UNO stellte indes alle Wiederaufbauaktionen im Süden des Landes mit der Begründung ein, keine der Grenzregionen sei mehr sicher und die radikal-islamischen Taliban befänden sich erneut auf dem Vormarsch. Sicher scheint allein Kabul, allerdings gelang es Karzai und seiner Regierung bisher nicht, ihren Einfluss auf das politische Geschehen im Land wesentlich über die Stadtgrenzen von Kabul auszudehnen. So wird er in den Provinzen von einigen ironischerweise »Bürgermeister von Kabul« genannt.

Dass die Bundeswehr sich in einem waschechten Krieg befindet, ist an der »Heimatfront« noch immer nicht so richtig angekommen. Zwar kamen bei einem Selbstmordanschlag am 7. Juni 2003 vier deutsche Soldaten um und weitere 29 wurden verletzt, dennoch wird nicht von einem Krieg gesprochen, sondern eher davon, dass Frieden ein gefährliches Geschäft sei.

Vielmehr beschäftigte die deutschen Medien die Frage, warum auf einmal die Afghanen ihre deutschen Freunde nicht mehr mögen, die Erklärung war schnell gefunden. Schuld waren einmal mehr die Amerikaner: »Die Washingtoner Politik«, erklärte der PDS-Europaabgeordnete André Brie am 6. Juni 2003 dem Neuen Deutschland, »hat wesentlich zur Verschärfung der innenpolitischen Lage in Afghanistan [...] beigetragen. Während die US-Amerikaner relativ sicher in ihren Militärbasen sitzen und nur schwer bewaffnet ausrücken, bieten die Isaf-Einheiten, die durch möglichst wenig martialisches Auftreten [...] Vertrauen schaffen wollen, gute Zielscheiben. [...] Die Isaf-Soldaten müssen sozusagen stellvertretend ihre Köpfe hinhalten.«

Schnell jedoch fand sich noch ein weiteres Erklä-rungsmuster, nämlich eines, das viel besser zu dem neuen Deutschland passt, dass seine militärischen und ökonomischen Interessen auch am Hindukusch verteidigt wissen will. Am deutlichsten brachte dies Karl Feldmeyer in der FAZ auf den Punkt: »[Der Einsatz der Bundeswehr] ist mitentscheidend dafür, welchen Rang Deutschland international einnimmt und welche Gestaltungsmöglichkeiten es hat. Gerade weil dies so offenkundig ist, erstaunt es, daß dieser Aspekt humanitären Begründungen weichen muß, wenn es darum geht, Auslandseinsätze für die Öffentlichkeit zu begründen [...] Wahrnehmung nationaler Interessen« – nach einem »Massenmord in Kabul« zumal – »ist nichts Unanständiges, sondern die Pflicht der Politik.«

 

What is left?

Dass Deutschland seine Außenpolitik in der beschriebenen Weise auf Grundlage völkischer Konstrukte betreibt, ist spätestens seit Jugoslawien nichts neues mehr. Nach dem Jugoslawienkrieg wurde unter maßgeblicher deutscher Beteiligung der zentralistische Staat zerschlagen. In Afghanistan hingegen soll ein »loses zentrales Band« den föderalistisch organisierten »Vielvölkerstaat« zusammenhalten. Dieses Konzept, Ethnien als »natürlich gewachsene Schicksalsgemeinschaften« zu begreifen, ist ein spezifisch deutsches. So ist Deutschland, trotz Modifizierung des Staatsbürgerrechts 1999, nach wie vor der einzige Staat in Kerneuropa, der seine Staatsbürgerschaft aufgrund von Blutzugehörigkeit definiert. Deutsch ist, wer qua Blut und Abstammung dazugehört. Hier offenbart sich auch der angenommene Unterschied zwischen Gesellschaft und Gemeinschaft, Gesellschaft ist sozial definiert, während Gemeinschaft eine Frage der Geburt, des natürlich Gewachsenen ist. Für die Gemeinschaft entscheidet man sich nicht, man gehört zu ihr oder eben nicht. Dieses Verständnis findet sich durchgängig in den geschilderten Konzepten für deutsche Außenpolitik in Afghanistan wieder. Anderes als das Denken in völkischen Konstrukten scheint nicht möglich.

Dass es Deutschland so ohne Weiteres gelingt, seine Vorstellungen auf europäische Außenpolitik zu übertragen, mag Indiz dafür sein, dass sein politischer Einfluss in der EU von einigem Gewicht ist. Zum politischen Einfluss ist aber auch ein – zumindest in der Afghanistanfrage – dominant auftretender militärischer Einfluss hinzugekommen. So konnte die Bundeswehr in Jugoslawien lediglich 14 Tornados beisteuern, während in Afghanistan schon die KSK im Einsatz war, sowie diverse Spürpanzer und Marineeinheiten. Zwar kann es sich militärisch nach wie vor nicht mit den USA oder Großbritannien messen und wird dies auch in absehbarer Zeit nicht können, aber es ist auf dem »richtigen« Weg.

Die von der politischen Großmacht Deutschland betriebene Außenpolitik, die es auch militärisch wieder zu einer machen soll, gehört vehement angegriffen und kritisiert. Insbesondere muss auch hier eine Betrachtung über die gängigen Erklärungsmodelle des traditionellen Antiimperialismus hinausgehen. Sonst bleibt im schlimmsten Fall die postulierte Solidarität mit zu legitimen Widerstandskämpfern verklärten Warlords oder Ex-Taliban, die in ihrem Kampf gegen ein »Besatzerregime« amerikanische Imperialisten »gerechtfertigter Weise« überfallen und ermorden. Zudem ist kritisch darauf hinzuweisen, dass die antiimperialistische Analyse zuweilen ähnlich verfährt, auch sie bezieht sich positiv auf Kategorien wie Ethnie oder das legendäre »Selbstbestimmungsrecht der Völker«.

 

Fußnoten:

(1) Nachzulesen unter: »Neues Selbstverständnis deutscher Außenpolitik«, www.bundesregierung.de/artikel-59568/Neues-Selbstverstaendnis-deuts.htm

(2) Siehe: »Afghanistan wird zerrissen von seinen Völkern« in: Die Welt vom 2. Oktober 2001.

(3) Ebd.

(4) Citha D. Maaß: »Afghanistan nach den Taliban. Optionen für eine dauerhafte Konfliktregulierung«; in SWP-Brennpunkte, 5. Oktober 2001.

(5) Rudolf Bindig: »Allenfalls ein loses Staatengebilde ist denkbar«; in: FAZ-Net vom 27. November 2001.

(6) Vergleiche hierzu: »Die Bomben fielen zu früh. Was machen die Amerikaner falsch?«, in: Die Zeit 44/2001, 25. Oktober 2001.

(7) Siehe: »Wege zu einem Staat der Gemeinschaften – Eine Entwicklungsstrategie für Afghanistan«, www.cap.uni-muenchen.de/aktuell/news/2003/2003_11_autonomie.htm

(8) Citha D. Maaß: »Afghanistan nach den Taliban. Optionen für eine dauerhafte Konfliktregulierung«; in SWP-Brennpunkte, 5. Oktober 2001.

(9) Hier die taz: »Die USA tappen im Dunkeln. Von der Zukunft Afghanistans hat die Bush-Administration keine klare Vorstellung«; 17. Oktober 2001.

(10) »Zwischen staatlicher Integrität und gesellschaftlicher Vielfalt: Regionale Autonomie als Lösungsansatz ethno-politischer Konflikte«, Bertelsmann Forschungsgruppe Politik, 10. November 2003.

(11) Spiegel online: »Warlord droht deutschen Soldaten«, 11. November 2003, www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,273490,00.html



Phase 2 Göttingen